Stand: 30.07.2025 12:29 Uhr

Experten hatten es erwartet, jetzt legt das Statistische Bundesamt die ersten Zahlen vor: Die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Quartal 2025 um 0,1 Prozent geschrumpft. Eine große Rolle spielt der Handelskonflikt mit den USA.

Die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Quartal geschrumpft. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank von April bis Juni im Vergleich zum Vorquartal um 0,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) auf der Grundlage von vorläufigen Daten mitteilte. Fachleute hatten ein Minus in dieser Höhe erwartet. Die Investitionen in Ausrüstungen und Bauten seien im Frühjahr gesunken, hieß es von der Behörde. „Die privaten und staatlichen Konsumausgaben stiegen dagegen.“

Zick-Zack-Kurs bei der Konjunktur

In den ersten drei Monaten des Jahres hatte es noch unerwartet ein leichtes Wirtschaftswachstum gegeben. Die Statistikbehörde war zunächst von 0,4 Prozent ausgegangen und bezifferte das Plus im ersten Quartal jetzt auf 0,3 Prozent. Experten führen das Auf und Ab der deutschen Konjunktur auch auf den Handelskonflikt mit den USA zurück.

„Die ersten beiden Quartale waren für die deutsche Wirtschaft stark von der spektakulären Zollpolitik der USA beeinflusst“, sagt etwa DekaBank-Chefvolkswirt Ulrich Kater. Zuerst habe es Vorzieheffekte bei der Produktion gegeben. Im zweiten Quartal sei dann hauptsächlich abgewartet worden, wie sich die außenwirtschaftlichen Bedingungen entwickeln, so der Ökonom.

Das ist nun seit dem Wochenende zumindest in groben Zügen geklärt: In den Verhandlungen mit der EU-Kommission hat US-Präsident Donald Trump „asymmetrische“, also einseitige Zölle von 15 Prozent auf Importe aus der EU durchgesetzt. Zuvor hatte die US-Regierung mit 30 Prozent Zoll gedroht und auf bestimmte Waren wie Stahl, Aluminium oder Autos schon vorab höhere Sätze verlangt, die teils fortbestehen.

Handelskonflikt mit den USA dämpft Wachstum

Die für die deutsche Wirtschaft wichtigen Autoexporte in die USA wurden bereits seit April mit 27,5 Prozent Zoll belastet und sollen nun zum 1. August auf 15 Prozent sinken. In den USA hergestellte Autos sollen perspektivisch ganz ohne Zoll nach Europa exportiert werden können. Rund zwei Drittel dieser Ausfuhren kommen allerdings deutschen Herstellern zugute, die in den USA Werke betreiben und die dort gebauten Autos exportieren.

Wie andere Handelspartner der USA müssen die Deutschen dennoch mit Einbußen in Milliardenhöhe rechnen. „Die deutsche Wirtschaft wird erheblichen Schaden nehmen durch diese Zölle“, räumte kürzlich Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ein. Nach Berechnungen des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel können allein die Auto-Zölle das deutsche Inlandsprodukt um 0,15 Prozent schmälern. Grundsätzlich verteuern Zölle europäische Waren in den USA, was zu einer verringerten Nachfrage führen dürfte. Sie werden daher als Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung gesehen.

Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) erwartet negative Folgen für Unternehmen, die stark auf die USA angewiesen sind – etwa in der Pharmaindustrie, der Autoindustrie und im Maschinenbau. „Ein Deal mag die Unsicherheit für Unternehmen leicht senken – doch US-Zölle von 15 Prozent schaden der deutschen Wirtschaft“, sagt auch die Leiterin des ifo Zentrums für Außenwirtschaft in München, Lisandra Flach. Sie rechnet mit einem negativen Effekt von minus 0,2 Prozent auf das BIP.

Nachfrage bleibt schwach

Der Internationale Währungsfonds (IWF) blickt nach dem Zollabkommen hingegen optimistischer auf die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland als zuvor. Weil die Zollsätze geringer ausfielen als erwartet, könne die Bundesrepublik im laufenden Jahr ein Mini-Wachstum von 0,1 Prozent schaffen. Zuvor hatte die Organisation mit Sitz in Washington noch eine Stagnation prognostiziert.

Zwar habe sich die Stimmung in der Wirtschaft aufgehellt mit der Aussicht auf milliardenschwere Investitionen der Bundesregierung, hieß es von der Bundesbank. Ein Schub für die Wirtschaft werde aber erst verzögert kommen, weil auch die Binnennachfrage nicht anspringt. Konkrete Aufträge etwa an die Bauindustrie lassen auf sich warten. Zugleich blieben die Industriebetriebe schwach ausgelastet, und Verbraucher halten ihr Geld zusammen.

Das leichte Minus für Deutschland im Frühjahr dürfte allerdings auch auf Sonderfaktoren zurückgehen, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer: „So haben die späte Lage des Osterfestes sowie zollbedingte Vorzieheffekte das erste Quartal begünstigt und das zweite Quartal entsprechend belastet.“ Für das kommende Jahr zeigt er sich wegen des Investitionsboosters verhalten optimistisch: „Für 2026 erwarten wir weiter ein recht starkes Wachstum von 1,4 Prozent.“

Eurozone wächst überraschend weiter

Andere große Euro-Länder schnitten derweil im zweiten Quartal weit besser ab. Frankreich, die nach Deutschland zweitgrößte Volkswirtschaft der Währungsunion, schaffte ein Plus von 0,3 Prozent. Spanien kam sogar auf ein Wachstum von 0,7 Prozent. Von den großen Vier schrumpfte nur Italien, dessen BIP um 0,1 Prozent abnahm.

In der Eurozone insgesamt hielt sich die Wirtschaft im Frühjahr überraschend auf Wachstumskurs. In den 20 Ländern des Währungsraums habe die Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal um 0,1 Prozent im Vergleich zum Vorquartal zugelegt, wie die Statistikbehörde Eurostat nach einer ersten Schätzung mitteilte. Ökonomen hatten im Schnitt eine Stagnation erwartet. Zu Beginn des Jahres war die Wirtschaft der Eurozone allerdings deutlich stärker gewachsen, um 0,6 Prozent.

Nach Einschätzung von Thomas Gitzel, Chefvolkswirt bei der VP Bank, ist das mit Sondereffekten zu erklären. Unternehmen hatten vor der Einführung von US-Zöllen Geschäfte vorgezogen. Im Durchschnitt des ersten Halbjahres bezifferte Gitzel das Wachstum der Wirtschaftsleistung auf 0,35 Prozent pro Quartal. Dies entspreche in etwa den Zuwächsen im vergangenen Jahr. Daher könne nicht von einer Verbesserung der konjunkturellen Entwicklung gesprochen werden.