Kiel. Sie will die Faszination der Kieler Geschichte darstellen, historische Forschung intensivieren und ein Bewusstsein für die Kieler Identität erzeugen: Die Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte feiert ihr 150-jähriges Bestehen. Zum Jubiläum präsentiert sich der 1400 Mitglieder starke Verein mit einer Ausstellung im Pop-up-Pavillon am Alten Markt. Im Interview erklärt der Gesellschafts-Vorsitzende Rolf Fischer, warum die Kieler Stadtgeschichte einzigartig ist, sagt, was er bei der Umgestaltung der Holstenstraße anders machen würde und äußert einen Wunsch für die Zukunft des Schlosses.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Herr Fischer, Ihre Jubiläumsausstellung findet am Alten Markt statt – dem Herzen von Kiel. Hier wurde die Stadt gegründet. Wie beurteilen Sie den Platz aus heutiger Sicht?

Rolf Fischer: Ich habe ein gespaltenes Verhältnis zu dem Platz und den Pavillons. Sie stehen für mich für Kommerz. Kommerz ist nicht verwerflich, für eine Stadtmitte ist mir das aber zu wenig. Hier sollte ein Ort sein für Austausch, Gespräche, an dem man sich mit der Historie von Kiel auseinandersetzen kann. Das fehlt mir hier. Der Alte Markt braucht mehr Aufenthaltsqualität, Sitzplätze außerhalb der Gastronomie.

Kiel kann sich nicht mit Lübeck vergleichen. Die Geschichte einer Stadt aber nur auf die Architektur zu reduzieren, ist der falsche Ansatz.

Rolf Fischer

Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Der Alte Markt ist gleichzeitig das Eingangstor zur Altstadt, die viele Menschen – egal ob Einheimische oder Touristen – kaum als solche bezeichnen würden. Würden Sie dem widersprechen? Hat Kiel eine Altstadt?

Architektonisch ist Kiel ein schwieriges Feld. Im Krieg wurde die Stadt stark zerstört und anders wieder aufgebaut. Kiel kann sich daher nicht mit Lübeck vergleichen. Die Geschichte einer Stadt aber nur auf die Architektur zu reduzieren, ist der falsche Ansatz. Aus historischer Sicht ist Kiel sehr attraktiv, auch wenn man es ihm baulich nicht unbedingt ansieht.

Stadtgeschichte von Kiel: Warum das Schloss so eine bedeutende Rolle spielt

Was fasziniert Sie an der Historie von Kiel so sehr?

Die Vielfalt. Die maritime Geschichte mit dem Hafen und der Lage an der Förde ist ein ganz spannendes Kapitel. Kiel hat aber auch einen großen Anteil an der Geschichte von Schleswig-Holstein und Dänemark. Schauen Sie sich nur das Schloss an. Es war Residenz der dänischen Könige und der Herzöge von Schleswig-Holstein-Gottorf. Es gibt kaum einen Ort, der die Geschichte von Schleswig-Holstein und Kiel so sehr widerspiegelt wie das Schloss.

Und doch fristet es heute ein eher trauriges, unscheinbares Dasein. Als Schloss ist es nicht zu erkennen. Die Stadt sucht nach neuen Nutzungsmöglichkeiten. Was würden Sie sich wünschen?

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Das Schloss ist eine riesige Chance für die Kieler Stadtentwicklung, die noch nicht erkannt wurde. Denn zu der Zukunft einer Stadt gehört auch, sich mit der Vergangenheit zu befassen. Das ist identitätsstiftend. Deshalb braucht Kiel ein großes, stadtgeschichtliches Museum. Das Schloss wäre perfekt geeignet als ein Ort für Stadtgeschichte. Mit dem Warleberger Hof und dem Schifffahrtsmuseum haben wir zwei sehr gute Museen. Aber das sind ehemalige Wohnhäuser, in denen der Platz nicht ausreicht.

Auch die Holstenstraße soll umgestaltet werden. Wie bewerten Sie die Pläne mit Blick auf das historische Erbe der Straße?

Gerade in der historischen Mitte der Stadt sollte bei Baumaßnahmen die Vergangenheit berücksichtigt werden. Hier sind viele Beteiligte gefordert: Die Stadt, Immobilieneigentümer, aber auch Geschäftsleute können dazu beitragen, die Historie aufleben zu lassen. Bei den Plänen zur Holstenstraße vermisse ich eine historische Einbindung. Vorstellbar wären beispielsweise Info-Stelen. Das Problem: Wenn einmal geplant ist, wird nichts mehr geändert. Denn das kostet Geld. Investitionen in die kulturelle Geschichte kommen zu kurz.

Interview: Steffen Müller

Die Jubiläumsausstellung der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte im Pop-up-Pavillon am Alten Markt hat bis zum 16. August montags bis samstags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Neben Fotos und Beteiligungsformaten gibt es täglich Gesprächsrunden, Vorträge oder Lesungen. Das komplette Programm ist online abrufbar unter www.kieler-stadtgeschichte.de.

KN