Verwaltung
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Plötzlich gibt es Termine bei den Berliner Bürgerämtern
dpa/Jörg Carstensen
Video: rbb24 Abendschau | 28.07.2025 | Anja Meyer | Bild: dpa/Jörg Carstensen
Bürgeramts-Termine waren in Berlin lange Zeit Mangelware. Wer seinen Pass verlängern wollte, musste warten oder weit fahren. Jetzt scheint sich daran etwas zu ändern. Dafür gibt es mehrere Gründe. Von Anja Meyer
Als der Berliner Thomas Krötz vor einigen Jahren einen Reisepass brauchte, begann für ihn ein Spießroutenlauf. Jeden Morgen um 7 Uhr saß er am Computer und hoffte auf freie Bürgeramtstermine. Am Ende musste er Monate warten und ans andere Ende der Stadt fahren. Jetzt kann er kaum glauben, was er auf seinem Handy sieht: „Oh jetzt wären Termine frei für – diesen Monat noch, für heute noch. Das wundert mich.“
In den nächsten Wochen sind in nahezu allen 46 Berliner Bürgerämtern noch viele Termine frei. Zum Beginn der Sommerferien gab der Bezirksstadtrat für Soziales und Bürgerdienste von Mitte, Carsten Spallek (CDU), dazu sogar eine Pressemitteilung heraus, ermutigte die Menschen, jetzt einen Termin zu machen. „Dieses Klinken-Putzen eines Bürgeramtes ist schon etwas unerwartet“, sagt Spallek dem rbb. „Aber die Kapazitäten sind ja nicht da, um sie brachliegen zu lassen.“
Die freien Kapazitäten in den Bürgerämtern sind weder Zufall noch Sommerloch, sagt Berlins oberste Digitalbeauftragte, Martina Klement, sondern „das neue Normal“. Normal. Im Vergleich zum Juni des Vorjahres seien in diesem Juni rund 1.400 Termine am Tag mehr angeboten worden. „Trotzdem ist immer noch Luft nach oben.“
Mehr Personal, mehr Online-Services
Laut Klement liegt das vor allem daran, dass in den Bürgerämtern 100 zusätzliche Stellen geschaffen wurden. Dazu kommt ein Springerpool mit noch einmal 20 Mitarbeitenden, die im Krankheitsfall einspringen. Außerdem könnten mittlerweile rund 400 Dienstleistungen online erledigt werden.
Die Online-Angebote werden allerdings recht unterschiedlich genutzt. Während rund 80 Prozent der Berlinerinnen und Berliner etwa ihre Anwohner-Parkvignetten schon digital beantragen, melden nur rund zehn Prozent ihren Wohnsitz online an oder um. Und das, obwohl eine Meldebescheinigung digital kostenlos ist und im Bürgeramt dafür zehn Euro fällig werden.
Doch die Hürden sind offenbar hoch: Für diesen Service braucht man die Online-Ausweisfunktion (eID), die zunächst auf dem Smartphone eingerichtet werden muss und nur mit einer PIN freigeschaltet werden kann. Zu kompliziert? „Es ist und bleibt eine Verwaltungsdienstleistung und wird natürlich nie so einfach online zu bedienen sein, wie vielleicht, wenn man online irgendwas bestellen möchte“, sagt Klement.
Dennoch hofft sie, die Nutzungszahlen der Online-Services Schritt für Schritt erhöhen zu können. „Jeder, der online eine Dienstleistung erledigt, ist natürlich zugleich eine Entlastung für die Bürgerämter in Berlin.“ In diesem Jahr sind 76.000 Anträge digital erledigt werden – jeder spare einen Bürgeramtstermin, sagt Klement. Eine Kampagne bewirbt das Angebot, Digitallotsen unterstützen die Bürgerinnen und Bürger in den Ämtern beim Bedienen.
Als Bezirksstadtrat für Soziales und Bürgerdienste in Spandau beobachtet Gregor Kempert (SPD) immer wieder, dass Online-Services für manche Menschen einfach nicht zugänglich sind. Noch nicht einmal, um sich einen Termin zu buchen. Das betreffe vor allem alte, arme und nicht-deutsche Bürgerinnen und Bürger. Wie etwa einen Großteil der Bewohner des Spandauer Stadtquartiers Heerstraße. Um auch ihnen den Weg zu Verwaltungsdienstleistungen zu erleichtern, eröffnete vor nicht einmal einem Jahr, Anfang September 2024, ein Bürgeramt direkt im Staaken-Center. An dem Ort, an dem viele Menschen aus dem Kiez einkaufen gehen.
„Die meisten Menschen aus dem Quartier Heerstraße kommen ganz spontan ohne Termin ins Bürgeramt“, berichtet Kempert. Mit dem neuen Bürgeramt vor Ort sei die Teilhabe für sie deutlich erleichtert worden. Dass so eine niedrigschwellige und spontane Nutzung überhaupt möglich ist, sei laut Kempert zu wenig bekannt. „Uns Bürgerämtern fehlt ein Marketing wie die BVG oder die BSR es haben.“ Dann würde sich der schlechte Eindruck drehen, ist er sich sicher. Mitte Juli hat der Bezirk Marzahn-Hellersdorf ein weiteres Bürgeramt eröffnet, zwei weitere sollen in Pankow und Treptow-Köpenick folgen.
Ohne Termin ins Bürgeramt zu gehen, funktioniert offensichtlich nicht nur am Stadtrand. Bezirksstadtrat Spallek aus Mitte nennt es das „bestgehütete Nicht-Geheimnis der Berliner Verwaltung„. „In den seltensten Fällen wird jemand weggeschickt, der spontan kommt“, sagt Spallek. Denn: Die Termine werden immer so geplant, dass sie in jedem Fall – auch bei Personalnot – abgedeckt werden können. Dazu kommen die sogenannten No-Shows. Also Menschen, die einen oder sogar mehrere Termine gebucht haben, dann aber nicht auftauchen. „Das ist nicht schön und anderen gegenüber unfair“, sagt Spallek. Aber deswegen gebe es auch immer noch spontane Kapazitäten.
Aktuell erarbeitet Staatssekretärin Martina Klement mit den Bezirken, wie genau ein Notfall für das Bürgeramt definiert wird und wer demnach immer spontan vorbeikommen kann. Diese Regelung soll im Herbst bekanntgegeben werden. Klement ist optimistisch, dass es künftig für niemanden mehr ein Spießroutenlauf sein wird, seinen Pass zu verlängern. Im Moment bekommen 80 Prozent der Menschen ihren Termin innerhalb von zwei Wochen. Vor einem Jahr waren es nur 58 Prozent. „Ich gehe davon aus, dass wir hoffentlich bald an dem Punkt sind, wo jeder, der innerhalb von 14 Tagen einen Termin haben möchte, den auch bekommen kann.“
Sendung: rbb24 Abendschau, 28.07.2025, 19:30 Uhr