In Berlin hat unter dem Motto „Nie wieder still!“ der Christopher Street Day begonnen. Laut den Veranstaltern zogen Hunderttausende Menschen durch die Stadt. Bei einer kleinen Gegendemonstration gab es Festnahmen.
- Berliner CSD verlief laut Polizei weitgehend friedlich mit hunderttausenden Teilnehmenden
- Merz‘ „Zirkuszelt“-Bemerkung oft aufgegriffen
- queere palästina-solidarische Demo mit 10.000 Teilnehmenden am Abend aufgelöst
- mehrere Festnahmen von Rechtsextremen, die gegen CSD protestierten
Hunderttausende Menschen haben am Samstag unter dem Motto „Nie wieder still!“ den Christopher Street Day (CSD) gefeiert. Das teilten Veranstalter und Polizei mit. Sie zogen mit einer bunten Demonstration durch Berlin. Mit rund 80 Trucks und mehr als 100 Gruppen führte der Zug vom Leipziger Platz über den Potsdamer Platz bis zum Brandenburger Tor.
„Die Demonstration war so groß wie lange nicht mehr“, teilte der Vorstand des Berliner CSD-Vereins am Samstagnachmittag mit.
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Zug setzte sich gegen Mittag in Bewegung
Die Veranstaltung wurde um 11:30 Uhr eröffnet, etwa eine Stunde später setzte sich der Zug in Bewegung. Zuvor gab es am Vormittag ein stilles Gedenken am Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen – mit dabei war Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU), der später auch auf der Demo mitlief.
Der CSD wollte ein deutliches Zeichen gegen Diskriminierung und für die Sichtbarkeit queerer Menschen setzen – auch als Antwort auf zunehmende rechtsextreme Anfeindungen und politischen Gegenwind. „Hass ist krass, doch Liebe ist krasser“, lautet eine der zentralen Botschaften.
„Zirkuszelt“-Bemerkung als Vorlage für Botschaften
Zahlreichen Demonstrant:innen nutzten die „Zirkuszelt“-Bemerkung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) als Vorlage für kreative Botschaften. Auf Schildern standen unter anderem Sprüche wie „Genau mein Zirkus“ oder „Manege frei für Demokratie, Vielfalt und Liebe“.
Merz hatte die Entscheidung von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU), zum CSD keine Regenbogenflagge auf dem Bundestag zu hissen, mit den Worten verteidigt: „Der Bundestag ist ja nun kein Zirkuszelt.“
Neben dem großen CSD-Umzug waren weitere Demonstrationen von queeren Aktivist:innen angemeldet. Beim „Internationalistischen Queer für Befreiung“ kamen am späten Nachmittag in Kreuzberg 10.000 Menschen zusammen. Demonstriert wurde für einen „antikolonialen, antirassistischen, antikapitalistischen Freiheitskampf“. Die Demonstration wurde am Abend von der Polizei aufgelöst, weil es nach Angaben der Polizei zu Flaschenwürfen und antisemitischen Parolen gekommen sein soll.
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Verstärkte Polizeipräsenz und rechter Gegenprotest
Die Polizei war nach eigenen Angaben in der ganzen Stadt mit rund 1.300 Kräften im Einsatz. Hinzu kamen etwa 1.000 private Sicherheitskräfte sowie rund 280 Sanitäter:innen.
Die Großdemo selbst ist laut Angaben der Polizei weitgehend friedlich verlaufen. Einem Mann sei von einem Unbekannten mit der Faust auf den Kopf geschlagen worden. Das Opfer habe zuvor eine Israel-Fahne mit Regenbogen-Davidstern hochgehalten.
Auch Protest gegen den CSD war angekündigt: Unter dem Motto „Gemeinsam gegen den CSD-Terror und der Identitätsstörung“ waren zwei Demonstrationen mit insgesamt 400 Teilnehmern angemeldet. Bei der ersten Demonstration kamen nach Angaben von rbb-Reportern rund 20 bis 30 Teilnehmer, die der rechtsextremen „Deutschen Jugend Voran“ zuzordnen waren. Laut Polizei haben sich dort maximal 40 Personen befunden. Es kam zu Festnahmen wegen Verstößen gegen das Waffengesetz, Beledigung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen.
Die zweite Gegenkundgebung wurde laut Polizei abgesagt.
Erneute Festnahmen und spontaner Demo-Versuch der Rechtsextremen
Die Anmelderin der ersten Kundgebung ist laut Polizei festgenommen worden. Die Frau und weitere fünf Personen seien in der Messer- und Waffenverbotszone am Alexanderplatz überprüft worden.
Gegen 18 Uhr versuchten die Teilnehmer des CSD-Gegenprotests sowie die aus dem Gewahrsam entlassene Anmelderin, sich spontan am S-Bahnhof Friedrichstraße zu versammeln, so die Polizei. Sie erteilte jedoch Platzverweise. Da die nicht befolgt wurden, sei Zwang angewendet worden, der auf Widerstand einzelner Rechtsextremer traf, hieß es. Drei Personen wurden festgenommen, ein Polizist verletzt.
Insgesamt wurden im Zusammenhang mit der CSD-Gegenversammlung 14 Strafermittlungsverfahren wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, Verstößen gegen das Versammlungsfreiheits-, Sprengstoff-, Waffen- und Betäubungsmittelgesetz sowie Beleidigung eingeleitet.
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Christopher Street Day erinnert an Protest im Jahr 1969
Bereits am Freitag gab es einige Proteste und Aktionen. So zogen am Nachmittag sind laut Polizei rund 4.500 Menschen im Rahmen des „Community Dyke* March“ durch Kreuzberg und Neukölln zum Treptower Park. Die Teilnehmenden setzen sich insbesondere für die Sichtbarkeit von Lesben ein.
Aus Protest gegen die die „Zirkuszelt“-Aussage von Bundeskanzler Friedrich Merz und die dieses Jahr nicht stattfindende Regenbogenflaggen-Hissung auf dem Reichstagsgebäude legten Aktivist:innen eine 400 Quadratmeter große Regenbogenflagge auf der Wiese vor dem Reichstagsgebäude aus.
Der Christopher Street Day findet jedes Jahr in vielen Städten in aller Welt statt und erinnert an Ereignisse am 28. Juni 1969 in New York: Polizisten stürmten damals die Bar „Stonewall Inn“ in der Christopher Street und lösten dadurch mehrtägige Proteste von Schwulen, Lesben und Transmenschen aus.
Sendung: rbb24, 26.07.2025, 13:10 Uhr
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