Die Parade zieht durch die Schildergasse

Die bunte Parade zum Christopher-Street-Day in Köln zog traditionell auch über die Schildergasse. „Für Queerrechte. Viele. Gemeinsam. Stark.“ lautete das Motto der Demonstration, an der sich die Evangelische Kirche und Diakonie in Köln mit einem Festwagen und einer großen Fußgruppe beteiligten. Dabei passierten die insgesamt rund 60.000 Teilnehmenden auch die AntoniterCityKirche.

Evangelische Messe zum CSD: Ökumenisch und überfüllt

Wie gewohnt hatte dort am Abend zuvor eine Evangelische Messe mit ökumenischer Beteiligung zum CSD stattgefunden. Wie üblich musste zu dieser Veranstaltung früh vor Ort sein, wer unter vielen hundert Besuchenden einen Sitzplatz ergattern wollte.

Die Jungfrau im Dreigestirn – ein Zeichen queerer Sichtbarkeit

„Im gottesdienstlichen Kontext kann es nichts Größeres in der Kirche geben als die Jungfrau“, begrüßte Citykirchenpfarrer Markus Herzberg namentlich nur einen Gast: Hendrik. Er verkörperte als Marlis die Jungfrau im ersten schwulen Kölner Dreigestirn. „Manche haben schon blöd geguckt, als es hieß, drei schwule Männer bilden das Dreigestirn 2024/25“, so Herzberg. Die drei von der Karnevalsgesellschaft StattGarde Colonia Ahoj e.V. hätten der queeren Familie einen Riesendienst geleistet, dankte der Pfarrer.

Musik als verbindende Kraft

Für die musikalische Gestaltung sorgten der von Manuel Busch geleitete Shanty-Chor aus demselben Karnevalsverein, das Saxophon-Ensemble „Die Fläshmöpse“ unter Leitung von Michael Lauscher sowie Roland Steinfeld an der Orgel. Ihre Aufführung von englischen, deutschen und kölschen Stücken, in die viele der Teilnehmenden inbrünstig einstimmten, sorgte für eine feierliche, emotionale Atmosphäre. Die Kollekte ist für den rubicon e.V. bestimmt. Der Kölner Verein engagiert sich mit zahlreichen Beratungs- und Unterstützungsangeboten für LGBTIQ*-Personen und setzt sich für deren Rechte ein.

Eine bewegende Predigt über Liebe und Verantwortung

Der Gottesdienst mit Abendmahl, in dem die Vielfalt, Gottes Liebe und die der Menschen gewürdigt wurden, hielt erneut eine eindringliche und zugleich pointierte Predigt Herzbergs bereit. Er dankte zunächst, dass er hier stehen dürfe. Früher habe er es nicht für möglich gehalten, dass man Pfarrer werden dürfe, wenn man schwul sei. Dies hätten Menschen vor ihm erkämpft. Die heutige Generation müsse ihrerseits Vorbild sein für nachfolgende.

Der Regenbogen als göttliches Versprechen

Heute vor acht Jahren habe er in einem Fernsehstudio die Live-Übertragung der Bundestags-Debatte zur Ehe für alle mitmoderiert, erinnerte Herzberg eingangs seiner Ansprache. „Als klar war, dass die Mehrheit der Abgeordneten die Ehe für alle beschlossen hatte, musste ich mich echt zusammenreißen, nicht zu heulen.“ Seitdem heiße es in §1353 des Bürgerlichen Gesetzbuches: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.“

Das traditionelle Eheverständnis sei endlich erweitert worden und habe sich der Lebenswirklichkeit vieler Menschen angepasst. „Liebe und Gerechtigkeit haben gewonnen.“ Herzberg zitierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der damals im Bundesrat begründet hatte: „Entscheidend ist doch nicht, was die Verfasser und Verfasserinnen des Grundgesetzes damals unter dem Begriff Ehe verstanden haben, sondern was heute für uns Ehe bedeutet.“

„Nie wieder“ – ein politisch-theologisches Leitmotiv

Im Gegensatz zu heute habe der CSD damals jährlich wechselnde Mottos formuliert. Eines davon griff Herzberg nochmals auf: „Nie wieder.“ Er empfinde es als wichtiger denn je. Dieses Motto sei angelehnt an einen gesellschaftlichen Konsens, den wir in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg etabliert hätten. „Nie wieder sollten sich die schrecklichen Ereignisse der damaligen Zeit wiederholen.“ Auch schwule Männer und als „asozial“ herabgewürdigte lesbische Frauen seien damals stigmatisiert, verfolgt und in Konzentrationslager verschleppt worden.

Noch 1957 sei in der Bundesrepublik entschieden worden, dass der Homosexualität kriminalisierende Nazi-Paragraph 175 nicht dem deutschen Grundgesetz widerspreche. Erst 1994 wurde er vollständig aufgehoben. „In einer Gesellschaft und in einer Welt, die spürbar politisch immer weiter nach rechts rückt, müssen wir daran erinnern und auch heute deutlicher denn je wieder fordern: ‚Nie wieder‘“, betonte der Pfarrer.

Der Ruf zur Liebe – und zur Selbstliebe

„Nie wieder“ sei für ihn nicht nur ein Blick in die Vergangenheit, sondern eine Forderung für das Hier, das Jetzt und unsere Zukunft. Beispielsweise sollten nie wieder Schwule und Lesben, bi und trans* Menschen und alle, die nicht in das Weltbild einer heteronormativen Normalität passten, auf offener Straße angefeindet oder von der eigenen Bundesregierung diskriminiert werden. Nie wieder sollten Paare gleichen Geschlechts blöd angeschaut werden, „nur weil sie händchenhaltend durch die Stadt gehen und für sich beanspruchen, was für andere doch so herrlich normal ist“.

Gott als Liebhaberin des Lebens

„In diesem ‚Nie wieder‘ steckt auch die große Chance, dass wir als Menschen die Kraft und Verantwortung haben, Dinge anders machen zu können. Es ist ja nicht so, als würden wir hier in Stein gemeißelt sein.“ Die Gesetzesänderung zur Ehe für alle zeige, dass sich Dinge im Laufe der Zeit verändern können.

Selbst Gott bekomme es hin, seine Meinung zu ändern, erinnerte Herzberg an die Sintflut. An deren Ende sage Gott: „Ich habe meinen Bund mit euch geschlossen, und nie wieder sollen alle Wesen aus Fleisch vom Wasser der Flut ausgerottet werden.“ Der Regenbogen sei das Zeichen Gottes, das Zeichen seines Versprechens und seines Bundes mit allen Menschen. „Der Regenbogen wird zum Zeichen für Frieden, Gerechtigkeit und Liebe. Und nicht umsonst ist vielleicht gerade der Regenbogen heute unser aller Zeichen.“ Die Regenbogenfahne finde sich überall in unserer Stadt und sei Symbol für die von Gott geschenkte Vielfalt.

„Jesus ruft seinen Jüngerinnen und Jüngern zu: ‚Bleibt alle gemeinsam in der Liebe‘. Das ist die Kernbotschaft des christlichen Glaubens, vielleicht die PR-Botschaft aller Religionen dieser Erde.“ Jesus mache immer wieder klar, dass die Liebe das Größte sei. Gott selbst sei die Liebe. „Gott liebt uns, obwohl wir so sind, wie wir sind. Deswegen kann ich als Antwort Gott zurücklieben – und ich kann vor allem mich selber lieben. Und wenn ich das kann, kann ich mein Gegenüber lieben.“ Eigenliebe sei nichts Egoistisches, sondern von Gott geschenkt. „Die Kirche selbst hat das lange Zeit nicht verstanden.“ Sie habe nicht immer die Liebe gepredigt, ganz im Gegenteil. Viel zu lange habe sie Anderssein und homosexuelle Liebe als Sünde und Perversion gebrandmarkt.

„Gott ist schließlich die Liebhaberin des Lebens, die uns fähig macht zu lieben in dieser Welt. Fähig, durch diese Welt zu gehen und zu lieben und nicht die anderen zu moralisieren.“ Herzberg schloss mit den Worten:
„Wenn wir irgendwann mal vor unserer Schöpferin oder unserem Schöpfer stehen, dann wird dieser Gott uns nur eine Frage stellen: Liebst du?“

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Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich