Während der Hass auf Juden weltweit eskaliert, verkauft das deutsche Modelabel Lala Berlin Palästinensermode als Lifestyle – mit Kussmund, in Pink, für 180 Euro. Ein Symbol des Terrors wird Accessoire. Einige Modelle sind besonders heikel.
Im Dezember 2023, nur wenige Wochen nachdem die Terrororganisation Hamas 1200 Menschen ermordete, Jüdinnen und Juden verschleppte, verstümmelte, vergewaltigte und erniedrigte, erkundigten sich im Luxuskaufhaus KaDeWe zwei Kundinnen explizit nach den Tüchern der Marke Lala Berlin.
Die mit dem Muster, das auf Demos die Auslöschung Israels symbolisiert – und das bei Lala Berlin auf Schals, Hüte, Kleidung und Taschen gedruckt wird. Manche Modelle ziert zusätzlich ein kirschroter Kussmund. Preis: 180 Euro.
Es handelt sich um Palästinenser-Tücher – ein Muster, das seit Jahrzehnten antisemitisch aufgeladen ist. Schon vor dem 7. Oktober war es das Erkennungszeichen islamistischer, linker und rechtsextremer Israel-Hasser. Nach dem Massaker wurde es wieder ganz offen getragen. Inzwischen begegnen einem die Tücher und Taschen von Lala Berlin, das auch im Ausland bekannt ist, in der Hauptstadt überall. In der U-Bahn-Linie 6 Richtung Humboldt-Uni, an Feministinnen mit Matcha to go in Neukölln, bei Kulturveranstaltungen.
Lala Berlin hat seine besten Zeiten eigentlich hinter sich. In den Zehnerjahren war das Label bei Schauspielerinnen beliebt, die auf dem Berlinale-Teppich Kleider von Gründerin und Inhaberin Leyla Piedayesh trugen – oft versehen mit jenem Muster, das längst politisch brisant war. Piedayesh ist im Iran geboren, nach der Machtübernahme durch Ayatollah Chomeini zog die Familie 1979 nach Deutschland. Der Markenname „Lala“, eine Anspielung auf die Teletubbies, war von Beginn an als Provokation gemeint: Totenkopf-Prints als Louis-Vuitton-Persiflage trafen den aufkeimenden antikapitalistischen Zeitgeist. Doch das Palästinenser-Muster, das bald zum Signature-Print wurde, sprengte jede Ironiegrenze. Es wurde saisonunabhängig auf Tücher, Taschen und Modeartikel gedruckt, zum Signature-Piece der Marke und war plötzlich Teil des modischen Alltags. Ausgerechnet in Deutschland.
Zu dem Zeitpunkt war das Palästinensertuch längst ein Symbol für Judenhass. Ursprünglich als Schutz gegen Wüstensand gedacht, wurde es von Jassir Arafat zur visuellen Waffe gegen Israel gemacht und später sowohl von islamistischen und linken Israelgegnern als auch von Neonazis als antisemitisches Symbol übernommen. In der selbstzufriedenen Käseglocke der Merkel-Jahre war es seltsamerweise okay, so was zu tragen. Dabei stand das Palästinensertuch längst global für die Delegitimierung Israels – und wird spätestens seit dem 7. Oktober wieder gezielt als antisemitisches Signal im öffentlichen Raum eingesetzt. Dass ausgerechnet ein deutsches Label es weiter produziert, ist keine Petitesse. Es ist eine Verhöhnung jüdischer Lebensrealität in Deutschland und pure Ignoranz gegenüber dem um sich greifenden Antisemitismus.
Babyblau ist Topseller
Das KaDeWe, ein Haus mit jüdischer Gründungsgeschichte, hat Konsequenzen gezogen – Lala Berlin wird dort nicht mehr geführt. Im Onlineshop der Marke sind die Palästinensertücher und -taschen allerdings weiterhin erhältlich. Warum wurden sie trotz der antisemitischen Symbolik nicht längst aus dem Sortiment genommen? Auf Nachfrage von WELT äußert sich Lala Berlin nicht.
Einzelne Modelle sind besonders heikel: Das Triangeltuch in „hot pink“ etwa erinnert deutlich an jene, die in den 1970er-Jahren von Terrorgruppen wie der „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ getragen wurden, einer Organisation, die gezielt jüdische Zivilisten ermordete. Pastellig, feministisch aufgeladen – genau diese Ästhetik trifft heute auf ein linkes, urbanes Milieu, in dem antisemitische Ressentiments längst unter dem Deckmantel von Solidarität Anschluss gefunden haben. Die Botschaft bleibt bestehen, nur die Verpackung ist hübscher geworden. Das Modell in Babyblau wird auf der Website sogar als Topseller geführt. Es verkauft sich also nach eigenen Angaben besonders gut. Dem Label, das im Herbst 2023 Insolvenz anmelden musste und kurz darauf von einem Investor aufgefangen wurde, dürfte das kaum ungelegen kommen.
Was macht es mit Jüdinnen und Juden, wenn ihnen so aktivistisches Accessoire nicht nur am Rand von Demonstrationen begegnet, sondern mitten im Leben – in der Bahn, im Hörsaal, beim Kaffee holen, bei der Arbeit, beim Flanieren am Ku’damm, beim Date, auf der WG-Party? Antisemitismus ist in Deutschland längst wieder Alltag und Jüdinnen und Juden verlassen wieder notgedrungen ihre Heimat – weil die Angst unerträglich wird. Die Gewalt nimmt zu, sie werden systematisch ausgegrenzt, jüdische Einrichtungen werden beschmiert, vor Häusern werden antisemitische Parolen skandiert, Parolen gebrüllt, und die Politik versagt dort, wo Entschlossenheit gefragt wäre.
Dass ausgerechnet ein Symbol des Hasses als Modeaccessoire gehandelt wird, macht die Gleichgültigkeit sichtbar: Wer den Hass nicht benennt, macht ihn mit möglich. Und wer ihn tragbar macht, macht ihn tragfähig.