Eilig hatte es Philipp Poisel nie. Der Veröffentlichung seines Debütalbums „Wo fängt dein Himmel an?“ (2008) ließ der Ludwigsburger bislang gerade mal drei weitere Studioeinspielungen folgen. Dem Schnell-schnell seiner Branche und ihrem technokratisch geprägten Künstlerverständnis verweigert er sich konsequent und mit Erfolg.

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Von ihm, der Ein-Mann-Widerstandsbewegung, erwartet sein treues Publikum keine Fließbandarbeit. Neue Lieder von Poisel gibt es ausschließlich zu hören, wenn er verstärkt Lust aufs Songwriting verspürt. Fühlt er sich nicht ausreichend von der Muse geküsst, geht er vorzugsweise auf Reisen, sowohl nach außen als auch nach innen.

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Auf der Suche sein, das Unterwegssein, spielt seit jeher eine zentrale Rolle in seinem Sujet. „Bis nach Toulouse“, „Mein Amerika“, die Referenz an Robinson und Freitag im Song „Roman“ – Poisels Abenteuergeist bahnt sich unablässig seinen Weg in seine Lieder, mit allem Staunen, das dazu gehört. Oder ist es die Flucht vor Bestehendem, die ihn antreibt? Sein Konzertprogramm auf der Würselener Burg Wilhelmstein am Montagabend beantwortete die Frage relativ eindeutig: Es ist beides.

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Wenn er daheim ist, hat er Fernweh. Wenn er unterwegs ist, spürt er Heimweh. In diesem Spannungsfeld pendeln seine Lieder hin und her: immer auf der Suche nach einem Kompass, wie er in „Halt mich“, dem ersten Lied des Abends singt.

Die Fantasie, die damals während seiner Kindheit so riesig war, beschäftigt ihn immer noch. An die versucht er immer wieder heranzukommen. Fantasie ist ein Land, in dem er und sein Publikum sich mit Genuss aufhalten.

In Würselen will jeder einzelne seiner Zuschauer im ausverkauften Halbrund der Burg so sein wie er: ein „Roman auf den Seiten“ eines anderen Menschenlebens. Die Sache mit der Vorstellungskraft führt Poisel offensichtlich vor allem zum Sehnsuchtsort namens Verbindung.

Von Beginn des knapp zweistündigen Programms an stimmt das Senden und Empfangen zwischen Bühne und Besucheratrium feinjustiert bestens. Poisel und sein Musikerfreund Florian Ostertag, der nur zu Songs auftaucht, die nach vier Pianisten- oder Gitarristenhänden verlangen, sind wahrhaftige Kommunikationskunstschaffende.

Dazu tragen auf der Burg nicht zuletzt jene einladenden Akustikgitarrenmotive bei, die augenscheinlich altbewährtes Saitenschrammeln am Lagerfeuer vorgaukeln. Ostertag und Poisel reichern sie jedoch mit vorsichtig eingeflochtenen Jazzakkorden an, denen es obliegt, die vitale Konzertstimmung konstant aufrechtzuhalten.

Mit „Wind in den Haaren“ geht es im Schnelldurchlauf einmal quer durch den Songkatalog des Schwaben: „Bordsteinkantenleben“, „Herr Reimer“, „Wie soll ein Mensch das ertragen“. Nach rund 100 Minuten ist das reguläre Programm beendet.

Der freundliche Widerspenstige lässt sich allerdings nicht lange bitten und zündet im Zugabenblock noch mal klammheimliche und allseits bekannte Hits aus seiner Feder ab. „Ich und du“, „Liebe meines Lebens“, Max Herres „Wolke 7“ und „Als gäb’s kein Morgen mehr“ – die Burgmanege ist erfüllt von Poisels Liedpoesie.

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Wenn deren Verfasser die Intensität auflockert, wird er geschwätzig und erzählt kleine Anekdoten aus seinem ansonsten strikt verschlossen gehaltenen Privaten. Er bleibt dabei gleichwohl so vage, dass das Bild des enigmatischen, weitgereisten Romantikers keine Risse bekommt. So darf es gern bleiben.

Poisel soll schließlich weiterhin als wortjonglierendes Mysterium herhalten. Er soll bitte keine der Ecken und Kanten seines Künstlercharakters einbüßen, auf den sich allerlei Sehnsüchte von Freiheit und Liebe projizieren lassen. Wir wollen ja „Freunde“ bleiben, wie er am Ende seines eindrücklichen Burgkonzerts vermittelt.