Gewiss ebenso interessant wie die jüngste Ausstellung der Galerie Noah im Glaspalast ist ihr Vorlauf und ihr „Drumrum“. Rund 50 Künstler mit Bezug zu Augsburg waren ursprünglich in einer Übersicht potenzieller Kandidaten gelistet, selbstredend männlich wie weiblich. 40 fielen raus. Zehn verblieben, die – so Galeristin Wilma Sedelmeier – „zur Galerie passen, etwas zu sagen haben und mir persönlich gefallen“. Dass dabei die Malerei das Ausdrucksmittel erster Wahl war, nicht die Neuen Medien, versteht sich aufgrund von Konzept und Geschichte der Galerie.

Galerie Noah präsentiert zehn Künstlerinnen und Künstler, die „angesagt“ sind

Und nun also treffen zwei Damen und acht Herren unter dem etwas effekthascherischen Titel „Psycho? Augsburg crazy on canvas“ aufeinander, zehn Künstler, die laut Faltprospekt „angesagt“ sind. Sicher: Grundsätzlich freut sich nahezu jeder Kunstschaffende darüber, wenn eine Galerie Interesse an seinen Arbeiten hat. Und wie glaubhaft zu hören ist, gab es im Vorfeld der Schau auch so etwas wie ein Kräftemessen in der Augsburger Künstlerschaft. Aber ob nun jeder der Erwählten glücklich ist, glücklich sein darf – oder im Falle des 2019 verstorbenen Max Kaminski glücklich gewesen wäre – mit genanntem Titel und dem als Prädikat (miss)verstandenen Wörtchen „angesagt“, das sei mal dahingestellt. Gerade die Kunst hat in längeren Zeiträumen zu denken – so sie Bedeutung erlangen will über alles „crazy“ hinaus.

Wie groß das Kräftegeschiebe in der Augsburger Kunstszene insgesamt ist, vermittelte auch der Tag der Vernissage dieser Ausstellung. Wer zu Wort kam, wer kaum zu Wort kam, wer wie stichelte und Reaktion erwartete, ließ bei aller erwünscht sachlich-kontroversen Diskussion doch nebenher auf Empfindlichkeiten schließen. Aber die Hauptsache bleibt gleichwohl die – umkämpfte – Kunst und ihre Entwicklung. Ob Kuratorinnen-Vorliebe, ob Zufall oder Kunstströmung: bestimmte Gemeinsamkeiten unter den in der Galerie Noah gezeigten Werken fallen auf.

Im Zentrum steht der Berliner Promi-Künstler Martin Eder, der aus Augsburg stammt

Besonders die Tier-Darstellung. Sie findet sich in der dunkel-mythologischen und dunkel landschaftsidyllischen Malerei des besagtem Max Kaminski, der seine letzten Schaffens- und Lebensjahre in Augsburg verbrachte; sie findet sich bei dem 1960 in Augsburg geborenen Felix Weinold, der mit starken Kontrasten in grafisch wirkungsvoller Malerei dem Hund einen Protagonisten-Auftritt verschafft; sie findet sich bei Timur Lukas und Monika Schultes („Chimpanzee“); und sie findet sich bekanntermaßen bei Martin Eder (*1968 Augsburg), um den als zentralen Promi-Künstler die Schau gruppiert ist.

Seine handwerkliche Fähigkeit steht außer Zweifel, nicht aber seine Thematik, so psycho, crazy und angesagt sie sein mag. Auch die Einladungskarte der Schau zeigt seine niedlichen Katzenbabys mitsamt attraktiver Girls. Andernorts kommen süße Zicklein mit Kristallkrönchen dazu – verrückt. In Sachen ästhetischer Grenzüberschreitung durch bunt-realistischen Liebreiz besteht starker Ermittlungsbedarf. Zum Kontrast setzt Eder düster-dräuende Kriegerinnen und Walküren ins Bild. Das ist dann weniger crazy als strategisch mystery. 

„Psycho?“ in der Galerie Noah: Die Krone landet auf dem Misthaufen

Besser, wir wenden uns gewagterer, auch deutlich preiswerterer Kunst zu. Guido Weggenmann aus dem Allgäu zeigt eine oxydierte, überdimensionale Krone in einem Schubkarren. In Zeiten des Wahns imperialistischer Weltmächte lässt der gerne (neo)symbolistisch arbeitende Künstler das Herrschaftsmerkmal der Monarchie gleichsam auf den Misthaufen der Geschichte karren. Helen Hu, 1994 in Augsburg geboren, kombiniert in Abstraktionen verschwommenen und trennscharfen Tachismus. Daniel Man, zugezogen nach Augsburg, greift unter anderem eine Technik auf, die gerade in vielen Ateliers erprobt wird: vielschichtig-abstrakte Kompositionen, deren harte Konturen mittels abgeklebter Passagen entstehen. Und Günther Baumann, Augsburger Kunstförderpreisträger 1987, bietet Augen- und Hirnfutter unter anderem in 25 „Giornate“-Zeichnungen.

Besondere Aufmerksamkeit sei empfohlen hinsichtlich der Arbeiten Philipp Fürhofers im Studio der Galerie. Der 1982 in Augsburg geborene Künstler, zudem ein an großen Opernhäusern begehrter Bühnenausstatter, überzeugt mit doppelter Glasmalerei – auf und hinter der Scheibe („Ground“). Auch in „Überlebung“, einer hochalpinen Geröllansicht, legt er zwei Malschichten mit Abstand übereinander: auf Papier und darüber auf Glas. Eine heute außergewöhnlich wirkungsvolle Art, Raum und Tiefe zu erzielen – im 18. Jahrhundert aber in Form des Dioramas gängig in Augsburg.

Galerie Noah im Glaspalast, bis 12. Oktober, geöffnet Di. bis Fr. 11 bis 15 Uhr, Sa. und So. 12 bis 15 Uhr

  • Rüdiger Heinze

    Icon Haken im Kreis gesetzt

    Icon Plus im Kreis

  • Stadt

    Icon Haken im Kreis gesetzt

    Icon Plus im Kreis

  • Augsburg

    Icon Haken im Kreis gesetzt

    Icon Plus im Kreis