In Frankreich nahe der deutschen Grenze hat sich vor Kurzem ein Mensch mit dem Chikungunya-Virus infiziert. Die Krankheit wurde in der Vergangenheit immer wieder vereinzelt von Reisenden nach Europa gebracht – dass sich nun aber eine Person auch direkt in Frankreich infizieren konnte, sei ein „besorgniserregender Trend“, sagt der österreichische Infektiologe Peter Kremsner im Gespräch mit ORF Wissen.
Kremsner leitet das Institut für Tropenmedizin, Reisemedizin und Humanparasitologie am Universitätsklinikum Tübingen in Deutschland. Laut ihm wird es künftig wohl nicht bei den vom Urlaub mitgebrachten Tropenkrankheitsfällen bleiben. „Das ändert sich – durchaus bedingt durch den Klimawandel und die Einwanderung von bestimmten Arthropoden, also Gelsen, die dann auch diese Tropenkrankheiten in unseren Breiten weiter übertragen können.“
Gelsen auf dem Vormarsch
Die Asiatische Tigermücke ist ein Beispiel einer solchen Gelsenart. Ursprünglich in Südostasien beheimatet, konnte sie sich aufgrund der steigenden Temperaturen und globaler Handelswege mittlerweile in vielen europäischen Ländern etablieren – auch in Österreich. „Wenn dann jemand zum Beispiel von einer Reise einen Dengue- oder Chikungunya-Virus in sich trägt und von so einer Gelse gestochen wird, kann das Tier den Erreger in sich aufnehmen und später an andere Menschen weitergeben“, so Kremsner.
Bis sich die ersten heimischen Krankheitsfälle direkt in Österreich ereignen, werde es daher nicht mehr allzu lange dauern. „Wenn es so weitergeht, ist es sehr wahrscheinlich, dass wir in den nächsten Jahren die ersten in Österreich übertragenen Fälle von Dengue oder Chikungunya haben werden“, sagt der Infektiologe. „Vielleicht noch in diesem Sommer, vielleicht im nächsten, oder vielleicht erst in zwei, drei Jahren.“
Bekämpfung der Überträger
Neben der Asiatischen Tigermücke gibt es aber auch noch andere Gelsen- und auch Zeckenarten, die unterschiedliche Tropenkrankheiten übertragen können und die sich aufgrund der steigenden Temperaturen bereits in Europa etabliert haben.
Die Überwachung und Kontrolle dieser Insekten wird daher künftig eine der zentralen Aufgaben für die Gesundheitsbehörden sein, ist sich auch der Innsbrucker Infektiologe Günter Weiss, Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin II in Innsbruck, sicher. „Die AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) ist da schon relativ aktiv mit einem Netzwerk für Mücken und Zecken“, erklärt er gegenüber ORF Wissen.
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Die Asiatische Tigermücke breitet sich seit einigen Jahren immer weiter nördlich aus
Ziel des Netzwerks sei, mehr Informationen über den Standort und die Zahl der krankheitsübertragenden Insekten zu erhalten und so auch gezielt Maßnahmen zur Eindämmung und Bekämpfung der Überträger ergreifen zu können. Diese Maßnahmen umfassen nicht nur das Monitoring der Gelsen, sondern auch präventive Ansätze zur Reduzierung der Populationen. Dazu könnten beispielsweise regelmäßige Kontrollen und die Beseitigung von Brutstätten gehören. „Es ist entscheidend, dass wir die Dynamik dieser Überträger verstehen, um schnell und effektiv reagieren zu können“, betont Weiss.
Schulungen unerlässlich
Ein weiterer entscheidender Faktor in der Vorbereitung auf Ausbrüche von Tropenkrankheiten ist die gezielte Ausbildung des medizinischen Personals. „Ärzte und Pflegekräfte müssen in der Lage sein, die Symptome von Tropenkrankheiten frühzeitig zu erkennen und richtig zu diagnostizieren“, erklärt Weiss. Das erfordere spezialisierte Schulungen und Fortbildungen, damit das medizinische Personal schnell und kompetent handeln kann, um die Ausbreitung der Krankheiten zu verhindern.
Dazu gibt es in Österreich bereits eine Facharztausbildung, die u. a. in Innsbruck, Graz und Wien durchgeführt werden kann. Außerdem werden laut Weiss auch laufende Fortbildungsveranstaltungen für etablierte Ärztinnen und Ärzte angeboten und von den medizinischen Universitäten Wien, Graz und Innsbruck wird nun auch bereits zum zweiten Mal ein Tropenmedizinkurs durchgeführt.
Tigermücke breitet sich in Österreich aus
Die Asiatische Tigermücke wird in Österreich zunehmend heimisch – in Wien, Linz und Graz überwintern inzwischen stabile Populationen. Das zeigen aktuelle Daten der AGES. Die Mücke, ursprünglich aus Südostasien, kann tropische Krankheiten wie das Chikungunya-Virus übertragen – zuletzt gab es in Straßburg einen ersten Fall weit im Norden Europas.
Infrastruktur stärken
Neben der gezielteren Ausbildung des medizinischen Personals spielt aber auch die Infrastruktur im Gesundheitswesen eine entscheidende Rolle. Gerade bei sehr ansteckenden Tropenkrankheiten sei es wichtig, über geeignete Einrichtungen zu verfügen, die eine schnelle Diagnose und gegebenenfalls auch die Isolation von infizierten Patienten und Patientinnen ermöglichen. „Es muss die Infrastruktur geben, wo man dann diese Patienten entsprechend schnell abklären und dann auch behandeln kann“, so Weiss.
Fehlende Therapien
Sowohl Weiss als auch Kremsner sind sich einig, dass es zur Bekämpfung der Tropenkrankheiten außerdem bessere Medikamente braucht. „Bei Chikungunya- und Dengue-Fieber haben wir momentan zum Beispiel gar keine spezifischen Therapien. Das heißt, man kann eigentlich nur durch Symptomlinderung eingreifen“, erklärt Kremsner. Die Krankheiten selbst werden durch die Medikamente nicht bekämpft.
Die Entwicklung spezifischer Therapien, die direkt gegen die Erreger wirken, sei daher äußerst wichtig, erfordere aber auch internationale Zusammenarbeit. „Wir können Krankheiten, vor allem Infektionskrankheiten, nur bekämpfen, eventuell sogar besiegen oder verhindern, wenn wir weltweit agieren und kooperieren.“
Impfempfehlung bald denkbar
Dasselbe gelte auch für die Entwicklung neuer Impfstoffe. Während es bereits Impfungen gegen einige Tropenkrankheiten gibt, wie etwa gegen Dengue, werden diese momentan hauptsächlich für Reisende in tropische Gebiete und die dort lebende Bevölkerung empfohlen. In Zukunft könnten solche Impfungen in Europa aber zunehmend an Bedeutung gewinnen und auch in Österreich zur Norm werden.
„Noch würde ich niemanden, der nur im Burgenland oder sonst wo in Österreich herumsitzt, gegen Dengue impfen wollen. Wenn es sich dann aber mehr ausbreitet oder überhaupt heimisch macht in Österreich, dann kann man das überlegen“, sagt Kremsner. Er betont auch, dass die bestehenden Impfstoffe zwar einen guten Schutz bieten, die Forschung an wirksameren und umfassenderen Impfstoffen aber trotzdem weiter vorangetrieben werden muss.
„Luft nach oben“
Eine gemeinsame globale Anstrengung bei der Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten könnte nicht nur Europa zugutekommen, sondern auch in den Ursprungsländern der Tropenkrankheiten entscheidend zur Eindämmung beitragen.
Österreich sei bei der Vorbereitung auf die Tropenkrankheiten zwar auf einem guten Weg, laut Weiss gibt es aber auch noch „Luft nach oben“. Vor allem kontinuierliche Investitionen in Forschung und Infrastruktur seien notwendig, um den Herausforderungen der Zukunft gewachsen zu sein. Entscheidend werde außerdem sein, dass die getroffenen Maßnahmen flexibel an neue Entwicklungen angepasst werden, um auf neue Herausforderungen reagieren zu können und die Gesundheit der Bevölkerung langfristig zu schützen.