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Eine US-Historikerin bezeichnet Trumps „Alligator Alcatraz“ bereits als Konzentrationslager. Sie sieht die Demokratie weltweit bedroht.  

Seit Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus verfolgt die US-Regierung eine brutale Migrationspolitik. Für die Inhaftierung Tausender Migranten entsteht in nur acht Tagen das Gefängnis Alligator Alcatraz inmitten eines Sumpfgebietes in den Everglades in Florida. 

Die Einrichtung soll bis zu 5000 Betten bieten. Insassen berichten über fehlende medizinische Versorgung, Maden im Essen und grelles Licht rund um die Uhr. Anwälte klagen, dass sie keinen Zugang zu ihren Klienten erhalten. Einige der Betroffenen besäßen Aufenthaltspapiere und verstünden nicht, warum sie festgehalten werden. Jüngst landete sogar ein 15-Jähriger in Trumps Abschiebeeinrichtung. 

Bei Menschenrechtsorganisationen schrillen bereits die Alarmglocken. Die Historikerin und Journalistin Andrea Pitzer bezeichnet Alligator Alcatraz sogar als ein „Konzentrationslager“. 

Trumps Alligator Alcatraz: Expertin zieht Vergleich mit Lagern in Nazi-Deutschland 

Das Wort weckt zuallererst Assoziationen an die unmenschlichen Lager im Nationalsozialismus in Deutschland: Auschwitz, Buchenwald oder Dachau. Aber wohl kaum den Gedanken an ein Internierungslager im „Sunshine State“ Florida in den USA. Doch genau solch eine Entwicklung nimmt Pitzer wahr. 

Donald Trump auf Besuch in „Alligator Alcatraz“ vor einem Maschendrahtkäfig mit einfachen Betten.Donald Trump auf Besuch in „Alligator Alcatraz“ © IMAGO/White House

„Natürlich gibt es in der Everglades-Anlage nicht eine Million Tote. Sie hat viel mehr mit den frühen Lagern in Nazi-Deutschland gemeinsam“, sagt sie auf Anfrage der Frankfurter Rundschau von IPPEN.MEDIA. In ihrem Buch „One Long Night“ befasst sich Pitzer mit der Entstehung von Konzentrationslagern vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Dazu hat sie mehrere Lager in verschiedenen Ländern besucht. Nun entsteht wohl eines in ihrem eigenen Land, in den USA. 

Pitzer vergleicht Alligator Alcatraz mit den Konzentrationslagern, die unter den Nazis fast ein Jahrzehnt lang existierten, bevor die Vernichtungslager hinzukamen. „Wie die Konzentrationslager im frühen Nazi-Deutschland und in vielen anderen Ländern ist die Einrichtung in den Everglades für die Masseninhaftierung von Zivilisten ohne wirkliche Gerichtsverfahren errichtet worden“, sagt sie. 

Trumps „Alligator Alcatraz“: Unzählige Häftlinge haben offenbar gar keine Anklage erhalten

Menschen landeten in dieser Haftanstalt aufgrund von Identität, Herkunft, ethnischer Zugehörigkeit, Religion, politischer Zugehörigkeit – und nicht für begangene spezifische Verbrechen, führt sie aus. Trump behauptet, die USA mit dieser Verhaftungswelle sicherer zu machen und bezeichnet die festgenommenen Migranten als Kriminelle. Allerdings ist die Rechtslage nicht immer transparent. 

Laut Guardian sind Hunderte der Häftlinge in Alligator Alcatraz nicht strafrechtlich angeklagt. Es gibt Berichte über Fälle, in denen selbst Einwanderer mit Aufenthaltserlaubnis (Green Card) wegen teils verjährter Drogenverurteilungen verhaftet wurden. Menschen, die seit Jahrzehnten in den USA leben, deren Kinder US-Bürger sind. Für Pitzer steht fest: Die Situation in den USA spitzt sich rasch zu. Dabei spielt auch die US-Einwanderungsbehörde ICE eine Rolle. Denn sie geht immer brutaler vor.

Donald Trumps ICE-Behörde als „Gestapo“ der USA

Die Festnahmen durch ICE-Beamte haben sich aus Sicht der Expertin zu einer „stärker organisierten und geheimen Polizeiaktion“ entwickelt. „Sie verhüllen ihre Gesichter, sie nehmen Menschen nach rassistischen Gesichtspunkten ins Visier, sie weigern sich, sich auszuweisen – sie halten sogar amerikanische Staatsbürger fest“, führt sie aus. Auch wenn diese in der Regel nach Stunden oder Tagen wieder freigelassen werden.

Ein Schild markiert die Einfahrt zu „Alligator Alcatraz“ in den Everglades von Florida.Ein Schild markiert die Einfahrt zu „Alligator Alcatraz“ in den Everglades von Florida. © IMAGO/Thomas O’Neill

Durch Trumps „Big Beautiful Bill“ soll die ICE-Behörde 150 Billionen US-Dollar (rund 127 Milliarden Euro) bis 2030 erhalten. Das Geld ist unter anderem für die Einrichtung von Abschiebezentren und Ausbildung von Personal vorgesehen. „Dazu werden öffentliche Camps eingeführt, die Terror verbreiten. Sie bestehen bereits in den Everglades und sind für viele weitere Orte geplant. Wir werden Zeugen der Geburt einer Gestapo in den USA“, warnt Pitzer. 

Die Gestapo, die Geheime Staatspolizei des nationalsozialistischen Deutschlands, war für ihre brutalen Methoden bekannt und spielte eine zentrale Rolle bei der Verfolgung und Unterdrückung politischer Gegner, sowie von Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma sowie anderer als unerwünscht geltender Gruppen. Pitzer sieht hier gefährliche Parallelen.

USA: Trump nimmt bereits politische Gegner ins Visier

In den USA erkennt die Autorin eine „Konzentrationslager-Tendenz“. Sprich, die Tendenz, eine gefährdete Gruppe ins Visier zu nehmen und ihre Präsenz in der Gesellschaft auszulöschen. „Unkontrolliert führt dies oft zu Konzentrationslagern, bei denen es immer darum geht, eine bestimmte Gruppe aus politischem Nutzen zu isolieren und physisch aus der Gesellschaft zu entfernen“, führt sie aus. In ihrer extremsten Form führe sie zu Völkermord.

Laut Pitzer hat sich die Trump-Regierung diese Tendenz in Bezug auf Trans*Personen und Einwanderer zu eigen gemacht und nimmt bereits weitere Gruppen ins Visier. Sie ordne bereits die Art von Massenverhaftungen an, die offen auf Identität basiere. Um das umzusetzen, brauchten die Nazis mehrere Jahre. Doch laut Pitzer werden Trump und seine Verbündeten bei Verhaftungen und Folter gegen eine Gruppe behindert, gegen die die Nazis von Anfang an aggressiv vorgingen: politische Gegner. 

„Die Regierung bewegt sich so schnell wie möglich in diese Richtung, aber sie hat einfach noch nicht genug Macht, um Demokraten in nennenswertem Umfang zu verhaften“, sagt die Expertin. Im Moment müsse sich Trump mit sporadischen Festnahmen einzelner Politiker oder Richter unter dem Vorwurf der Körperverletzung oder der Behinderung des ICE begnügen. So löste etwa die Verhaftung des US-Demokraten Brad Lander Kontroversen aus, als er einem Migranten im Abschiebegericht helfen wollte. Viele Anschuldigungen wirken auf Pitzer fadenscheinig.

Expertin appelliert an US-Bevölkerung: Sie seien nicht machtlos

In die Zukunft blickt die Expertin besorgt. Die bereits verabschiedeten Budgets für Abschiebehaft und das Gerede der Trump-Regierung, mit Dutzenden von ausländischen Ländern Deals zur Aufnahme von Abgeschobenen zu schließen, verheißen ihr zufolge nichts Gutes. Pitzer erwartet ein inländisches sowie internationales Netzwerk von Konzentrationslagern, das die US-Regierung mithilfe von Bestechung und Einschüchterung realisieren werde.

Diese Entwicklung könnte enorme destabilisierende Folgen für Demokratie und Freiheit weltweit haben, befürchtet sie. Deshalb sei es wichtig, die Aktivitäten von ICE jetzt anzuprangern und auf lokaler Ebene Druck auszuüben. „Wir müssen ICE aus den Gemeinden in den USA heraushalten. Gerade in den ländlichen Gebieten mit wenigen Arbeitsplätzen könnte der Beruf des KZ-Wächters wie ein Segen wirken“, warnt die Expertin. 

Die Gefahr, betont sie, sei real und ernst. Aber US-Bürger seien nicht machtlos. Im Vergleich zu jenen Menschen in fast allen Konzentrationslagerregimen, die Pitzer untersucht hat, besäßen sie noch reichlich Chancen, das Blatt zu wenden.