Es geht um ein kleines Stück Weg namens Hügelhain, vielleicht drei, vier Meter breit und etwa 200 Meter lang und teils in einem erbärmlichen Zustand. Er liegt in Eißendorf in den Harburger Bergen und führt steil zu rund 20 Häusern auf eine kleine Bergkuppe und auf der anderen Seite wieder hinunter.

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An der Straße liegt ein wunderhübsches kleines Häuserparadies mit großen Grundstücken. Und fast alle Anwohner sind auf den Utkiek angewiesen und können ihre Grundstücke anders nicht verlassen.

Hamburger Straße ist eine „herrenlose Wegfläche“

Unten an der Straße ist zwar jeweils ein reguläres Hamburger Straßenschild, doch an seinem Pfeiler ist ein Zusatzschild befestigt und auf dem steht „herrenlose Wegfläche“. Eine Nachfrage bei der Stadt bestätigt, dass es tatsächlich überall in Hamburg herrenlose Flächen gibt, eine herrenlose Straße ist aber selten.

Die Grundstücke gehören weder der Stadt noch einem Privateigentümer oder den Anwohnern. Was sehr kurios ist, denn so ist auch niemand verpflichtet, die Straße instandzuhalten oder bei Schnee zu räumen. Dabei handelt es sich um den einzigen Rettungsweg für Feuerwehr und Notarzt zu den Häusern am Hang.

Ingrid Gutknecht wohnt im Hügelhain und hat erst im Nachhinein von der Versteigerung der Straße erfahren.
Foto: Sandra Schäfer

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Und als wären wir nicht in Hamburg, sondern im Wilden Westen, kann jeder kommen und diese Flächen für sich beanspruchen – und zwar ohne Kaufkosten. Das hat am Hügelhain dann nach vielen Jahren, in denen diese Straße quasi herrenlos war, jemand getan.

Der Bezirk Harburg hatte zuvor noch die städtische Behörde LIG (Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen Hamburg) angefragt, ob das okay ist oder die Stadt die Straße dann lieber selbst übernehmen wolle. Aber der LIG hatte das abgelehnt. Das kam jetzt durch eine Senatsanfrage der CDU Harburg heraus.

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Anonymer Trickser versteigert Hamburger Straße im Internet

So kam es am Ende dazu, dass ein anonymer Mensch, dessen Name auch den Anwohnern nicht genannt werden muss, die Straße beanspruchte und sie danach auch gleich in einer Internet-Auktion zum Kauf anbot. Und zwar in vier Teilstücken, da die Straße im Grundbuch in vier Flurstücke aufgeteilt ist. Die Anwohner wurden davon auch nicht unterrichtet. So hat etwa Ingrid Gutknecht, deren Haus am Hügelhain liegt, erst im Nachhinein davon erfahren und konnte es gar nicht glauben: „Wie kann jemand einfach eine Straße kaufen?“

Und obwohl wirklich niemand etwas mit solchen Straßenstücken anfangen kann – sie können weder bebaut noch sonstwie genutzt werden – wurden zumindest zwei Flächen Mitte Juni laut Anwohnern für 45.000 Euro ersteigert. Was die beiden anderen erbracht haben, ist unklar. Wiederum von anonymen Bietern. Seitdem warten alle gespannt darauf, was nun passiert.

Käufer der Straße Hügelhain? Kennen die Anwohner nicht

In der Straße gibt es seitdem viele Gerüchte. So soll der Verkäufer diese Abzock-Masche bereits mehrfach durchgezogen haben. Zuletzt in Lüneburg. Da hatte der Käufer, der die Straße dann von ihm ersteigert hatte, am Ende allerdings das Nachsehen. Er forderte Gebühren von 50 Euro und mehr pro Monat von den Anwohnern und schikanierte sie dann mit Baustellenschildern, um an das Geld zu kommen. Es kam zum Prozess und am Ende unterlag er.

Das Gericht sprach ihm nur eine jährliche „Notwegerente“ von einem Euro pro Anlieger zu. Alles andere wäre laut Richtern eine Ausnutzung der Lage der Anwohner gewesen, was nicht zulässig sei. Denn es gebe ja keinen anderen Weg zu ihren Grundstücken. Der Verkäufer, der die Grundstücke versteigert hatte, konnte sich hingegen über viel Geld freuen – wie nun auch im Eißendorfer Hügelhain, wo nun 45.000 Euro für einen geringen Aufwand eingestrichen wurden.

Dass der Hügelhain keinen Eigentümer hat, liegt daran, dass eine Baugenossenschaft 2010 eine Verzichtserklärung für die Straße abgegeben hat und aus dem Grundbuch ausgetragen wurde, so etwas ist regulär möglich. Sie hatte den Weg als Erschließungsstraße angelegt und war dann später nicht mehr vor Ort aktiv. Das Bezirksamt Harburg hatte daraufhin versucht, die Straße instandzusetzen. Doch dafür wollte die Stadt die Straße auf sieben Meter verbreitern, Beleuchtung und Oberflächenentwässerung installieren.

Das wäre allerdings zu einem hohen Grad umlagefähig und daher für die Anwohner teuer geworden. Zudem hätten sie auch für die Verbreiterung der Straße Teile von ihren Grundstücken abgeben müssen. So kam es damals zu keiner Einigung, der Utkiek blieb herrenlos und der Bezirk stellte die Zusatzschilder „herrenlose Wegfläche“ auf.

Stadt Hamburg schützt Anwohner nicht vor der Abzock-Masche

Wenn es in Eißendorf ausgeht wie in Lüneburg, müssten sich die Anwohner keine Sorgen machen. Der Käufer hätte sich einfach verspekuliert. Doch am Hügelhain scheinen die Nerven blankgelegen zu haben. So berichteten Anwohner der Mopo, dass sich eine Interessengemeinschaft Hügelhain gebildet habe, und die habe über einen Mittelsmann an der Auktion teilgenommen und zumindest zwei der vier Teilstücke erworben. Wohl um zu verhindern, dass ein Abzock-Käufer alles ersteigert?

Die Mopo hätte die Interessengemeinschaft gern dazu befragt, doch die kocht ihr eigenes Süppchen, geht in der Straße bei allen Anwohnern Klinkenputzen und ist offenbar im Moment nicht an Öffentlichkeit interessiert, sondern bastelt an einer eigenen Strategie, damit umzugehen. Mopo-Anfragen bei der ehemaligen Bürgerschaftsabgeordneten Birte Gutzki-Heitmann (SPD), die selbst dort wohnt und in die Vorgänge involviert ist, wurden unfreundlich und barsch abgewiesen.

Und der große unbekannte Abzocker? Der durchforstet wahrscheinlich schon weiter Unterlagen bei den Grundbuchämtern auf der Suche nach herrenlosen Grundstücken, die er für viel Geld im Internet an einen anderen Menschen mit ebensolchen miesen Absichten verscherbeln kann. Und die Stadt Hamburg? Schützt ihre Bürger nicht davor, sondern legt weiter die Hände in den Schoß und bezeichnet sich als nicht zuständig.

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