Die mit riesiger Vorfreude erwartete neue Saison steht vor der Tür und der Löwe darf das Eröffnungsspiel bestreiten. Am heutigen Freitagabend geht es nach Essen, wo man unter Flutlicht auf einen weiteren Favoriten auf den Aufstieg trifft. Wie schon aus der letzten Saison gewohnt, gibt es an dieser Stelle eine umfangreiche Sammlung alles Wissenswerten rund um den kommenden Gegner. Die Geschichte kann ich leider nicht neu erfinden und die Stadien sind auch meist die Gleichen, aber natürlich sind Kaderinfos & Transfers komplett neu und auch bei den restlichen Kategorien wurde an den Details gefeilt. Heute starten wir also mit dem RWE, mit Rot-Weiss Essen!
Aktuelles – die Ausgangssituation
Zu Beginn der Saison kann man nur mutmaßen, wie es aktuell um eine Mannschaft steht. Wenn Testspiele Aussagekraft haben, dann steht es gut um den RWE. Nach einer sehr erfolgreichen Rückrunde haben die Mannen von Trainer Uwe Koschinat auch eine starke Vorbereitung absolviert. Zuletzt gab es zwei Achtungserfolge gegen die höherklassigen Teams aus Magdeburg und Augsburg. Verloren gingen nur ein zweiter Durchlauf gegen die Schwaben und das Highlight der Vorbereitung in Schottland. Zum 70-jährigen Jubiläum des ersten Spiels einer deutschen Mannschaft im Europacup traten die Essener bei Hibernian FC in Edinburgh an und mussten sich an der Easter Road mit 3:2 geschlagen geben.
Von Experten, Medien und quasi auch allen anderen wird Essen als einer der Top-Favoriten auf den Aufsteig in die 2. Liga gesehen. Für unseren TSV gibt es zum Start also gleich mal einen richtigen Gradmesser, der erst einmal überstanden werden muss.
Kader & Transfers
Entgegen typischer Drittliga-Gebaren hat sich Essen in der bisherigen Transferphase eher zurückgehalten. Vor dem Hintergrund, dass eigentlich alle Leistungsträger gehalten werden konnten, stehen 9 Abgänge, 10 Zugängen gegenüber.
Der in München bekannteste Abgang ist Joseph Boyamba (28, RA), der zum BVB II in die Regionalliga geht. Außerdem wurde Thomas Eisfeld (32, ZM) in die Vereinslosigkeit entlassen und Rechtsverteidiger Eric Voufack (23) spielt in der kommenden Spielzeit für Kolding IF in der zweiten dänischen Liga. Die größten Schwächungen sind zwei ausgelaufene Leihen. Sowohl Julian Eitschberger (21, RV) und Matti Wagner (20, LM) waren in der Rückrunde Leistungsträger und kehren zu ihren Stammvereinen zurück. Während ersterer bei Hertha BSC zu bleiben scheint, wurde Wagner von Fürth für die kommende Saison nach Aachen ausgeliehen.
Diese Wechsel wurden ordentlich kompensiert. Vom 1. FC Köln kam Marvin Obuz (23, RA), der schon in der vorvergangenen Spielzeit in Essen am Ball war und an seine starke Form von damals anknüpfen will. Ebenfalls vom FC kommt per Leihe mit Jaka Cuber Potocnik (18, MS) der Spieler, welcher den Domstädtern ihre lange Transfersperre eingehandelt hat. Weiters kommt mit Luca Bazzoli (24) ein interessanter Mittelfeldspieler aus Münster ins Ruhrgebiet, der letzte Saison (auch aufgrund einer Verletzung) nur der 13./14. Mann war. Für die defensive rechte Außenbahn holte man Michael Kostka (21) vom letztjährigen 5. der zweiten polnischen Liga.
Die sogenannten Unterschiedsspieler sind aber fast alle im Bestandskader zu finden. Hier verfügt der RWE mit Spielern wie Dominik Martinovic (28, MS), Ahmet Arsland (31, OM), Klaus Gjasula (35, DM) oder José-Enrique Ríos-Alonso (24, IV) für die 3. LIga über sehr hohe Qualität. Das Potential dieses Kaders hat sich schon in der vergangenen Rückrunde gezeigt, jetzt hatte Uwe Koschinat sogar noch eine ganze Sommervorbereitung…
Im Tor wird heute – wie in der Rückrunde im GWS – sehr wahrscheinlich Felix Wienand (23) stehen, nachdem sich Jakob Golz (26) unter der Woche durch einen Insektenstich verletzt hat.
Löwenpower: –
Vereinsgeschichte
Als Gründungsdatum von Rot-Weiss Essen wird der 1. Februar 1907 angegeben. Damals firmierte man aber noch unter dem Namen “SC Vogelheim”, einem Fusionsverein aus dem “SC Preussen” und “Deutsche Eiche”. Zu einer Fußballabteilung kam es im Jahr 1910 durch eine Fusion mit dem “Turnerbund Bergeborbeck”. Vogelheim und Bergeborbeck sind die Stadtteile Essens, die der RWE seine Heimat nennt. Drei Jahre später trennte man sich wieder vom Turnerbund und gründete sich 1918 neu als “Spiel- und Sportverein Emscher-Vogelheim”. Seit der Fusion nahm man an Verbandsspielen teil und änderte nach dem ersten Weltkrieg seinen Namen in “Spiel und Sport 1912”. Die Geburtsstunde von “Rot-Weiss Essen” war dann eine erneute Fusion mit dem Turnerbund im Jahre 1923. Im Zuge dieser Bündelung der Kräfte im Essener Norden wurde der neue Name auserkoren.
Die Anfangszeit
Nach ersten Erfolgen und großem Zuschauerinteresse baute man unter der Ägide von Präsident Georg Melches im Jahre 1939 das erste Stadion an der Hafenstraße für rund 27 000 Zuschauende. Das gesamte Vereinsgelände wurde dann im zweiten Weltkrieg vollständig zerstört. Mit großem ehrenamtlichem Engagement wurde die Anlage wiederhergestellt:
„Männer aller Berufe standen einträchtig nebeneinander und schufteten Abend für Abend. Wenn auch die Hauptarbeit von Handarbeitern, meist Bergleuten, geleistet wurde, so war es doch rührend anzusehen, wie Leute, die nie mit Schaufel oder Spaten gearbeitet hatten, sich abmühten, es den anderen gleichzutun.“
Der erste große Erfolg der Vereinsgeschichte war dann der Pokalsieg 1953. Zwei Jahre später setzte man noch einen drauf und konnte die deutsche Meisterschaft erringen. Angetrieben durch diese Erfolge investierte Essen auch in Steine und errichtete 1956 die erste Flutlichtanlage Deutschlands! Trotz alledem wurde der RWE bei der Gründung der Bundesliga nicht berücksichtigt, da man 1961 aus der Oberliga abgestiegen war und den Wiederaufstieg nicht bewerkstelligen konnte. Folglich trat der Verein nun in der Regionalliga West an. 1963 starb mit Georg Melches die prägendste Figur in der Geschichte des RWE, weshalb auch das Stadion zu seinen Ehren umbenannt wurde.
Im Jahre 1966 gelang dann endlich der lang ersehnte Aufstieg ins neu formierte Oberhaus. Man musste aber postwendend wieder den Weg in die Regionalliga antreten. Es folgten einige “Fahrstuhljahre” mit Wiederaufstieg 1969, Abstieg 71, Aufstieg 73 und erneutem Abstieg 1977. Zur damaligen Zeit schnürten spätere Topstars wie Horst Hrubesch, Frank Mill, Willi Lippens und Manfred Burgsmüller die Schuhe für die Rot-Weißen.
Der Beginn der Abwärtsspirale
Nach einigen soliden Spielzeiten in der zweiten Liga musste man 1984 auch aus dem Unterhaus absteigen. Zwei Jahre später gelang die Rückkehr, der Abwärtstrend war aber gestartet. Abermals hielt man sich für einige Jahre, stieg dann 1991 aufgrund eines Lizenzentzugs wieder ab und konnte im darauffolgenden Jahr zumindest die deutsche Amateurmeisterschaft für sich entscheiden. Getragen von diesem Erfolg war man 1993 in der Liga erfolgreich und kehrte in den Profibetrieb zurück. Im Zuge des Zulassungsverfahrens zur 2. Bundesliga waren aber gefälschte Dokumente eingereicht worden, sodass während der Saison 93/94 die Lizenz abermals entzogen wurde. Trotz dieses großen Problems reüssierte man im DFB-Pokal und zog ins Finale gegen Werder Bremen ein.
1996 hatte RWE dann wieder Stabilität gewonnen und kehrte in die 2. Bundesliga zurück, mit über 8 000 Zuschauern im Schnitt war Essen in der Regionalliga der Zuschauermagnet schlechthin. In der folgenden Spielzeit gab es zwar keine großen wirtschaftlichen Probleme, sportlich war man der Aufgabe aber nicht gewachsen und stieg sofort wieder ab. 1997/98 wurde man dann durchgereicht und fand sich am Ende der Saison in der Oberliga wieder.
Folgend stieg man direkt wieder auf und kehrte 2004 sogar in die 2. Bundesliga zurück. Wieder einmal wurde RWE zur Fahrstuhltruppe, stieg 2005 direkt wieder ab, 2006 erneut auf und 2007 abermals ab. Zum 100. Geburtstag hatte man sich freudigere Zeiten gewünscht. Essen verpasste dann auch die Qualifikation für die neue 3. Liga, doch es kam noch schlimmer. 2010 war der Verein insolvent und in der 5. Spielklasse angelangt. Die Auflösung konnte aber abgewendet und die direkte Rückkehr in die Regionalliga fixiert werden.
Neues Stadion, neues Glück
2012 wurde das neue Stadion noch in den letzten Bauphasen bezogen und der Blick in eine hoffentlich rosigere Zukunft gerichtet. Dort stabilisierte RWE sich in Liga 4 und die Segel waren in Richtung Profifußball gesetzt. 2019/20 sah es unter neuer Führung lange gut aus, der coronabedingte Abbruch machte Essen aber einen Strich durch die Rechnung. Trotz des Einzugs ins DFB-Pokal-Viertelfinale verpasste man den Aufstieg in 2021 erneut knapp.
In der folgenden Saison konnte das lang ersehnte Ziel dann aber erreicht werden. In dem Jahr, in dem die Fans den Stadionnamen zurückgekauft und damit ihrer zweiten Heimat wieder den Namen “Stadion an der Hafenstraße” gegeben hatten, konnte nach 14 Jahren der Aufstieg und die lang ersehnte Rückkehr auf die Bundesebene gefeiert werden!
Verein
Rot-Weiss Essen vereint ca. 13 200 Fans in einem reinen Fußballverein, der neben den Profis noch eine zweite Mannschaft auf niedrigem Amateurlevel und eine “Team III” genannte dritte Mannschaft mit Spielern aus schwierigen sozialen Verhältnissen stellt. Frauenfußball gibt es keinen, was aber ausnahmsweise löblich ist, da man so der etablierten SGS Essen (Bundesliga) nicht ihr Revier streitig macht. Der Profibetrieb ist nicht in eine Kapitalgesellschaft ausgegliedert.
Fanszene
Wer ist der Schreck vom Niederrhein?
Die Fanszene des RWE ist schon seit den 70er Jahren in ganz Deutschland bekannt, sowohl wegen der Stimmung als auch besonders wegen ihrer Rauflust. Zu diesem Thema hat Philipp Köster im Magazin 11Freunde einen schönen historischen Artikel verfasst – dieser ist leider nur mit Abo o.Ä. lesbar. Heute hat auch in Essen die Ultrabewegung Einzug gehalten und dominiert auf der neuen West.
Die maßgeblichen Ultragruppen sind die “Vandalz Ultras”, “Rude Fans”, “Junge Essener” und die “Freaks Ultras”. Letztere geben das recht lesenswerte Fanzine “Freakshow” heraus. Weiters gibt es die “Wrecking Crew”, die “Stauder Kommilitonen” und “Northside”. Die Gruppierung “Kategorie Essen” musste sich im September auflösen, nachdem ihnen ihre Zaunfahne abhanden gekommen war.
Als Dachverband gibt es die “Westtribüne Essen”, der wie bei vielen anderen Clubs eine Vorfeldorganisation darstellt, durch welche in diesem Fall ausschließlich Choreographien finanziert werden. Außerdem werden karitative Aktionen durchgeführt. Zum Auftaktspiel gegen die Löwen ruft die Westribüne zu einem Fahnentag auf alle eine Fahne mit ins Stadion zu bringen. Auf der Vereinsebene besteht noch die Fan- und Förderabteilung der RWE, welche die Interessen der “passiven Fußballer” bündelt und den Fans eine eigene Stimme im Hauptverein gibt.
Freundschaften auf Ultraebene gibt es nach Dortmund und zum Verein vom Verteilerkreis in Wien, außerdem sind die “Vandalz” mit der “Revolte 0221” vom FC Köln verbandelt. Seit 1994 besteht eine Fanfreundschaft zu Werder Bremen, welche aber nicht (mehr) auf Ultraebene getragen wird. Feindschaften existieren besonders zum FC Schalke 04, Rot-Weiß Oberhausen und dem MSV Duisburg.
Das bekannte Fan-Original “Glockenhorst” ist leider letztes Jahr von uns gegangen. Mehr zu einem bewegten Leben lest ihr hier.
Stadion
Das “Stadion an der Hafenstraße” ist eines der Stadien, welche noch immer ihren traditionsreichen Originalnamen tragen und nicht von irgendeiner Sponsorenkreationen entstellt werden. Die 2012 eröffnete Fußballarena wurde sehr nahe am alten “Georg-Melches-Stadion” errichtet und erinnert optisch auch sehr an den Vorgänger, besonders die vier separaten Tribünen mit offenen Ecken. Zur Vorgeschichte schreibt RWE:
“Rot-Weiss Essen in Person von Vereinsmacher Georg Melches fand 1920 seinen ersten festen Standort an der „Vogelheimer Straße 97“ – der heutigen „Hafenstraße 97a“ an den Stadtgrenzen Bergeborbecks zu Vogelheims! Die 1939 von Sportanlage zu Spielstätte umgebaute rot-weisse Heimat wurde im zweiten Weltkrieg nahezu vollständig zerstört. So beschloss man den Bau des alten „Stadions an der Hafenstraße“ – nach Melches Tod „Georg-Melches-Stadion“. In der Verbandszeitung des Westdeutschen-Fußballverbands (WDFV) wurde die nach 50er-Jahre-Standard hochmoderne Anlage mit dem „Highbury“ von Arsenal London verglichen: Essener konnten stolz auf eine Multifunktions-Haupttribüne und das erste Flutlicht im Ruhrgebiet sein! Im Außenbereich errichtete man zudem Tennisplätze und eine Gartenanlage.”
Das neue Stadion fasst 19 962 Zuschauende, davon 6 670 in der Westkurve. Neben den Drittliga-Partien des RWE finden hier auch die Bundesligapartien der Frauen der SGS Essen sowie Konzertveranstaltungen statt. Beim Bau soll es zu einigen finanziellen Ungereimtheiten gekommen und Gelder aus anderen Töpfen zweckentfremdet worden sein, da sich die Baukosten zum Ende hin mehr als verdoppelt hatten. So standen schlussendlich 64 Mio. statt der ursprünglich angepeilten 31 Mio. € zu Buche. Im gerade vergangenen Juli hat der Essener Stadtrat beschlossen, dass Stadion für rund 29,4 Mio. € auf eine Kapazität von rund 27 000 Plätze auszubauen. Dies soll über eine Schließung der Ecken geschehen, für die bereits seit über zehn Jahre Pläne vorliegen, aber aus Kostengründen nicht umgesetzt wurden. Nicht nur bei den Bauvorhaben, sondern auch beim Unterhalt der Arena unterstützt die Stadt Essen als Besitzerin des Stadions den Verein tatkräftig.
Ausgeschenkt wird Stauder Bier, die Currywurst soll laut unserem Talkgast nicht zu empfehlen sein, die Frikadelle wiederum kann ich selbst uneingeschränkt empfehlen.
Trivia – Unnützes Wissen
- Das “Weiss” im Vereinsnamen entsprach noch nie der Rechtschreibung, ist aber tatsächlich die offizielle Schreibweise in Satzung, Vereinsregister, etc..
- Das UNESCO-Weltkulturerbe “Zeche Zollverein” in Essen ist unbedingt einen Besuch wert. Auch dieser Italiener um die Ecke hat das letzte Mal gefallen.
- Die neue Westtribüne in Essen liegt eigentlich im Osten, der Traditionsname wurde vom alten Stadion übernommen.
- Neben der gewohnt rot-weißen Spielkleidung wären laut Satzung in Notfällen auch noch neutrale (schwarze/graue) oder in den Stadtfarben Blau und Gelb gehaltene Trikots erlaubt.
- Das bekannte “Oh RWE-Lied“, welches im Stadion gesungen wird basiert auf dem Schlager “Adiole” von Siw Malmquist.
Der 1. Spieltag im Überblick
19:00 Uhr
Rot-Weiss Essen – TSV 1860 München
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