Kuppeldach, Bullaugen-Fenster und eine Dachterrasse, auf der es sich weit über die Felder von Stetten blicken lässt: Das ungewöhnlichste Wohnhaus, das der Stadtteil Stetten zu bieten hat, ist noch immer mehr als ein Blickfang. Eva Balz und ihr Mann Michael, Architekt und Schöpfer des fantasievollen Gebäudes, haben bis vor knapp einem Jahr dort gemeinsam gewohnt. „Mein Vater hat es gestaltet, meine Mutter war die Seele des Hauses“, sagt Tochter Angelika Balz.
Angelika Balz und ihre Brüder Johannes und Markus haben „hier eine traumhafte Kindheit verbracht, die geprägt war von Freiheit, Kreativität und Offenheit “, sagt die 52-Jährige, die mittlerweile mit ihrer Familie in Stuttgart wohnt. Sie denke beispielsweise gerne an Weihnachten zurück, sagt sie. Und beschreibt ihre Mutter als „große Weihnachtskönigin“. Die Familie habe gemeinsam gesungen und musiziert, es sei immer ein schönes Fest gewesen.
Abgefahrene Architektur in Stetten Eva und Michael Balz haben sich gut ergänzt. Foto: privat
In der Schule sei sie öfters gefragt worden, wie es ist, in einem Haus zu wohnen, dass landauf und landab als Ufo-Haus bezeichnet wird. Sie hat sich über diese Frage gewundert, denn für sie war es nicht besonders, sondern selbstverständlich. Heute denkt sie darüber etwas anders: „Es ist immer ein ganz besonderes Gefühl, wieder nach Hause zu kommen“, sagt sie und trinkt einen Schluck Kaffee aus einer lila-umrandeten Tasse, die farblich perfekt in das Haus passt.
In ihrem Elternhaus spüre sie immer eine ganz starke Verbundenheit zu Stetten, dem Theater unter den Kuppeln und den Menschen, die es ermöglicht haben, dass an dieser Stelle ein „völlig abgefahrenes“ Gebäude entstanden ist. Zunächst einmal zu ihrem Vater, dem Schöpfer des Hauses, aber beispielsweise auch zum damaligen Bürgermeister von Stetten: Eberhard Breitling, der das visionäre Denken ihres Vater getragen und gefördert habe. „Nirgendwo sonst bekommt man Baurecht für ein solches Projekt“, ist sie überzeugt. Viel sei dort in Eigenregie entstanden. „Es war ein Gemeinschaftsprojekt der Eltern mit Freunden des Theaters“, sagt Angelika Balz. Und später ein für alle offenes Haus.
Mieter sollen ins Ufo-Haus einziehen Auch die lila Sitzecke steht unter Denkmalschutz. Foto: Natalie Kanter
Lila – das war die Lieblingsfarbe ihres Vaters, erklärt sie mit Blick auf die Sitzgruppe im Obergeschoss. Der Stoff, der eigentlich ein Teppichstoff ist, wird langsam porös. Was durchaus ein Problem darstellt. Denn die Inneneinrichtung steht, wie das gesamte Haus, das 1979 erbaut wurde, unter Denkmalschutz. Will heißen, es muss erhalten werden, darf nicht abgerissen werden. Selbst die Kiefer daneben, sollte nicht gefällt werden. Ein Verkauf des Hauses komme für die drei Geschwister nicht in Frage, wie Angelika Balz betont. Vielmehr haben sie sich entschieden, ihr Elternhaus wieder so in Schuss zu bringen, dass dort weitere Mieter einziehen können. Denn die Einliegerwohnung ist schon länger vermietet.
Das Dach unter dieser Terrasse ist undicht. Foto: Natalie Kanter
Interessierte gibt es. Mit einem jungem Mann ist vereinbart, dass er in ein zum Einzimmerappartement umgebautes Kinderzimmer einziehen kann. Ein Vertrauter der Familie, der auch Freund des Theaters unter den Kuppeln ist, will das Obergeschoss übernehmen, obwohl er dort keine eigenen Möbel haben kann. „Es kann dort nicht einmal ein eigenes Bild aufhängen“, sagt Angelika Balz. Das Theater unter den Kuppeln liegt direkt neben dem Wohnhaus. Gerade wenn geprobt wird, sei von dort eine gewisse Geräuschkulisse zu erwarten, der man positiv gegenüber eingestellt sein muss, um in dem Ufo-Haus gerne leben zu können.
Bevor die Mieter einziehen können, müssen die Geschwister allerdings viel Geld in die Hand nehmen, um das Flachdach richten lassen. Denn es ist, anders als die Kuppel, an einigen Stellen nicht mehr dicht. Regen tropft in aufgestellte Wannen, eingezogene Decken kommen herunter. Mit Flüssigkunststoff wollen die Drei das Dach abdichten lassen, das halte besser als Dachpappe, erklärt Angelika Balz. Eine Summe im mittleren sechsstelligen Bereich müsste wohl insgesamt investiert werden. Rücklagen haben die drei nicht. Sie hoffen deshalb auf Unterstützung einer Denkmaleinrichtung.
Das Ehepaar Balz
Eva Balz
Die Pfarrerstochter Eva Balz war eine Sonne im Leben vieler Menschen, sagt ihre Tochter Angelika. Sie hat zunächst als Erzieherin gearbeitet, später den Seniorentreff in der Echterdinger Zehntscheuer geleitet. Mehr als 25 Jahre verantwortete sie das Kostümressort des Theaters unter den Kuppeln, war sich auf der Bühne für keine Rolle zu schade. Kommunalpolitisch engagierte sie sich für die FDP im Gemeinderat. Für ihr Wirken hat sie 2018 die Ehrenmedaille der Stadt erhalten. Im August 2024 ist sie an den Folgen eines Unfalls im Garten gestorben. Bis dahin hat sie sich um ihren zuletzt an Demenz erkrankten Mann gekümmert. Sie wurde 80 Jahre alt.
Michael Balz
Der Architekt Michael Balz stammt aus einer Bildhauerfamilie, Vermutlich wollte er deshalb keine Kisten entwerfen. Ecken und Kanten waren nichts für ihn. Er bevorzugte runde, leichte, natürliche, offene Formen – ähnlich wie der berühmte spanische Architekt Antoni Gaudi. Michael Balz baute das Wohnhaus für seine Familie und sich in Schalenbauweise. Genauso wie das Theater unter den Kuppeln, das ebenfalls seine Handschrift trägt. Dort war er als Kassenprüfer und später als Bühnenbildner aktiv. Und er unterstützte gerne das kommunalpolitische Wirken seiner Frau. Nach deren Tod konnte er nicht mehr in dem gemeinsamen Wohnhaus leben. Er wohnte zuletzt in einem Pflegeheim. Vor sieben Monaten ist er im Alter von 89 Jahren verstorben.