„Es ist Zeit für eine Veränderung“, ertönt eine computergenerierte Frauenstimme à la Siri im inszenierten Dialog mit Cro über den Cannstatter Wasen. „Alles was zählt ist die Erinnerung.“ Doch es wirkt fast lustlos, wie Cro an diesem Samstagabend auf der Cronicles Open Air Tour durch die verschiedenen Kapitel seiner musikalischen Vergangenheit streift. Als würde er seine von den Fans geliebten Alter Egos aus über einem Jahrzehnt Musikbusiness nur widerwillig aufleben lassen.
Nach und nach verwandelt sich der Künstler in frühere Versionen seiner selbst – holt sogar die 2020 beerdigte Pandamaske zurück aus dem Sarg auf die Bühne sowie die längst verstaubte Pandamaske seiner Anfangszeit. Aber auch die wechselnde Maskerade kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Cro seine frühere Identität längst begraben hat und nicht mehr der bodenständige Gute-Laune-Rapper von 2011 sein will.
Auf seine Verbindung zu Stuttgart deutet wenig hin
Dass Stuttgart die Stadt ist, in der Cro mit dem Independent-Label Chimperator seine ersten musikalischen Durchbrüche erlebte, bleibt an diesem Abend weitestgehend unbemerkt. Ebenso, dass der geborene Carlo Waibel unweit des Cannstatter Wasens seine Mediengestalterausbildung an der Johannes-Gutenberg Schule in Bad Cannstatt absolvierte. Lediglich das rote VfB-Trikot an Psaiko.Dino – Cro-Begleiter und Produzent seit der ersten Stunde – und Gastact Danju deutet auf eine tiefere Verbindung zur Stadt hin. Von seiner Heimat hat Cro vor allem eines in Erinnerung: „Stuggi hat schöne Frauen.“
Der mittlerweile auf der indonesischen Insel Bali lebende Künstler interagiert nur wenig mit dem Stuttgarter Publikum und lässt stattdessen Showelemente und Überraschungsacts für sich sprechen. Während seiner Performance verwandelt sich der Cannstatter Wasen in ein interaktives Spielfeld: vier überdimensionale Softbälle fliegen durch die Menge, die sich ein improvisiertes Basketballmatch liefert. Weiße aufblasbare Figuren, die an das Merch-Plüschtier „Crodie“ erinnern, säumen zeitweise die Bühne. Cro selbst, der bereits als Kind Gitarre und Klavier spielen lernte, beweist sein Können an einer glitzernden Gitarre und einem Keyboard unter dem sich rosafarbene nackte Gummipuppen räkeln – eine Ästhetik, die sich stimmig in das surreale Kunstuniversum seines Pseudonyms Carlito einfügt.
Neuer Anstrich für altbekannte Songs
Gemeinsam mit seiner Band und den Backgroundsängerinnen „drei Engeln für Charlie“, verleiht der 35-Jährige Songs wie Traum, Unendlichkeit oder Hi Kids einen neuen, groovigen Anstricht, der sich spürbar von dem vertrauten Soundschema aus „Tru“ und „Raop“ löst. So durchbricht er das Nostalgiegefühl, nach dem sich viele Fans sehnen dürften, die wie die Voracts Greta und Kasi und Antonius mit seiner früheren Musik groß geworden sind. „Es werden neue Erinnerungen geschaffen“, philosophiert die KI-Stimme aus dem Off zu seinen Neuinterpretationen.
Für weitere Überraschungen sorgen die „Drillinge“, wie Cro seine drei finalen Überraschungsacts nennt. An der Seite von Badchieff performt der in Mutlangen geborene Künstler „Fall auf“, jenen Song, der einst den Wechsel zur futuristischen Gesichtsmaske einleitete. „Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sehr ich diesen Mann liebe“, drückt Badchieff seine Wertschätzung gegenüber seinem langjährigen Freund aus. Bei „Tempo“ und „Ich liebe…“ kommen Sampagne und Wilsn dazu, bevor Cro in neu erstrahlender Chrom-Maske zum großen Finale ansetzt: ein Remix-Set aus allerlei Songs von „American Boy“ bis „I will always love you“, das in einem Feuerwerk endet.
Unter der spiegelnden Maske formt er ein Schlussbild, das seine musikalische wie ästhetische Neuerfindung sichtbar macht und sich über die Erwartungen seiner Fans erhebt. Mit einem „Kommt gut nachhause, ihr kleinen Pisser“ entlässt Cro die Stuttgarter in die Nacht, liebevoller wird es an diesem Abend nicht mehr. Die KI-generierte Frauenstimme erinnert zum Schluss: „Masken sind endlos“ – ein Hinweis darauf, dass die Verwandlung bei Cro wohl niemals enden wird.
Setlist
- Easy
- Nie weg
- Bad Boi
- Blessed
- Dein Song
- Crobot
- Hoch
- Letzter Song
- Kapitel 1
- Hi
- Fkngrt
- 2kx
- Unendlichkeit
- I can feel it (Intro)
- Hi Kids
- Kein Benz
- Erinnerung
- Allein
- Du
- Traum
- Einmal um die Welt
- Meine Gang (Bang Bang)
- Bad Chick
- Easy
- Ein Teil
- Bye Bye
- Fall auf
- Tempo
- Ich liebe…
- Gut aus (Bad Chieff)
- Traum
- Easy (Remix)