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Bewusster Umbruch: Katharina Kiel (ganz links) mit den verabschiedeten Leistungsträgerinnen der Eintracht. © IMAGO/Eibner-Pressefoto/Jan-Niclas Gr
Wollen Titel: Laura Freigang (hi.) und Elisa Senß. © IMAGO/Hendrik Gräfenkämper
Katharina Kiel, Technische Direktorin bei den Frauen von Eintracht Frankfurt, über den großen Umbruch und eine Champions League, die wirtschaftlich nicht attraktiv ist / Ein Interview von Katja Sturm
Katharina Kiel arbeitet seit November 2022 als Technische Direktorin bei Eintracht Frankfurt. Bei der 33-Jährigen laufen viele Fäden zusammen, mit Sportvorstand Markus Krösche ist sie im täglichen Austausch. Sie hat selbst von 2006 bis 2013 für den 1. FFC Frankfurt gespielt, überwiegend in der zweiten Mannschaft. Am Ende musste die ehemalige Bundesligaspielerin bereits 2016 bei der TSG Hoffenheim verletzungsbedingt ihre eigene Karriere aufgeben. Mithilfe eines DFL-Stipendiums absolvierte sie eine Ausbildung im Management. Im Dezember 2024 wurde ihr Vertrag beim hessischen Bundesligisten bis 2028 verlängert.
Frau Kiel, vor bald drei Jahren haben Sie bei den Fußballerinnen von Eintracht Frankfurt den Job als Technische Direktorin übernommen. Könnten Sie mal Ihr Aufgabengebiet skizzieren?
Zusammengefasst bin ich bei Eintracht Frankfurt für sämtliche den Frauenfußball betreffenden Themen zuständig und verantwortlich für alle Fragen, von der Spielstätte der Zukunft, dem Bau eines neuen Nachwuchsleistungszentrums bis hin zur Gremienarbeit beim Deutschen Fußball-Bund und der European Club Association. Aber auch, wenn es darum geht, eine Strategie aufzustellen, wo wir sportlich hinwollen.
Wo wollen Sie denn hin?
Unser Ziel ist es, eine Kultur zu entwickeln, in der jede Spielerin, die zu uns kommt, für sich die Möglichkeit erhält oder die Perspektive aufgezeigt bekommt, früher oder später Profifußball auf der großen Bühne Champions League zu spielen. In den vergangenen beiden Jahren sind wir in dieser Hinsicht sehr stark gewachsen. Unsere Aufgabe ist es, genauso wie bei den Männern, uns durch sportlichen Erfolg immer eine Stufe weiterzuentwickeln. Bisher haben wir das sehr gut geschafft. So werden wir attraktiver für Spielerinnen, die sich in einem Regal befinden, in das wir in der Vergangenheit nicht greifen konnten.
Soll heißen?
Wir befinden uns jetzt in einem Marktumfeld, in dem wir mit Vereinen wie Arsenal London oder dem FC Barcelona konkurrieren. In diesem ganzen Prozess ist es aber wichtig, dass wir immer bei uns bleiben. Der Weg von Eintracht Frankfurt war es stets, eine Gruppe mit einer guten Kultur zu haben, die sich von Zeit zu Zeit verändert, wenn es Sinn ergibt, um den nächsten sportlichen Schritt zu gehen.
Jetzt befindet sich die Eintracht offenbar an so einer Stelle und erlebt den bislang größten Umbruch seit der Fusion mit dem 1. FFC. Warum war das nötig?
Bereits zu Beginn meiner Tätigkeit haben wir beschlossen, dass dieser Wandel früher oder später kommen wird. Der Frauenfußball hat sich extrem entwickelt, was die Gehälter angeht, was die Aufmerksamkeit angeht, und zwar nicht Step by Step, sondern rasant. Für uns war es nun an der Zeit, der Mannschaft auch von außen neue Impulse zu geben.
Stina Johannes, Sophia Kleinherne und die EM-Entdeckung Carlotta Wamser verlassen den Verein, drei deutsche Nationalspielerinnen also. Dazu auch Sara Doorsoun, die genauso eine Leistungsträgerin war wie Barbara Dunst und Tanja Pawollek als Kapitänin. Waren diese wichtigen Spielerinnen alle nicht zu halten?
Es ist natürlich die Idealvorstellung, dass man in den Gesprächen auf einen gemeinsamen Nenner kommt. Sei es in Sachen persönlicher Perspektive oder auch in der Gehaltsfrage. Das ist aber nicht immer so. Dann ist es einfach wichtig, dass beide Seiten eine klare und bewusste Entscheidung treffen, ob der gemeinsame Weg weitergeht oder ob es dann eben auch mal eine Veränderung benötigt.
Woran ist es denn konkret gescheitert?
Scheitern ist für mich an der Stelle der falsche Begriff. Solche Entscheidungen sind sehr komplex und oft auch ein langer Prozess. Da gibt es bei keiner Spielerin den einen Grund. Genauso wie wir als Klub uns für neue Impulse in der Mannschaft entschieden haben, ist es auch das gute Recht einer jeden Spielerin, diese für ihren eigenen Karriereweg zu wählen. Wir sind total stolz, dass die Spielerinnen so viele Jahre bei uns waren und eine tolle Entwicklung erlebt haben.
Wie soll das Team der Zukunft aussehen?
Wir wollen eine gesunde Mischung aus Spielerinnen, die Eintracht Frankfurt bereits kennen, und eben denen, die neu dazukommen und sich dazu entschieden haben, hier die nächsten Schritte zu gehen. Gleichzeitig gilt es bei den Transfers auch eine gute Mischung aus erfahrenen Spielerinnen zu haben – wie Rebecka Blomqvist und Marthine Ostenstad – und jungen Talenten wie Noemi Ivelj und Ainhoa Alguacil, die enormes Potenzial mitbringen.
Warum holen Sie keinen Ersatz für Torhüterin Sophia Winkler, die wegen ihrer Knieverletzung möglicherweise die gesamte Saison über nicht spielen können wird?
Wir haben in Lea Paulick eine Torhüterin, die bereits über Erstligaerfahrung verfügt, und Lina Altenburg, eine sehr talentierte Torhüterin, die in der vergangenen Saison in der U20 tolle Leistungen gezeigt hat. Sie hat ihren Vertrag zuletzt auch langfristig verlängert in dem Bewusstsein, dass wir in Sophia Winkler eine potentielle Stammtorhüterin verpflichtet haben. Um die Entwicklung der beiden nicht zu blockieren, haben wir uns bewusst dagegen entschieden, jemand Externes dazuzuholen.
In einem Vereinsinterview haben Sie gesagt, wir brauchen eine andere Siegermentalität und eine größere Leistungskultur. Hat die Mannschaft es sich ein bisschen zu bequem gemacht?
Bequemlichkeit ist für mich das falsche Wort. Wir müssen uns aber ehrlich fragen, was es braucht und was wir verändern können, um beispielsweise Spiele wie im Pokal beim FC Bayern oder in der Liga beim SC Freiburg am Ende erfolgreich zu gestalten. Da hat uns in der vergangenen Saison etwas gefehlt.
Haben Sie in diesen Momenten gemerkt, dass die Geschichte der Mannschaft auserzählt ist?
Es ist der Zeitpunkt gekommen, dass wir mit dieser Mannschaft ein neues Kapitel schreiben. Es ist kein neues Buch. Wir schreiben unsere Geschichte weiter, aber teilweise eben mit neuen Protagonistinnen und neuen Inhalten.
Um neue Impulse zu setzen, könnte man auch auf der Trainerposition einen Wechsel vornehmen. Die Eintracht hat jedoch gerade den Vertrag mit Arnautis bis 2028 verlängert. Ist eine Ablösung des dienstältesten Trainers der Bundesliga in Frankfurt ein Tabuthema?
Bei uns gibt es keine Tabuthemen. Es ist unsere Aufgabe, alles zu hinterfragen. Aber Niko Arnautis ist ein sehr guter Trainer und verkörpert den Weg von Eintracht Frankfurt. Er ist reflektiert, macht gerade die Pro-Lizenz, und unsere Ziele sind weiterhin kongruent. Wir sehen keine Notwendigkeit, an dieser Stelle einen Wechsel vorzunehmen.
Bei der Europameisterschaft in der Schweiz standen nur noch zwei Frankfurterinnen im deutschen Nationalteam, Laura Freigang und Elisa Senß. Beide sagen, sie wollen mit der Eintracht Titel gewinnen. Aber laufen Sie nicht eher Gefahr, nach unten abzurutschen, wenn nicht mehr als bisher in den Frauenfußball investiert wird?
Das stimmt so leider nicht. Wir investieren jedes Jahr mehr. Am Ende gelingt es uns durch gute Arbeit auf der Erlösseite, das Defizit gleichzuhalten. Wir gehören zu den erlösstärksten Klubs in Europa. Und wir klettern jedes Jahr weiter nach oben. So können wir mit den Ausgaben mitwachsen.
Wie machen Sie das?
Eine der wichtigsten Erlössäulen sind unsere Partner und Sponsoren. Auch Spieltage wie zum Beispiel beim Heimspiel gegen Bayern München im Waldstadion sind für uns wirtschaftlich positiv und können es auch in Zukunft sein.
Die Eintracht will auch bei den Transfererlösen wachsen. Wird es auch sechsstellige Ablösesummen geben?
Ja.
In welche Größenordnung soll das gehen? Sie wollen den ersten Millionen-Transfer in Deutschland abwickeln?
Der sportliche Erfolg bleibt immer die oberste Priorität. Der Transfermarkt muss sich noch entwickeln, aber auch hier sehen wir positive Effekte und einen möglichen Hebel in der Zukunft. Wichtig ist es dabei allerdings, dass die Ablösesummen noch mehr in Relation zu den weiter steigenden Gehältern stehen. Da ist der Frauenfußball noch weit hinterher.
Die steigenden Gehälter sind Ihnen ein Dorn im Auge.
Es muss alles in einer Balance bleiben, sonst wird die Abhängigkeit von den Lizenzvereinen der Männer immer größer. Man kann auf der Erlösseite noch so gut arbeiten – wenn die Wachstumsrate bei den Kosten so viel höher ist, läuft man immer hinterher. Wir haben bei der Eintracht einen Vorstand, der dem Frauenfußball und seiner Entwicklung sehr positiv zugewandt ist. Ich wünsche mir für den Frauenfußball Unabhängigkeit, und wir sind selbst verantwortlich dafür, dass wir eine Ökonomie schaffen, die für sich selbst steht und funktioniert.
Wann könnte das so weit sein?
Ich glaube, dass man das in den nächsten fünf bis sieben Jahren schaffen könnte. Die Perspektive, es zu erreichen, ist aber deutlich wichtiger, als sich auf einen Zeitraum festzulegen.
Eintracht Frankfurt bestreitet noch Playoff-Spiele für die Champions League. Wie wichtig ist in wirtschaftlicher Hinsicht das neue Format im Ligen-System mit 18 Teams?
Auch die Women’s Champions League steckt noch in der Entwicklung und bietet uns ehrlicherweise noch keine großen finanziellen Anreize, auch in der Ligaphase nicht. Wir betrachten diesen Wettbewerb deshalb vor allem als elementare Bühne für unsere Spielerinnen und unseren Klub, auf der wir uns bestmöglich präsentieren und entwickeln wollen. Dass die Champions League aber auch bei den Frauen früher oder später finanziell attraktiv sein sollte und auch wird, steht für mich außer Frage.