Ein schweres Seebeben vor der russischen Halbinsel Kamtschatka hat im Pazifik-Raum zahlreiche Länder von Japan und den Philippinen über Hawaii bis zur US-Westküste und Lateinamerika in Alarmzustand versetzt. Gewarnt wurde vor teils meterhohen Tsunami-Wellen.
Hinweise auf größere Schäden gibt es bislang nicht; in einigen Ländern wurden die Warnungen nach einigen Stunden aufgehoben oder heruntergestuft. Bei einem Tsunami bauen sich Wellen mitunter in Stufen auf.
Mit einer Stärke von 8,8 war das Beben laut der US-Erdbebenwarte USGS das weltweit stärkste seit der Katastrophe von Fukushima im März 2011 – und wurde seit Beginn der Messungen überhaupt nur von fünf Beben übertroffen.
Das Zentrum lag der USGS zufolge in der offenen See, etwa 130 Kilometer vor der nur dünn besiedelten Küste Kamtschatkas im Osten Russlands, und relativ tief unter dem Meeresboden. Es ereignete sich in der Nacht deutscher Zeit um kurz vor 1.30 Uhr.
Russland
Mehr als drei Meter hohe Tsunami-Wellen erreichten in der Nähe der Stadt Sewero-Kurilsk die russische Pazifikküste. Die stärkste Welle soll fünf Meter hoch gewesen sein, wie die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti unter Berufung auf Rettungsdienste berichtete. Das Wasser drang laut Alexander Owsjannikow, dem Verwaltungschef im Kreis Sewero-Kurilsk, 200 Meter tief ins Landesinnere vor. Die Tsunami-Warnung bestehe weiterhin.
In der Region Kamtschatka wurden mehrere Menschen verletzt. Im Norden der Inselgruppe Kurilen kam es zu Überschwemmungen. Auch in der Region Sachalin brandeten laut der Nachrichtenagentur Tass Tsunami-Wellen von drei bis vier Metern Höhe an Land. Berichte über Verletzte oder gar Tote gab es dort nicht. An verschiedenen Orten wurden Küstenbewohner in Sicherheit gebracht.
In der Regionalhauptstadt Petropawlowsk-Kamtschatski rannten laut Tass verängstigte Menschen barfuß ins Freie. Kleiderschränke stürzten um, Autos rutschten über wackelnde Straßen und ein Kindergarten-Gebäude wurde schwer beschädigt. Zeitweise sei das Strom- und Telefonnetz zusammengebrochen.
Japan
In den Städten entlang der japanischen Pazifikküste ertönte Tsunami-Alarm und es wurden Evakuierungsanordnungen erteilt, von denen Zehntausende Menschen betroffen waren. Arbeiter räumten das havarierte Atomkraftwerk (AKW) Fukushima, teilte der Betreiber Tepco mit. Dort war es 2011 nach einem verheerenden Tsunami infolge eines Erdbebens der Stärke 9,0 zu einer Kernschmelze im AKW und einer radioaktiven Katastrophe gekommen.
In Japan wurden drei Tsunami-Wellen registriert, die größte davon mit einer Höhe von 1,3 Metern. Kabinettschef Yoshimasa Hayashi sagte, es seien bislang keine Verletzten oder Schäden gemeldet worden, und es habe in keinem AKW Unregelmäßigkeiten gegeben. Für weite Teile der Küste wurde die Tsunami-Warnung inzwischen wieder heruntergestuft.
Einwohner einer Stadt auf Hokkaido fahren mit ihren Autos in höher gelegene Gebiete. (Foto: KYODO/via REUTERS)China, Taiwan, Philippinen und Indonesien
Erste Zeichen der Entspannung zeigten sich am Nachmittag (Ortszeit) auch in China. Eine zuvor ausgegebene gelbe Tsunami-Warnung für die Küsten der Provinz Zhejiang und von Shanghai wurden wieder aufgehoben. Das teilte das zuständige Tsunami-Warnzentrum mit. Ganz entspannt ist die Lage aber nicht: Shanghai bereitet sich auf die Ankunft eines Tropensturms vor.
Die Philippinen hoben am Nachmittag (Ortszeit) ebenfalls ihre Warnung vor einem möglichen Tsunami auf. Basierend auf den verfügbaren Daten der Überwachungsstationen seien keine signifikanten Meeresspiegelschwankungen registriert worden, teilte das örtliche Institut für Vulkanologie und Seismologie (Phivolcs) mit. Alle bisher herausgegebenen Empfehlungen für die Bevölkerung seien damit aufgehoben.
Taiwan und Indonesien forderten Menschen in Küstennähe auf, sich in Sicherheit zu bringen. In Indonesien schlossen zum Teil Schulen, Strandresorts und Regierungsbüros.
USA, Kanada und Lateinamerika
Auf dem zu den USA gehörenden Archipel Hawaii kamen mehrere Flutwellen an, die höchste erreichte laut dem Sender CNN 1,50 Meter. Für die Inselgruppe im Pazifik, die Tausende Kilometer vom Erdbebengebiet entfernt liegt, galt zeitweise eine Warnung des staatlichen Tsunami-Warnzentrums. Sie wurde mittlerweile aber auf die Stufe Gelb – das entspricht einer Empfehlung (Advisory), und keiner Warnung (Alert) mehr – heruntergestuft.
Strände allen voran auf der größten Insel Hawaii waren zuvor evakuiert worden. Alle Häfen wurden für den Schiffsverkehr gesperrt. Die Flüge von und nach Maui seien für den Dienstagabend (Ortszeit) gestrichen worden, sagte Gouverneur Josh Green in einer Pressekonferenz. Etwa 200 Menschen hätten in einem Terminal Zuflucht gefunden. Die Flughäfen seien bislang nicht von Schäden betroffen.
Entlang der US-Westküste wie etwa in Kalifornien warnten Behörden vor den Wellen. Für Alaska und die kanadische Westküstenprovinz British Columbia galt ebenfalls besondere Vorsicht in Küstennähe.
Mehrere Länder Lateinamerikas gaben Warnungen vor Flutwellen heraus, darunter Mexiko, Guatemala, Ecuador, Peru und Chile.
Laut der Russischen Akademie der Wissenschaften handelte es sich um das heftigste Erdbeben auf der Halbinsel Kamtschatka seit 1952. Mit weiteren Nachbeben sei noch etwa einen Monat lang zu rechnen, sie könnten Stärken von bis zu 7,5 erreichen.