Bewerbung ins Nichts: Wie Unternehmen in Sachsen-Anhalt Bewerber ignorieren

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von Keven Nau
2. August 2025

Sie hatte alles richtig gemacht: Die Stelle passte perfekt zu ihrem Profil, das Anschreiben war individuell formuliert, der Lebenslauf lückenlos und überzeugend. Zwei Wochen nach dem Versand der Bewerbung: Stille. Keine Eingangsbestätigung, keine Rückmeldung, keine Absage. Statt einer professionellen Kommunikation: Funkstille. Was wie ein Einzelfall klingt, ist längst bittere Realität für viele Menschen in Deutschland, auch und besonders in Sachsen-Anhalt. Das Phänomen hat einen Namen: Ghosting im Bewerbungsprozess.

 

Ein wachsendes Phänomen mit realen Folgen

Ghosting, ursprünglich aus dem zwischenmenschlichen Bereich bekannt, beschreibt den abrupten und kommentarlosen Kontaktabbruch. In der Arbeitswelt meint es das Ignorieren von Bewerbungen durch Unternehmen, ohne eine Rückmeldung zu geben. Laut einer Studie des Karriereportals JobTeaser aus dem Jahr 2023 gaben mehr als 50 Prozent der befragten Bewerber in Deutschland an, schon einmal von einem Unternehmen komplett ignoriert worden zu sein, teilweise sogar nach einem persönlichen Vorstellungsgespräch. Diese Entwicklung hat nicht nur individuelle Auswirkungen, sondern auch strukturelle Konsequenzen für den Arbeitsmarkt.

 

Sachsen-Anhalt: Ghosting trotz Fachkräftemangel

Gerade in Sachsen-Anhalt wird der Widerspruch besonders deutlich. Auf der einen Seite klagen Unternehmen über den Mangel an qualifizierten Fachkräften. Allein im Juli 2025 meldete die Bundesagentur für Arbeit über 23.000 offene Stellen im Bundesland. Auf der anderen Seite berichten zahlreiche Bewerber von mangelnder Rückmeldung, selbst bei aufwendigen Bewerbungsverfahren.

Der 25-jährige Sebastian aus Halle erzählt: „Ich wurde zu mehreren Gesprächen eingeladen, habe Tests gemacht und war guter Dinge. Danach: keine Antwort. Nicht mal eine Absage, nicht mal eine Reaktion auf meine Nachfrage.“

Solche Erlebnisse sind kein Einzelfall mehr, sondern Ausdruck eines größeren strukturellen Problems.

 

Zwischen Überforderung und fehlendem Respekt

Woran liegt es, dass Bewerbungen unbeantwortet bleiben, obwohl Unternehmen doch händeringend Personal suchen? Eine mögliche Erklärung: Viele kleine und mittelständische Betriebe verfügen nicht über eigene Personalabteilungen. Die Bewerbungen landen direkt bei Geschäftsführungen oder überlasteten Führungskräften und bleiben dort liegen.

Doch das allein erklärt nicht alles. Denn Ghosting im Bewerbungsprozess ist nicht nur ein organisatorisches Versäumnis, sondern sendet auch ein klares Signal an die Bewerber: „Du bist uns nicht wichtig.“

Gerade in ländlichen Regionen, in denen Unternehmen sich ihrer Marktstellung sicher wähnen, scheint dieser Umgang mit Bewerbern besonders verbreitet zu sein. Das ist gefährlich, denn der erste Eindruck zählt, auch für Bewerber.

 

Warum Ghosting keine Kleinigkeit ist

Bewerbungsprozesse bedeuten Aufwand. Menschen investieren Zeit, Hoffnung, manchmal sogar Geld (für Bewerbungsfotos, Anfahrt, Urlaubstage). Wird dieser Einsatz ignoriert, führt das nicht nur zu Frustration, sondern langfristig zu einem Vertrauensverlust in den gesamten Arbeitsmarkt einer Region.

Für Unternehmen ist Ghosting riskant. Wer heute eine Bewerbung ignoriert, verliert womöglich morgen einen engagierten Mitarbeiter oder die positive Reputation am Arbeitsmarkt.

Damit Bewerbungsprozesse fair und respektvoll verlaufen, müssen Unternehmen wie Bewerber gleichermaßen Verantwortung übernehmen. Arbeitgeber sollten automatisierte Eingangsbestätigungen zur Selbstverständlichkeit machen und auch im Falle einer Absage zumindest eine kurze Rückmeldung senden, idealerweise mit Feedback nach persönlichen Gesprächen. Denn Employer Branding beginnt nicht erst mit dem Arbeitsvertrag, sondern beim ersten Kontakt.

Umgekehrt können auch Bewerber aktiv werden. Wer nach zwei Wochen keine Antwort erhält, sollte nachhaken und Erfahrungen offen auf Bewertungsplattformen wie kununu oder Google teilen. Der Austausch in beruflichen Netzwerken wie LinkedIn oder XING hilft, Strukturen zu erkennen und sich gegenseitig zu unterstützen.

Wichtig ist, nicht den Mut zu verlieren. Ghosting ist kein persönliches Versagen, sondern oft ein Zeichen mangelnder Professionalität auf Unternehmensseite.