In Düsseldorf wird am Sonntag an das Attentat erinnert, bei dem zehn Menschen verletzt und ein Ungeborenes getötet wurden.
Sabine Reimann ist wieder einmal an jenen Ort gekommen, an dem die Bombe explodierte. Alle paar Wochen überprüft sie die Metallplatte am Geländer der Fußgängerbrücke – ein Kunstwerk der Erinnerung. Diesmal ist sie unversehrt. Oft genug aber, sagt die Historikerin der Hochschule Düsseldorf, werde sie beschmiert oder beschädigt.
Manchmal sind es auch Sticker, die eindeutig aus der Neonazi-Szene kommen.
Sabine Reimann, Historikerin der Hochschule Düsseldorf
Ein gezielter Anschlag auf Sprachschüler
Historikerin Sabine Reimann kontrolliert die Metallplatte
Es war kurz nach 15 Uhr an jenem 27. Juli 2000, als eine Gruppe Erwachsener zur S-Bahn-Haltestelle „Am Wehrhahn“ eilte. Männer und Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion, die vom Sprachunterricht kamen – so wie jeden Nachmittag. In diesem Moment detonierte die Bombe, die in einer Tüte am Geländer festgemacht worden war.
Gegenüber, auf der anderen Seite der Schienen, hatte der Täter auf die Gruppe gewartet und – auf einem Stromkasten sitzend – genau in jenem Moment die Bombe gezündet. Das werden später die Ermittlungen zeigen. Ein gezielter Anschlag auf eine Gruppe, die zum großen Teil aus Menschen jüdischen Glaubens bestand.
Freispruch vor Gericht nach mehr als 18 Jahren
Kurz nach dem Anschlag mit der Splitterbombe
In Verdacht gerät damals schnell ein Mann, der in dem Stadtteil als Militaria-Händler mit rechter Gesinnung bekannt ist. Beweise und Indizien aber scheinen nicht stichhaltig genug. Erst fast 18 Jahre nach der Tat kommt es zur Anklage. Der Beschuldigte soll einem früheren Mithäftling die Tat gestanden haben. Doch das Gericht hat Zweifel – und spricht den Mann frei, genauso wie später der Bundesgerichtshof.
Lebenslanges Leid für die Opfer
„Das hat alte Wunden nochmal deutlich aufgerissen und leider, wie wir auch immer wieder hören, neue Wunden hinzugefügt“, sagt Jan-Robert Hildebrandt von der Opferberatung Rheinland. In der Öffentlichkeit möchte sich inzwischen niemand von den damals so schwer verletzten Menschen mehr äußern. Neben all den körperlichen Schmerzen sei die Enttäuschung zu groß, dass niemand zur Rechenschaft gezogen werden konnte.
„Und damit kam die Angst“
Gedenkveranstaltung im Jahr 2020.
Sabine Reimann, die Wissenschaftlerin an der Hochschule Düsseldorf, hat zum Wehrhahn-Anschlag ein Buch geschrieben. Über das Leiden der Betroffenen, über den Prozess und über mögliche Versäumnisse bei den Ermittlungen. Der Titel: „Und damit kam die Angst“. Solche Anschläge, sagt sie, gelten in der Wissenschaft als Botschaftsverbrechen: „Sie treffen alle die, die mit diesem Verbrechen gemeint sind. Also in diesem Fall Juden und Jüdinnen oder Menschen, die damals aus Osteuropa eingewandert waren.“
Es sei deshalb wichtig, das Geschehen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Deshalb haben sie und andere für heute auch wieder eine Gedenkveranstaltung geplant. Mit Reden und Vorträgen auch an dem Ort, an dem vor 25 Jahren jene Bombe explodierte, die zehn Menschen lebenslanges Leid zufügte.
Unsere Quellen:
- WDR-Interview mit Sabine Reimann, Hochschule Düsseldorf
- Archiv des WDR
Über dieses Thema berichten wir auch am 27. Juli 2025 im WDR Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.