Bei einer tödlichen Zugentgleisung im Südosten Baden-Württembergs starben drei Menschen und mindestens 41 wurden verletzt. Nach ersten Ermittlungen der Polizei wurde das Unglück wahrscheinlich von einem durch extremen Starkregen ausgelösten Erdrutsch verursacht.
Hinweise auf Fremdeinwirkung gibt es derzeit keine. Die Untersuchungen dauern noch an. Am Vormittag haben Ermittler den Fahrdatenschreiber aus dem Zug geborgen. Dieser müsse nun ausgewertet werden, sagte Ulms Polizeipräsident Josef Veser vor Ort.
Was ist bislang über die Todesopfer bekannt?
Bei dem Unglück starben nach Polizeiangaben der Lokführer (32) und ein Auszubildender (36) der Zuggesellschaft. Die dritte getötete Person (70) sei mit dem Zug gereist. Darüber hinaus wurden mindestens 41 Menschen verletzt, darunter sind auch Schwerverletzte, wie es hieß. Die Rettungskräfte brachten die Verletzten in umliegende Kliniken.
Rettungskräfte suchen in dem entgleisten Zug nach Fahrgästen.
© dpa/Thomas Warnack
Welchen Einfluss hatte das Wetter auf das Unglück?
Zum Zeitpunkt des Zugunglücks sind laut Deutschem Wetterdienst riesige Mengen Regen in Riedlingen vom Himmel geprasselt. In der Gegend habe „extrem heftiger Starkregen“ geherrscht. Am frühen Sonntagabend seien bis zu 50 Liter pro Quadratmeter innerhalb einer Stunde gefallen, sagte DWD-Sprecher Marco Pukert. „Dies ist die höchste Stufe“, ordnete einer seiner Kollegen ein.
Der DWD habe am genauen Unglücksort keine Messstation. Die Auswertung erfolgte laut einem DWD-Sprecher rückblickend anhand von Radardaten. Die nächstgelegene Niederschlags-Messtation befinde sich in Altheim (Kreis Biberach), rund sechs Kilometer vom Unglücksort entfernt. Dort seien 22 Liter pro Quadratmeter innerhalb von zwei Stunden gemessen worden. Daran sehe man, wie sich die Regenmassen trotz der relativ kurzen Entfernung entwickelt haben.
Erste Ermittlungen der Polizei hatten ergeben, dass Starkregen zunächst einen Abwasserschacht zum Überlaufen gebracht hatte. Einem Polizeisprecher zufolge löste das viele Wasser dann wohl einen Hangrutsch direkt an der Bahnstrecke aus. Matsch und Geröll seien dann auf die Gleise gerutscht, der Regionalexpress daraufhin darüber gefahren und einige Meter später entgleist, sagte der Polizeisprecher. Der menschengemachte Klimawandel begünstigt Starkregenereignisse.
Wie ist die Lage vor Ort?
Zahlreiche Rettungskräfte waren am Sonntagabend und in der Nacht am Unfallort im Einsatz. Rettungshunde suchten in den Trümmern nach Überlebenden. Auf Videoaufnahmen vom Ort des Geschehens war zu sehen, wie Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst auf den entgleisten Waggons arbeiteten, um sich Zugang zu den Fahrgästen zu verschaffen. Lautes Geschrei war zu hören. Am Montagmorgen gehen die Aufräumarbeiten weiter.
Wie der „Spiegel“ berichtet, sind etwa 200 Meter vor der Unglücksstelle die Schienen unter dickem braunen Schlamm kaum noch sichtbar. An dieser Stelle könnte der Zug entgleist sein. Ein Teil des Regionalexpresses sei den meterhohen Hang hinaufgeschoben worden. Von einem Waggon, in dem Fahrräder standen, sei die Seitenwand weggerissen.
Ein Waggon ist umgestürzt.
© dpa/Thomas Warnack
Die Waggons sind teils ineinander gerutscht, liegen in der Böschung. „Man sieht auch in der Botanik drumherum, dass da sehr große Kräfte am Werk waren“, sagt Kreisbrandmeisterin Charlotte Ziller. Die Ermittler gingen davon aus, dass der Regionalexpress mit ungefähr Tempo 80 unterwegs war.
Was berichten Augenzeugen?
Der 36-jährige Landwirt Johannes Figel sagte dem „Spiegel“, er habe gegen 18 Uhr einen lauten Knall aus Richtung der Gleise gehört. Er sei sofort mit seinem Schlepper zur Bahnstrecke gefahren und einer der ersten gewesen, der die ineinandergeschobenen und aufgerissenen Zugwaggons sah. „Es war furchtbar“, sagt Figel demnach. Mit seinem Traktor transportierte er zwei Bäume ab, die der Zug gerammt und entwurzelt hatte, um den Einsatzkräften einen leichteren Zugang zur Unfallstelle zu ermöglichen.
Anwohner Karl Figler sagte gegenüber „Bild“: „Es war furchtbar, das mitansehen zu müssen.“ Der 76-jährige Landwirt wohne demnach in Sichtweite zur Unglücksstelle. „Zwei Menschen lagen tot neben dem Zug. Sie wurden in Decken weggetragen. Gleichzeitig wurden Schwerverletzte versorgt.“
Welcher Zug war betroffen und welche Strecke bedient er?
Es handelte sich um den Regionalexpress der Linie RE 55, der von Sigmaringen nach Ulm unterwegs war. Die Linie wird vom Tochterunternehmen DB Regio BW betrieben. Zwei Waggons des Zuges entgleisten bei dem Unglück. Laut einem Sprecher der Bundespolizei saßen rund 100 Menschen in dem Zug.
Der Personenzug ist im Kreis Biberach zwischen den Ortsteilen Zweifaltendorf und Zell entgleist.
© dpa/Thomas Warnack
Wann und wo genau ereignete sich das Unglück?
Das Unglück geschah am Sonntagabend gegen 18.10 Uhr in der Nähe des Riedlinger Stadtteils Bechingen, etwa 45 Kilometer südöstlich von Ulm
Welche Reaktionen gibt es bisher?
Am Montagvormittag machten sich Bahnchef Richard Lutz, Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) vor Ort ein Bild von der Lage. Sie sprachen den Angehörigen der Verstorbenen und Verletzten ihre Anteilnahme aus und dankten den Helfern und den Rettungskräften für ihren Einsatz.
Lutz rang während des kurzen Statements am Unglücksort sichtlich um Fassung. „Die Bilder und Berichte, die wir alle gestern gesehen haben und vor allem die Eindrücke, die wir alle zusammen heute Morgen hier gesammelt haben, gehen einem sehr nah und lassen einen betroffen und bestürzt zurück“, sagte er.
„Wir werden die Arbeiten, die noch anstehen, insbesondere was die Klärung von Unfallhergang und Unfallursache angeht, von unserer Seite aus, von der Bahnseite aus mit allen Kräften unterstützen“, so Lutz.
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Auch mehrere Politiker bekundeten ihre Anteilnahme. So schrieb Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) auf dem Portal X: „Wir trauern um die Opfer. Ihren Angehörigen spreche ich mein Mitgefühl aus.“ Mit dem Innenminister und dem Verkehrsminister stehe er im engen Kontakt und habe sie gebeten, die Rettungskräfte mit allen Mitteln zu unterstützen.
Regierungschef Kretschmann sprach von einer tragischen Nachricht. Er sei erschüttert. „Mein tief empfundenes Beileid gilt den Angehörigen der Opfer.“
Wie geht es nun weiter?
Wie lange die Bahnstrecke noch gesperrt bleibt, war zunächst unklar. Auf der Internetseite der Bahn informierte der Konzern, dass der Bahnverkehr zwischen Munderkingen und Herbertingen eingestellt sei. Am Montag sollten laut Bahn Ersatzbusse die Fahrgäste in dem Bereich transportieren.
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Für Angehörige wurde eine Sammelstelle in einem Bürgerzentrum eingerichtet. Die DB hat für Betroffene und deren Angehörige eine kostenlose Sonder-Hotline unter 0800 3 111 111 eingerichtet. Außerdem stünden Notfallseelsorger und Krisenpsychologen für betroffene Reisende und Mitarbeitende bereit. (Tsp, mit Agenturen)