Im bundesweiten Vergleich sind Berliner und Brandenburger Gefängnisse moderat belegt. Allerdings wird es in Berlin besonders im geschlossen Vollzug für Männer voll. Zu einem Austausch über Haftbedingungen kam es jetzt mit einer US-Delegation. Von Felix Michel
Die Justizvollzugsanstalt in Moabit hat 866 Plätze. Davon sind aktuell 843 Plätze belegt, eine Auslastung von 97 Prozent, das zeigt die aktuelle Belegungsstatistik des Berliner Justizvollzugs am Mittwoch [berlin.de] . Das Gefängnis im Norden Berlins ist damit das vollste unter den Justizvollzugsanstalten in Berlin und Brandenburg. Im bundesweiten Vergleich stehen beide Bundesländer aber am Ende der Statistik.
Eine Recherche des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“ [Bezahlinhalt] hat gezeigt, das besonders Gefängnisse in Westdeutschland an ihrer Kapazitätsgrenze liegen.
Gefängnis-Auslastung auf „moderat hohem Niveau“
Insgesamt sieben Justizvollzugsanstalten (JVA) und eine Jugendarrestanstalt gibt es in Berlin. Alle Anstalten zusammengenommen, liegt die Belegungsquote bei 83 Prozent. Von den insgesamt 4.290 Plätze im offenen wie im geschlossenen Vollzug sind zum Stichtag 30. Juli 3.543 besetzt, zeigt die Berliner Belegungsstatistik [berlin.de]. „Moderat auf hohem Niveau“, beschreibt die Senatsverwaltung für Justiz die Auslastung. Grundsätzlich werde eine maximale Auslastung von 90 bis 95 Prozent angestrebt, um kurzfristig erforderliche Verlegungen oder Sperrungen von Hafträumen realisieren zu können.
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Mehr Männer in Untersuchungshaft
In den Daten zeigt sich vor allem ein Unterschied zwischen den Plätzen im geschlossenen Vollzug für Männer und dem Rest. Beim geschlossenen Vollzug der Männer sind 2.424 Plätze von 2.611 besetzt. Eine Quote von 93 Prozent. Das liegt im Bereich der maximalen Auslastung. Zurückzuführen ist das vor allem auf die steigende Zahl von Männern in Untersuchungshaft, so die Justizverwaltung. Die Untersuchungshaft findet generell im geschlossenen Vollzug statt.
Zum Vergleich: Bei den Frauen sind 82 Prozent der Plätze belegt. In den Jugendstrafanstalten liegt die Quote bei 73 Prozent. Im offenen Vollzug sind aktuell etwa Zweidrittel aller Plätze belegt. Etwa 26 bis 27 Prozent aller Häftlinge qualifizieren sich für den offenen Vollzug. Diese Zahl ist laut Senatsverwaltung relativ konstant in den letzten Jahren.
Insgesamt war die Auslastung der Berliner Justizvollzugsanstalten zwischen 2017 und 2023 rückläufig. Durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie war in den Jahren 2020 und 2021 die geringste Belegung zu verzeichnen. Seit dem Jahr 2023 steigen die Belegungszahlen vor allem im Bereich der Untersuchungshaft wieder an, so die Justizverwaltung gegenüber rbb24.
Viel Platz in Brandenburger Gefängnissen
Moderat ist auch die Belegung der vier Justizanstalten in Brandenburg. Die höchste Auslastung verzeichnet die Teilanstalt Neuruppin-Wulkow mit einer Quote von 89 Prozent, so das Justizmnisterium gegenüber rbb|24. Am geringsten ausgelastet ist die Teilanstalt Wriezen mit 61 Prozent. Beide gehören zur JVA Nord-Brandenburg. Während in Wriezen Jugendliche und Heranwachsende einsitzen, werden erwachsene Straftäter mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren und Untersuchungshäftlinge nach Neuruppin-Wulkow verbracht. Insgesamt gibt es in Brandenburg laut dem Justizministerium 1.481 Plätze. Davon sind 1.136 belegt. Mit einer Quote von 76 Prozent liegt Brandenburg damit im Bundesschnitt auf dem vorletzten Platz.
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Berlin überdurchschnittlich viel Häftlinge je Einwohner
Betrachtet man die Gefangenenrate, also Häftlinge je 100.000 Einwohner, liegt Berlin allerdings auf den vorderen Plätzen. In der Hauptstadt gibt es 96 Gefangene je 100.000 Einwohner, der Bundesschnitt liegt bei 68 [berlin.de] (Stand 31.12.2023). Kein Vergleich im Übrigen zu den USA. Da liegt die Rate bei 541 je 100.000 Einwohner [www.prisonstudies.org]. Das hat auch zur Folge, dass vergangene Woche die „New York Times“ [Bezahlinhalt] über einen Wissenstransfer zwischen Amerikanern und Deutschen berichtete.
Amerikaner informieren sich über Haftbedingungen in Berlin
Seit 2013 gibt es eine Kooperation des Berliner Justizvollzugs mit der US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation Vera Institute of Justice (Vera), so die Justizverwaltung. Führungskräfte, Haftentlassene sowie Politikerinnen und Politiker, die sich für strafrechtliche Reformen in den USA einsetzen, tauschen sich mit Berliner Justizangestellten und auch Häftlingen aus. Dabei geht es laut Senatsverwaltung um Unterbringungsstandards, Behandlungskonzepte und Digitalisierung. In den USA sei es beispielsweise üblich, dass Toiletten in der Zelle installiert sind, sodass die Wärter Insassen beobachten können, so die „New York Times“ [Bezahlinhalt]. In Deutschland können Insassen die Klotür schließen. Das Austauschprogramm soll auch in Zukunft fortgesetzt werden.
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