Das Konzentrationslager Gusen, rund 15 Kilometer östlich von Linz, war ab 1939 ein Ort systematischer Vernichtung über 35.000 Menschen wurden hier bis zur Befreiung im Mai 1945 ermordet. In den Nachkriegsjahrzehnten verschwanden viele bauliche Spuren nahezu vollständig. Lediglich ein betoniertes Denkmal von 1965 und ein kleines Besucherzentrum von 2005 markieren bislang den ehemaligen Tat- und Leidensort.
Nun soll die Gedenkstätte grundlegend neu gedacht werden. Die Burghauptmannschaft Österreich, eine staatliche Behörde für die Verwaltung historischer Gebäude, lobte dazu einen EU-weiten, zweistufigen Realisierungswettbewerb mit anschließendem Verhandlungsverfahren aus. Gesucht war ein Generalplanungsteam, das historische Substanz sichert, neue architektonische Zeichen setzt und das Areal landschaftlich als auch erinnerungskulturell weiterentwickelt. Den Zuschlag erhielten querkraft architekten in Zusammenarbeit mit kieran fraser landscape design sowie den Künstler*innen Peter Sandbichler und Sabine Dreher (alle Wien).
Gusen war ein Nebenlager des nahegelegenen KZ Mauthausen. Zunächst für den Granitabbau genutzt, wurde es später in die Rüstungsproduktion einbezogen, unter anderem in unterirdischen Stollenanlagen. Nach der Befreiung 1945 wurde das Gelände parzelliert und überbaut, Wohnhäuser entstanden auf den Fundamenten des Lagers. Ab 2021 gelang es der Republik Österreich, zentrale Flächen zurückzukaufen, darunter der Appellplatz, zwei erhaltene SS-Gebäude, die Ruine des Schotterbrechers und die Zugänge zu den Stollen. Sie sollen künftig zur Gedenkstätte gehören. Insgesamt umfasst die zu gestaltende Freifläche rund vier Hektar.
Ein breit angelegter Beteiligungsprozess bildete die Grundlage für einen städtebaulichen Masterplan. Vorgesehen sind unter anderem ein neues Ankunftsgebäude, ein Raum der Stille, die Neugestaltung des Appellplatzes sowie die Freiraumgestaltung der drei Teilstandorte Langenstein I, Langenstein II und St. Georgen. Die Areale sind teils nur wenige hundert Meter voneinander entfernt, jedoch durch Wohnsiedlungen getrennt. St. Georgen liegt rund zwei Kilometer nördlich und umfasst den einstigen Stolleneingang. Diese zerklüftete Lage stellt auch gestalterisch und erinnerungspolitisch eine besondere Herausforderung dar.
Die Jury unter Vorsitz von Manfred Wehdorn vergab drei Preise und fünf Anerkennungen:
- 1. Platz: querkraft architekten mit Kieran Fraser Landscape Design (beide Wien)
- 2. Platz: Gerber Architekten (Dortmund)
- 3. Platz: Hofrichter-Ritter Architekten (Graz) mit freiland (Wien)
- Anerkennung: LAM Architektur (Graz) mit Land in Sicht (Wien)
- Anerkennung: mia2 Architektur (Linz) mit rajek barosch landschaftsarchitektur (Wien)
- Anerkennung: Pedevilla Architekten (Bruneck) mit faktorgruen (Freiburg)
- Anerkennung: Schoener und Panzer Architekten mit Station C23 (beide Leipzig)
- Anerkennung: Schuberth und Schuberth (Wien) mit Mettler Landschaftsarchitektur (Berlin)
Der Siegerentwurf überzeugte das Preisgericht durch seinen zurückhaltenden Umgang mit dem Bestand. Statt Überformung setzt das Konzept auf behutsame Ergänzung: Das langgestreckte Ankunftsgebäude schmiegt sich in eine vorhandene Böschung, seine Fassade aus vertikalen Metalllamellen und rötlich eingefärbtem, sägerauem Sichtbeton gibt die Farbgebung vor, die sich leitmotivisch durch das gesamte Areal zieht.
Vorbei an sanierten SS-Baracken und archäologischen Fragmenten startet ein offener Korridor entlang der Grundstücksgrenze. Rote Betonmauern schirmen den Weg akustisch und visuell von der benachbarten Einfamilienhaussiedlung im Westen und dem Natursteinwerk im Osten ab. Sie leiten zum Appellplatz, den querkraft durch den baulichen Rahmen des Korridors neu fasst. Bodenmarkierungen zeichnen dort die früheren Baracken, Mauern und Zäune nach.
Der Rundgang setzt sich über die Ruine des Schotterbrechers bis in ein bewaldetes Areal fort. Dort bildet der Raum der Stille den Schlusspunkt. Als pavillonartige Struktur ist er bewusst offen gestaltet: Eine massive Betonplatte ruht auf einem filigranen Stabgerüst als Skulptur, die die Jahreszeiten wahrnehmbar macht und Raum für Rückzug bietet.
Auch der Bereich um das bestehende Memorial von 1965 sowie der ehemalige Stolleneingang in St. Georgen werden landschaftlich neu gefasst. Wiederkehrende Gestaltungselemente sollen die Verbindung der Teilorte stärken. Dazu zählt etwa eine künstlerische Intervention, die den Verlauf der einstigen Schleppbahn durch schwarze Betonstrukturen im Boden sichtbar macht.
Das Verhandlungsverfahren folgt in Kürze. Erste Umsetzungsschritte sind ab 2026 vorgesehen. Die Kostenobergrenze liegt laut Auslobung bei 22,6 Millionen Euro. (gk)
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