„Und jetzt gemeinsam: Ich bin stark. Ich bin schön. Ich bin der Nabel der Welt.“ Das betet der „Coacher“ Heini Himmerl seinen Klienten vor. Himmerl, der Dreh- und Angelpunkt des neuen Programms „Kein Thema. Eine deutsche Antwort“ von Sigi Zimmerschied, das nun im Lustspielhaus München-Premiere hatte. Wieder so eine Figur, wie sie nur Sigi Zimmerschied erfinden und auf die Bühne stellen kann. Obendrein eine seiner bislang am schwersten zu dechiffrierenden.

Denn nicht nur Himmerls Klienten sind alles andere als stark, schön und der Nabel der Welt. Ob es ein bankrotter, amputierter, von seiner Frau verlassener Selbstmordkandidat ist. Ein in der Wählergunst dramatisch gefallener SPD-Landtagsabgeordneter. Sein tumber AfD-Kollege, dem Himmerl folgerichtig Sprach- und Bewegungslosigkeit als Profil verordnet. Der verkrachte Schauspieler mit Adelstitel, der im „Hamlet“ nur eine Staubmilbe spielen darf. Oder die feministische Avantgarde-Regisseurin Svantje, die solche kruden Inszenierungen verbricht.

Auch der „Work Live Balancing Trainer und No Problem World Creator“ Heini Himmerl selbst ist weder stark noch schön noch der Nabel der Welt. Sondern ein von der physischen wie psychischen Misshandlung des Vaters wie vom Wegschauen der Mutter Deformierter, der schon ein „Schlagerl“ samt Amnesie hatte, ständig Tabletten frisst und eigentlich zu nichts zu gebrauchen ist.

Dieses Nichts aber hat er zur Mission gemacht, er ist nun quasi das Über-Nichts seiner Opfer. Die Allmacht-Fantasien durchgeknallter Despoten lassen grüßen, wenn Himmerl sich in einer Szene seine Mandanten als Tonklumpen vorstellt, die er nach seinen Ideen modelliert. Und wie sich später herausstellt, ist nicht einmal das dem eigenen Antrieb geschuldet: Es gibt einen geheimnisvollen Auftraggeber aus dem Lager der Verschwörungstheoretiker, für den Himmerl seine Schützlinge in den realen oder politischen Selbstmord treiben soll.

Schon seit langem, streng genommen schon seit „Ausschwitzn“ 1990, macht Zimmerschied Theaterkabarett, er hat es miterfunden. Mit „Kein Thema“ freilich treibt er es auf die Spitze. Kein Rest ist mehr übrig von den alten Feindbildern, an denen er sich lange abgearbeitet hat, es gibt keine einfachen Fragen und eindeutigen Antworten mehr, keine Suche nach der Pointe. Stattdessen wird mit den Mitteln des Dramas das Psychogramm eines Verführers erstellt, der pars pro toto für den aktuellen Autokratie-Trend stehen darf. Was dank Zimmerschieds sprachlicher und darstellerischer Verve satirisch und komisch genug ist.

Wenn am Schluss – so viel sei verraten – die Taten auf den Täter zurückfallen, kann man das als düster empfinden oder – ganz neu bei Zimmerschied – als Zeichen der Hoffnung deuten. Ein Programm, das lange nachhallt und das man eigentlich öfter als einmal sehen muss (bis Mai im Lustspielhaus).