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Die Eskalation mit den USA ist abgewendet, doch die deutsche Industrie zahlt einen hohen Preis. Was bedeutet die Vereinbarung mit Trump für Europas Wirtschaft?

Brüssel/Berlin – Manchmal genügt ein Handschlag zwischen Politikern, und schon ändern sich die Spielregeln für ganze Branchen. So geschehen beim neuen Zollabkommen zwischen der EU und den USA – und für die deutsche Industrie könnten die Auswirkungen gravierend sein.

US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen haben sich in Schottland auf ein Abkommen im Zollstreit geeinigt. Das sorgt in Europa für erhitzte Gemüter und Debatten über den Verlust von Wettbewerbschancen.

Deutschland und die USA: Einigung bei Trump-Zöllen – zu welchem Preis?

Für die meisten Warenlieferungen aus der EU in die USA werden nun Zölle von 15 Prozent fällig. Das entspricht in etwa dem, was bereits seit der Einführung von Trumps „Basiszoll“ Anfang April erhoben wurde. Besonders für die hiesige Wirtschaft ist das keine gute Nachricht..

Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), kritisierte im „Berlin Playbook Podcast“ von Politico: „Es wäre völlig falsch zu sagen, dass wir zufrieden sind. Letzten Endes ist das insgesamt für uns ein Schlag – für die exportorientierte deutsche Wirtschaft und für Europa insgesamt“. Auch die Tatsache, dass US-Fabrikate künftig zollfrei in die EU transportiert werden, sorgt vielerorts für Stirnrunzeln.

Nach dem Deal zwischen EU und USA unter Donald Trump ist in der deutschen und europäischen Industrie Ernüchterung eingekehrtNach dem Deal zwischen EU und USA unter Donald Trump ist in der deutschen und europäischen Industrie Ernüchterung eingekehrt. © Jacquelyn Martin/AP/dpa/CHROMORANGE/IMAGO; Bildmontage: IPPEN.MEDIA
EU-Deal verursacht Milliardenkosten für deutsche Unternehmen

Gönner rechnet vor allem mit erheblichen Mehrkosten für deutsche Unternehmen: „Das ist für uns wenig erfreulich – bis dahin, dass es uns wirklich viel Geld kosten wird, das wir gern anders einsetzen würden“, sagte die Funktionärin weiter. Auch für die USA sieht sie langfristig keinen Vorteil: „Am Ende wird sich das auch bei den amerikanischen Verbrauchern in Preisen niederschlagen.“

Die werden allerdings aufgrund mutmaßlich steigender Produktpreise dazu getrieben, auf Alternativen zu setzen – beispielsweise beim Autokauf. Positiv bewertet Gönner allerdings, dass Europa in der Krise zusammengehalten habe und eine weitere Eskalation bei den Zöllen vermieden werden konnte.

Erleichterung für Autoindustrie – Unsicherheit bei Pharma und Chips

Für die europäische Automobilindustrie gibt es zumindest eine kleine Entlastung: Für Autos und Autoteile wurde der Zollsatz auf 15 Prozent gesenkt, nachdem zuletzt bis zu 27,5 Prozent fällig waren. Doch die Unsicherheit bleibt. Ein Nachverhandeln mit US-Präsident Donald Trump hält Gönner für kaum möglich.

Tanja GönnerBDI-Präsidentin Tanja Gönner sieht nach der Vereinbarung zwischen der EU und den USA im Zollstreit auf beiden Seiten des Atlantiks Verlierer. © bdi

Jetzt gehe es darum, Planungssicherheit zu schaffen und weitere Zölle zu verhindern. Von Bedeutung sei, dass Pharmazieprodukte und die Chipindustrie von weiteren Abgaben verschont bleiben: „Für uns ist es sehr wichtig, dass Pharma und Chips damit abgedeckt sind und nicht noch weitere Zölle kommen – da waren deutlich höhere angekündigt“.

EU und die USA: Energie, Waffen und die Frage der Unabhängigkeit

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm sieht die Lage ein Stück weit anders. In der Rheinischen Post erklärt sie: „Die Zölle werden die deutsche Wirtschaft belasten, es ist aber gut, dass die hohen Zölle für die Automobilindustrie nicht bestehen bleiben. Energie und Waffen aus den USA zu kaufen, damit können wir leben – bei beiden werden wir ohnehin auf lange Sicht auf Importe angewiesen sein.“

Was die Expertin jedoch nicht sagt: Gerade diese Abhängigkeiten verhindern zum großen Teil, dass Europa in wirtschaftlich und geopolitisch angespannten Zeiten eigenständiger gegenüber den Vereinigten Staaten wird.

Donald Trumps Strafzölle: Diese Produkte aus Deutschland werden jetzt teurer Die USA drehen an der Zollschraube. Für deutsche und europäische Produkte werden künftig höhere Zölle erhobenFotostrecke ansehenTrump-Zölle: Deutsche Gewerkschaften fordern neuen Autogipfel

Angesichts der Unsicherheit in der gesamten europäischen Industrie fordert Yasmin Fahimi, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), einen Autogipfel mit Bundeskanzler Friedrich Merz: „Wir brauchen ein Format, in dem die Zukunft der Branche einmal umfassend besprochen wird – mit den Gewerkschaften, mit Herstellern und Zulieferern“, sagte sie dem Nachrichtenmagazin Politico.

Deutschland dürfe den Leitmarkt Automobil nicht verlieren, die Verunsicherung bei Unternehmen und Beschäftigten sei erheblich. (PF)