Dass die größte Volkswirtschaft Europas im Frühjahr wieder schrumpfte, sollte im Berliner Regierungsviertel sämtliche Alarmglocken schrillen lassen. Die größte Gefahr für Deutschlands Wohlstand kommt nicht von außen.

Bundeskanzler Friedrich Merz und sein Vize Lars Klingbeil sind angetreten, Deutschlands Wirtschaft aus der Dauerflaute zu befreien. Mehr als wohlklingende Reden braucht es dafür große Taten. Denn die Rezession ist schon lange keine konjunkturelle Delle mehr, sondern resultiert aus den fundamentalen Wettbewerbsschwächen des Standorts. Dass die größte Volkswirtschaft Europas im Frühjahr wieder schrumpfte, statt die zarte Aufwärtsbewegung nach dem Jahreswechsel fortzusetzen, sollte im Berliner Regierungsviertel sämtliche Alarmglocken schrillen lassen. Zumal mit dem harten Zoll-Deal, den US-Präsident Donald Trump der EU abgepresst hat, den Unternehmen der nächste Dämpfer droht.

Doch die größte Gefahr für Deutschlands Wohlstand kommt nicht von außen, sondern ist selbst verschuldet: Die Reformangst der schwarz-roten Koalitionäre lastet bleischwer auf dem Land. Trotz der Wirtschaftsmisere und der zusätzlichen Herausforderungen durch die geopolitischen Gefahren wagt es die Regierung nicht, der Bevölkerung Einsparungen wie etwa das Aus der Frühverrentung zuzumuten.

Doch allein mit den beschlossenen Mega-Schulden lässt sich die Wirtschaft nicht auf einen höheren Wachstumspfad zurückführen, sondern allenfalls ein konjunkturelles Strohfeuer entfachen. Auch das auf den Weg gebrachte Investitionspaket mit Superabschreibung und Energiehilfen wirkt neben der historischen Dimension der Misere zaghaft.

Der vom Kabinett abgesegnete Bundeshaushalt für das kommende Jahr ist ein Zeugnis der Realitätsverweigerung. Mit dieser in Zahlen gegossenen Regierungspolitik droht sich der Traum vom deutschen Comeback in Luft aufzulösen. Wie schon bei dem vor wenigen Wochen vom Parlament beschlossenen Bundeshaushalt 2025 zeigt auch dieser zweite Haushalt und vor allem Klingbeils mittelfristige Finanzplanung bis Ende der Legislaturperiode, dass sich die Koalition zwar darauf einigen konnte, die Staatsausgaben gewaltig in die Höhe zu schrauben. Doch reicht der kleine gemeinsame Nenner nicht aus, um mit dem stark vergrößerten Finanzspielraum auch ein tragfähiges Wachstumskonzept aufzustellen.

Der Kanzler hat sich in die Sommerpause mit dem Versprechen auf einen Herbst der Reformen verabschiedet. Vor allem beim Bürgergeld und den finanziell völlig aus dem Ruder laufenden Sozialversicherungen strebt Merz kostendämpfende Veränderungen an. Doch die Gesetzesvorhaben von Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas gehen in die entgegengesetzte Richtung. Obwohl die Rentenkasse schon jetzt 130 Milliarden Euro im Jahr aus Steuermitteln braucht, sattelt die SPD-Chefin mit der geplanten Haltelinie beim Rentenniveau und der von der CSU durchgesetzten Erhöhung der Mütterrente noch kräftig drauf. Die neuen Schulden machen es möglich.

Die dramatische Finanzentwicklung der Kranken- und Pflegekasse wird ebenfalls mit Steuermitteln kaschiert. Nirgends zeigt sich die Bereitschaft der Koalition, die Finanzierung der Sozialversicherung so zu reformieren, dass die absehbare Explosion der Lohnnebenkosten verhindert wird. Welches Unternehmen soll bei dieser Perspektive hier investieren? Auch die Arbeitnehmer werden demotiviert, wenn der Staat immer größere Anteile vom Bruttolohn kassiert.

Doch die Regierung schürt die Illusion, dass ihre expansive Fiskalpolitik das Wachstum in den nächsten Jahren so stark beleben werde, dass sich die riesigen Haushaltslöcher im Finanzplan mit den Steuermehreinnahmen weitgehend schließen ließen. Den Traumtänzern droht ein harter Aufprall auf dem Boden der Realität – den Bürgern leider auch.