Das Gefängnis bei Saporischschja sei zerstört, angrenzende Gebäude seien beschädigt worden, teilte Militärgouverneur Iwan Fedorow mit. Nach Angaben des Gouverneurs gab es in der Nacht acht Angriffe, bei denen vermutlich Gleitbomben zum Einsatz kamen. Gleitbomben werden von russischen Kampfjets über russisch kontrolliertem Gebiet nahe der Front abgeworfen und schlagen dann in Orten auf ukrainischer Seite ein.
Für die ukrainische Flugabwehr sind die angreifenden Jets außer Reichweite. Angesichts der kurzen Flugzeit der Bomben über wenige Dutzend Kilometer gibt es so gut wie keine Vorwarnzeit für die Bevölkerung. Russland hat nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe in der Nacht auf Dienstag mit 37 Drohnen und zwei Raketen angegriffen. 32 Drohnen seien abgefangen worden.
Kiew: Auch Gefangene haben Recht auf Leben und Schutz
„Es war ein gezielter Angriff, absichtlich, nicht zufällig“, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj. „Die Russen konnten nicht übersehen haben, dass sie Zivilisten in dieser Einrichtung ins Visier nahmen.“ Moskau müsse „gezwungen werden, das Töten zu beenden, und Frieden schließen“, forderte er.
Der Berater des ukrainischen Präsidenten, Andrij Jermak, forderte im Onlinedienst Telegram „wirtschaftliche und militärische Schläge, die Russland seiner Kriegsfähigkeit berauben“. Der ukrainische Menschenrechtsbeauftragte Dmytro Lubinez schrieb in Onlinemedien, der Angriff in Saporischschja zeige einmal mehr, dass Russland in der Ukraine Kriegsverbrechen begehe. „Menschen, die im Gefängnis sitzen, haben nicht ihr Recht auf Leben und Schutz verloren“, sagte er.
Gefängnis mit 274 Insassen
Auf Bildern des Justizministeriums sind Ziegelsteine und Trümmer rund um das Gefängnisgebäude zu sehen. Von regionalen Rettungsdiensten veröffentlichte Bilder zeigen Rettungskräfte, die nach Überlebenden suchen. Ukrainischen Regierungskreisen zufolge saßen im getroffenen Bilenkiwska-Gefängnis 274 Insassen ihre Strafen ab. Russische Kriegsgefangene waren dort demzufolge nicht untergebracht.
Debatte
Was braucht die Ukraine, damit der russische Angriffskrieg endet?
Der Angriff auf das Gefängnis erfolgte genau drei Jahre nach einem Angriff auf das Gefängnis Oleniwka im Osten der von Russland kontrollierten ukrainischen Region Donezk. Am 29. Juli 2022 hatte sich dort eine Explosion ereignet, für die sich beide Seiten gegenseitig verantwortlich machten. Nach ukrainischen Angaben waren dort Dutzende ukrainische Kriegsgefangene inhaftiert.
Tote auch in Dnipropetrowsk und Charkiw
Im Nachbargebiet Dnipropetrowsk kamen nach ukrainischen Angaben mindestens vier Menschen durch russische Raketenangriffe ums Leben. Mehrere Personen seien verletzt worden. Ein Angriff traf laut Regionalgouverneur Serhij Lysak die Stadt Kamjanske. Dort seien zwei Menschen getötet und fünf weitere verletzt worden. Bei weiteren Angriffen in den Bezirken Synelnykowe und Welyka Mychajliwska seien zwei Menschen getötet worden.
Aus der Region Charkiw meldete die ukrainische Polizei Dienstagmittag fünf Todesopfer. Ein Dorf in der Region sei „mutmaßlich mit einem Mehrfachraketenwerfer“ der russischen Streitkräfte angegriffen worden, hieß es.
Russland verschärft nächtliche Angriffe
Russland führt seit mehr als drei Jahren einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Dazu gehören nächtliche Luftangriffe mit Drohnen und Gleitbomben, oft auch kombiniert mit Raketen und Marschflugkörpern. In diesem Jahr sind die nächtlichen Angriffe noch einmal verstärkt worden und umfassen oft Hunderte Fluggeräte.
Bei mehreren ukrainischen Drohnenangriffen auf die russische Region Rostow wurde unterdessen nach russischen Angaben ein Autofahrer in seinem Auto getötet. Zudem habe eine Drohne einen Brand in einem Bahnhof in der Stadt Salsk ausgelöst, teilte der stellvertretende Gouverneur der Region, Juri Sljusar, auf Telegram mit. Die russische Armee meldete in der Nacht auf Dienstag den Abschuss von 74 ukrainischen Kampfdrohnen über verschiedenen Regionen des Landes.
Trump an Putin: Waffenruhe in „zehn bis zwölf Tagen“
Russland hatte zuletzt in der zentralukrainischen Region Dnipropetrowsk weitere Geländegewinne erzielt. Um den Druck auf Moskau in Bezug auf eine Waffenruhe zu verstärken, reduzierte US-Präsident Donald Trump am Montag seine Frist auf „zehn bis zwölf Tage“. Trump hatte dem russischen Präsidenten Wladimir Putin Mitte Juli eine Frist von 50 Tagen zur Beendigung des Ukraine-Kriegs gesetzt.
Wenn es in 50 Tagen keinen „Deal“ über einen Frieden in der Ukraine gebe, würden die USA „Zölle in Höhe von etwa 100 Prozent“ verhängen, sagte Trump. Demzufolge soll es sich um Sekundärsanktionen gegen Länder wie China, Indien und Brasilien handeln, die weiter billiges Öl und Gas von Russland kaufen.
Der Kreml will neue Zolldrohungen von US-Präsident Donald Trump nicht weiter kommentieren. „Wir haben die gestrige Äußerung von Präsident Trump zur Kenntnis genommen“, sagte Sprecher Dmitri Peskow am Dienstag.