„Zehn Tage, acht Diagnosen, 170 Kilometer“ – das sind die Eckdaten einer besonderen Wanderung, die Filmemacher Timian Hopf für seinen Dokumentarfilm „Der Weg der Verrückten“ begleitet hat. Mental herausgeforderte Menschen wanderten bei der Aktion der AWO Augsburg im vergangenen Sommer von Augsburg nach Kempten. „Die Zielsetzung war, Barrieren abzubauen, Stigmata entgegenzuwirken und eine Verbindung zu schaffen zwischen Menschen mit und ohne einer solchen Erkrankung“, erklärt Timian Hopf. Wie Teilnehmer das Projekt erlebten.
Dani ist eine der Protagonistinnen den 54-minütigen Films. Die 38-Jährige leidet an einer Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und Depressionen. Obwohl sie eine der Hauptrollen spielt, hat sie den Streifen bis heute noch nicht ganz angesehen. Sie erinnert sich an ihre Bedenken, die sie nach den Dreharbeiten hatte: „Was, wenn potenzielle Arbeitgeber nach meinem Namen googeln, den Film finden und sich denken, so jemand könnte zusätzliche Kosten produzieren, ist möglicherweise weniger zuverlässig oder sogar gefährlich?“
Psychisch Kranke wollen in den Dialog kommen
Menschen, die von Danis psychischer Belastung erfahren, reagieren unterschiedlich darauf. „Manche Leute trauen sich, mich auf meine Krankheit anzusprechen und nehmen sich die Zeit, mir zuzuhören.“ Manchmal wird sie aber auch mit Vorurteilen konfrontiert: „Ich muss mir auch mal Sprüche anhören, wie: Geh doch mal Vollzeit arbeiten, dann wird es dir schon besser gehen.“ Dani lebt in einer Wohnung in Pfersee, wo sie ambulant eine Aufsuchende Assistenz in Anspruch nimmt. Ihr Ziel: „Ich möchte ohne Sozialleistungen auskommen.“ Am liebsten würde die studierte Eventmanagerin wieder in diesem Bereich Fuß fassen. Auf ihre letzten Bewerbungen bekam sie nur Absagen. „Ich nehme auch Medikamente, aber das Wichtigste sind Gespräche“, sagt sie. Eine Verhaltenstherapie vermittelt ihr zudem Strategien zur Stressregulierung.
Ein weiterer Botschafter für Verständnis, der an der Wanderung teilnahm, ist Andi. „Ich litt als Kind unter Schlafwandeln und habe trotz Freundeskreis gern allein gespielt“, erinnert sich der 44-Jährige. Schon als Kind habe sich herauskristallisiert, dass er anders ist, aber die paranoide Schizophrenie brach erst im Alter von 29 Jahren aus, als er mehrere Schicksalsschläge erlitt. Unter anderem wurde er während des Studiums obdachlos und von seiner Freundin verlassen. Damals hörte er Stimmen, bekam Verfolgungsängste. „Es ging rein in die Psychiatrie, raus aus der Psychiatrie“, berichtet er. Viele Freunde wandten sich von ihm ab.
Der Austausch auf der Wanderung war für Betroffene eine Bereicherung
Heute arbeitet der gelernte Landschaftsgärtner im großen Garten des Clemens-Högg-Hauses. Ein Traum wäre für ihn, den Bachelor in Landschaftsgestaltung zu machen. Andi lebt in einer Einrichtung des Gemeinschaftlichen Wohnens mit Tagesstruktur für Menschen mit einer psychischen Erkrankung im Augsburger Stadtteil Pfersee.
Bei der Wanderung durchs Allgäu waren auch andere aus dieser Einrichtung dabei. „Das hat uns noch mehr zusammengeschweißt“, sagt Andi. Der Event habe für ihn viel verändert. „Ich habe unterwegs viele spannende Menschen kennengelernt.“ „Ich dachte immer, die Leute denken, jemand mit einer solchen Diagnose sei nicht ganz koscher, aber ich habe das Gegenteil erfahren: Die Leute waren eher neugierig und gaben positives Feedback.“ Mittlerweile stehe er zu seiner Diagnose. „Allein das Kommunizieren war befreiend“, sagt er.
„Trotz der Tatsache, dass in Deutschland etwa jeder vierte Erwachsene von einer psychischen Erkrankung betroffen ist, sei es leider immer noch ein Tabu, über psychische Erkrankungen zu sprechen“, sagt Fabian Meyer-Helas, Referatsleiter Sozialpsychiatrie bei der AWO. Mit der Wanderung wollte man „auf psychische Erkrankungen aufmerksam machen und in den Dialog kommen“.
Der Zuschauer soll sich sein eigenes Bild machen
Zu sehen ist der Dokumentarfilm unter anderem zur Eröffnung der 15. Allgäuer Filmkunstwochen am 2. Oktober 2025. Dani zögerte lange, ob die Anwesenheit bei der Vorführung ihr nicht zu viel würde. Mittlerweile hat sie sich für eine Teilnahme entschieden. „Es ist wichtig, dass mehr über das Thema gesprochen wird. Dass andere wissen: Jede psychische Krankheit ist anders. Nicht jeder, der eine psychische Krankheit hat, ist gefährlich für andere.“ Die Zuschauer sollen sich ein eigenes Bild machen, wünscht sie sich.
Andis Message, die er mit seiner Teilnahme an der Wanderung und dem Filmprojekt verbreiten möchte: „Psychisch krank zu sein ist keine Schande. Er behilft sich mit einem Ringelnatz-Zita: „Jeder spinnt auf seine Weise, der eine laut, der andere leise.“
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Michael Eichhammer
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