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ihm_Buchhandel__Herrmann_CoFriederike Herrmann (Bindernagel) ist von den Comic-Büchern für Erstleser begeistert. © Red

Der Buchhandel muss immer mehr um Leserinnen und Leser kämpfen. Gleichzeitig steigt der Umsatz. Paradox? Woran das liegt, schildern Buchhändlerinnen aus Friedberg und Bad Nauheim.

In seiner Wirtschaftspressekonferenz am 10. Juli gab der Börsenverein des Deutschen Buchhandels vollmundig eine Umsatzsteigerung für die Buchbranche von 1,8 Prozent auf 9,88 Milliarden Euro 2024 bekannt. Darüber lächeln die Inhaberin von Bindernagel in Friedberg, Friederike Herrmann, als auch die Geschäftsführerin der Bad Nauheimer Buchhandlung am Park, Christina Baumgärtner, leise. Sie zeichnen ein differenziertes Bild von Kundschaft und Umsatzwegen.

Buchhandel: Ganze Regale für junge Zielgruppe

In beiden Buchhandlungen stehen ganze Regale voll von Büchern der Zielgruppe 14- bis 29-Jährige. Das Interesse vor allem von Mädchen an den schaurig-schön aufgemachten Titeln ist groß. Aber sie machen nicht das Umsatzwachstum von 0,6 Prozent im Sortimentsbuchhandel aus.

Friederike Herrmann meint, es seien vor allem die Preissteigerungen bei den Büchern, die die Umsatzzahlen nach oben trieben. Auch der Kulturpass für 18-Jährige bringe einiges. Der Buchhandel hofft, dass er weitergeführt wird. Dagegen seien 2024 etliche Corona-Förderungen im Schulbereich weggefallen. Beide Buchhändlerinnen bestätigen, dass die junge Zielgruppe, die bisher kaum in Erscheinung getreten sei, tatsächlich seit einigen Jahren wachse. Im vergangenen Jahr waren es rund 8,5 Prozent.

Buchhandel: Buchschnitt und »Book-Nook«

»Es muss was drum herum sein, also ein gemusterter Buchschnitt, Glitzer oder ein Deko-Element, Book-Nook genannt«, weiß Baumgärtner. »Ich finde es schön, wenn eine Gruppe junger Mädchen vor dem Regal steht und sich über Bücher unterhält«, bemerkt Herrmann. Allerdings müsse man sehr genau aufpassen, was man einkaufe. Denn zwischen Büchern für Young Adult (ab 14 Jahre) und New Adult (ab 18 Jahre) verwischen sich oft die Grenzen.

»Die Bandbreite ist groß. Von romantischen Geschichten über ›Spicy‹, Gewalt und Pornografie finden Sie alles. Das möchte ich selbst nicht lesen und keiner 14-Jährigen verkaufen«, sagt Baumgärtner. Auch Herrmann sieht da ihre Verantwortung, nicht alles anzubieten: »Was schon mit Chili-Schoten beworben wird, will ich nicht im Regal haben.« Die Titel sind meistens Englisch und in düsteren oder zucker-süßen Farben, was nicht immer dem Inhalt entspricht.

TikTok und andere soziale Medien

Die Protagonisten bevorzugen Jugendsprache. Umsatzfördernd sind zweifellos die Werbung über TikTok und Verkaufsargumente in den sozialen Medien.

Bei den Kinderbüchern sieht das anders aus. Da sind Schulen und Lehrkräfte die Multiplikatoren, und was die Buchhandlungen selbst unternehmen, um an die jungen Leser heranzukommen. Bei Bindernagel in Butzbach ist die »Pippi-Party« zu Weihnachten ein langjähriger Erfolg und der monatliche Leseclub in zwei Altersklassen. Friedberg zieht mit dem Leseclub jetzt nach: ab September am ersten Freitag im Monat von 15.30 bis 16.30 Uhr. Die Reihe ›Friedberg lässt lesen‹ wird erstmals eine Kinderlesung anbieten. Erfolgreich sind auch Autoreneinladungen in Schulen.«

Positiv stimmt, dass in den beiden Buchhandlungen die Verkaufszahlen der Erstlesebücher wachsen. »Ende der Achtzigerjahre gab es schon mal Kinderbücher als Comic. Das lief gar nicht. Inzwischen akzeptieren das die Eltern und es gibt schöne Beispiele dafür«, weiß die Friedberger Buchhändlerin. Positiv findet sie auch die Initiative in der Musterschule, wo die Lehrkraft in der Frühstückspause, wenn der Mund sowieso voll ist, vorliest.

Am Welttag des Buches im April laden die Buchhandlungen Schulklassen der 4. und 5. Jahrgangsstufe zu Vorträgen und zum Schnuppern in den Laden ein und verschenken das Welttagsbuch. Herrmann: »Es gibt immer wieder Kinder, die können es gar nicht fassen, ein Buch geschenkt zu bekommen, das sie behalten dürfen. Sie sind unglaublich stolz.« Eine für sie erschütternde Erfahrung hat Christina Baumgärtner gemacht: »Mit einem abwertenden ›Was soll ich damit‹, knallte mir ein Mädchen das Buch auf die Ladentheke.«

Was vor einigen Jahren noch Hörbücher waren, sind jetzt Downloads. Deren Zahl steigt naturgemäß. Allerdings hat davon der stationäre Buchhandel nicht viel, ebenso wie bei den Schulbüchern. Wichtig sind die Büchereien zur Inspiration, die meist nach Kundenwünschen regelmäßig im Buchhandel bestellen.

Im übrigen Sortiment gehen Firmengeschichten und Romane aus dem 20. Jahrhundert gut, mit denen man sich noch identifizieren kann, so wie Belletristik und Sachbücher.

Gespräche im Buchladen

»Uns ist jeder willkommen, der lesen will. Und wer in unserem Internetshop bestellt und das Buch im Laden abholt, sieht vielleicht noch was anderes oder es ergibt sich ein Gespräch«, meint Friederike Herrmann zufrieden.

ihm_Buchhandel_New_Adult_FoIn der Bad Nauheimer Buchhandlung Am Park sind Regale und Tische voll mit New-Adult-Büchern für die Zielgruppe ab 14 Jahre. © Redihm_Buchhandel_Book-Nook_4cDeko-Elemente, die zum Buch passen, erzeugen Aufmerksamkeit bei den Lesenden. © Red