Gut vier Jahre nach der Havarie und exakt 1365 Tage nach der Sprengung im November 2021 wird der Neubau der Salzbachtalbrücke (A 66) am Freitagabend für den Verkehr freigegeben. Die schlimmsten Leiden der Autofahrer durch die vor vier Jahren abrupt gesperrte Autobahnbrücke waren aber schon kurz vor Weihnachten 2023 beendet worden. Damals hatte der damalige Bundesverkehrsminister Volker Wissing (damals noch FDP) das südliche Bauwerk der aus zwei Teilen bestehenden Salzbachtalbrücke persönlich für den Verkehr freigegeben.
Seither stehen den täglich bis zu 80.000 Verkehrsteilnehmern zwischen den A-66-Anschlussstellen Biebrich und Mainzer Straße in jeder Fahrtrichtung zumindest zwei verengte Fahrspuren zur Verfügung. Das genügt für einen einigermaßen flüssigen Verkehr. Der Zwang zu einem zeitraubenden Umweg durch die Wiesbadener Innenstadt war damit entfallen.
Lange Umwege durch Wiesbaden
Wer aus dem Rheingau gen Frankfurt pendelte, musste zweieinhalb Jahre mit mindestens 15 Minuten zusätzlicher Fahrzeit durch innerstädtische Staus rechnen. Geblieben sind der Landeshauptstadt als Folge der havarierten Autobahnbrücke teils gravierende Straßenschäden auf den meistgenutzten innerstädtischen Umfahrungsrouten. Über deren Beseitigung, vor allem über die erwartet hohen Kosten, verhandelt Wiesbaden noch immer mit der Autobahn GmbH des Bundes. Noch ist eine Einigung nicht verkündet worden. Über die Höhe der Forderungen schweigt sich Verkehrsdezernent Andreas Kowol (Die Grünen) bislang aus.
Als das Brückenlager kollabierte
Der Verkehrsalbtraum für Wiesbaden hatte am Nachmittag des 18. Juni 2021 begonnen. Gegen 17 Uhr waren die Brückenlager des südlichen Bauwerks kollabiert. Betonteile stürzten auf die Bundesstraße unterhalb der Autobahnbrücke, als diese auf den Pfeiler absackte und ihn um einen Meter verschob. Hätte die 1963 eröffnete Brücke noch einige Monate länger durchgehalten, dann hätte der ohnehin geplante Abriss schon begonnen. Denn die 300 Meter lange Brücke galt seit vielen Jahren als marode und war für einen Neubau vorgesehen.
Noch gesperrt: die neue Brücke auf der A66 bei WiesbadenPeter Jülich
Die Autobahnbrücke war seinerzeit nicht für ein derart hohes Verkehrsaufkommen gebaut worden. Hinzu kam, dass die Ursachenermittlung nach der Havarie einen „Geburtsfehler“ der alten Brücke offenbarte: Sie habe wegen des „inhomogenen“ Baugrunds und anfälliger Lager konstruktive Schwächen aufgewiesen, hieß es im Abschlussbericht der Gutachter. Die großen Temperaturschwankungen auf der zur Sonne ausgerichteten Südbrücke sollen ihr an jenem heißen Juni-Freitag vor vier Jahren den Rest gegeben haben. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Verkehr schon seit Wochen provisorisch über die drei Fahrspuren der Nordbrücke abgewickelt, die dafür eigens verstärkt worden war.
Hauptbahnhof wurde Geisterbahnhof
Nach der Havarie der Nachbarbrücke aber schien für ihre Weiternutzung das Risiko nicht mehr verantwortbar. Sie wurde unmittelbar gesperrt. Wiesbaden erlebte in den Tagen danach ein Verkehrschaos ohnegleichen. Nicht nur weil die Pendler sich neue Wege durch die Stadt suchten. Für einige Monate waren auch die Bundesstraße unter der Brücke und die Bahntrasse zum Hauptbahnhof unterbrochen.
Wiesbaden fehlte damit eine wichtige südliche Einfallsroute, und der Wiesbadener Hauptbahnhof wurde zum Geisterbahnhof. Ein Zustand, der rund fünf Monate andauern sollte. Erst dann wurden die acht Pfeiler der beiden maroden Brückenbauwerke mit 221 Kilogramm Semtex-Sprengstoff umgelegt. Das ergab genügend Schutt für 5000 Lastwagenfahrten, ehe mit dem Neubau – zunächst der Südbrücke – begonnen werden konnte. Sechs neue Pfeiler – je drei für jede Brücke – wurden bis in 46 Meter Tiefe getrieben. Rund 15.000 Kubikmeter Stahlbeton wurden verbaut.
Kosten stiegen auf 225 Millionen Euro
Die zunächst genannte Zeit bis zur Fertigstellung der neuen Südbrücke ließ sich aber so wenig halten wie der Kostenrahmen. Aus den zunächst genannten 150 Millionen Euro wurden schließlich 225 Millionen Euro. Die Südbrücke hat bei einer Länge von 314 Metern eine Spannweite von 85 Metern. Die jetzt fertige Nordbrücke ist mit 324 Metern geringfügig länger bei einer maximalen Spannweite von 90 Metern. Zunächst war erwartet worden, dass sie schon Ende Juni und damit vor dem hessischen Ferienbeginn hätte fertiggestellt werden können.
Dann wurde bekannt, dass Mängel an der Abdichtung der Brückenfahrbahnplatte entdeckt worden waren, die langfristig zu Schäden durch eindringendes Wasser hätten führen können. Schon vor der Fertigstellung war damit die erste Reparatur fällig. Die Autobahn GmbH hatte aber stets vage von „Sommer 2025“ als Termin für die Freigabe gesprochen und musste sich daher auch nicht öffentlich korrigieren.
Anders als bei der Südbrückenfreigabe 2023 hat sich diesmal kein hochrangiger Vertreter der Bundesregierung angekündigt. Der neue Bundesverkehrsminister unterbricht die Sommerpause dafür nicht. Stattdessen werden Hessens Verkehrsminister Kaweh Mansoori und Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (beide SPD) ihrer Erleichterung Ausdruck geben. Die Autobahngroßbaustelle im Westen der Rhein-Main-Region gehört endlich der Vergangenheit an. Verkehrsdezernent Kowol sieht die A 66 auch als „Stadtautobahn“ für Wiesbaden mit entsprechender Bedeutung für das innerstädtische Verkehrsnetz.
Die Autobahn GmbH hält die A 66 für eine der zentralen Verkehrsadern im Rhein-Main-Gebiet, weil sie die Landeshauptstadt mit der Metropolregion Frankfurt verbindet. Mit jeweils drei Fahrspuren und einer Standspur sind die beiden Brückenbauwerke auf den vorgesehenen sechsstreifigen Ausbau der A 66 zwischen Schiersteiner und Wiesbadener Kreuz vorbereitet. Bis dahin wird aber noch viel Zeit vergehen.