Der Hamburgische Badbetreiber Bäderland bekommt eine neue Führung: Auf Dirk Schumaier folgt Susan Zetzmann. Sie übernimmt viele sanierte Anlagen, aber auch einige Herausforderungen – von denen manche allgemein gesellschaftlicher Art sind.
Es ist einer der eher nassen Sommertage in Hamburg, im direkt angrenzenden Freibad-Bereich des Kaifu-Bads ziehen nur wenige Unerschrockene ihre Bahnen. „Wir machen natürlich dennoch auf, aber finanziell sind das keine guten Tage“, sagt Dirk Schumaier. Ihm könnte das jetzt egal sein, nach 13 Jahren an der Spitze des städtischen Unternehmens Bäderland übergibt er zum August die Geschäftsführung an Susan Zetzmann, die er einige Wochen lang in Struktur und Themen des Badbetreibers eingearbeitet hat. Zetzmann leitete zuvor Bäder in Jena, sie ist vom Fach – und doch ist die Metropole für sie in unterschiedlicher Hinsicht ein Sprung ins kalte Wasser.
WELT AM SONNTAG: Frau Zetzmann, wie lernen Sie in diesen Tagen das Unternehmen Bäderland kennen? Schwimmen Sie erstmal in jedem Bad ein paar Runden?
Susan Zetzmann: Ganz so romantisch ist es nicht. Der erste Schritt war, alle Bereiche kennenzulernen. Die ersten Tage habe ich in der Zentrale verbracht, um die Verwaltungs- und Führungskräfte zu treffen, die Strukturen zu verstehen – und natürlich viel mit Herrn Schumaier zu sprechen. Danach habe ich Schritt für Schritt die einzelnen Bäder besucht, die Teams vor Ort kennengelernt und mir ein Bild von den jeweiligen Gegebenheiten gemacht. Im Wasser war ich aber auch schon.
WAMS: Man hört, dass Sie selbst begeisterte Schwimmerin sind. Was bedeutet die Bewegung im Wasser für Sie?
Zetzmann: Sehr viel. Schwimmen ist Gesundheit, Fitness, Sport – aber auch einfach eine wichtige Fähigkeit, die jedes Kind beherrschen sollte. Wasser wird oft unterschätzt, es ist gefährlich. Deshalb ist es wichtig, früh mit der Wassergewöhnung zu beginnen. Schwimmen ist aber auch ein kulturelles Ereignis: Menschen begegnen sich, verbringen ihre Freizeit gemeinsam, alle Altersgruppen kommen zusammen.
WAMS: Die Bedeutung des Schwimmens und der Bäder war in der Corona-Zeit zu spüren, als die Anlagen oft geschlossen waren. Wie blicken Sie heute auf diese Zeit?
Dirk Schumaier: Das war gesellschaftlich schwierig, aber auch personell für uns – der Weg zurück war eine Herausforderung. Wir haben danach die Zahl der Schwimmkurse deutlich erhöht. Die Stadt hat zusätzliche Mittel bereitgestellt, um die entstandene Lücke zu schließen. Zwei Jahrgänge standen quasi vor der Tür, ein dritter kam dazu. Wir haben alles hochgefahren, was möglich war. Natürlich stoßen wir da auch an Grenzen – gute Kursleiter wachsen nicht auf Bäumen. Aber wir haben die Welle jetzt gut abgearbeitet.
Zetzmann: Aus meiner Erfahrung sehen wir aber – auch unabhängig von Corona – dass viele Kinder heute keine Wassergewöhnung mehr haben. Das bleibt ein gesellschaftliches Thema. Deswegen müssen wir früher ansetzen, nicht erst in den Schulen, sondern im Kita-Alter. Dafür erarbeiten wir Konzepte, um zu befähigen, sinnvoll Wassergewöhnung in den Kinderalltag zu integrieren.
WAMS: Am Ende bleibt das aber doch auch eine Aufgabe der Familien, insbesondere der Eltern, oder?
Schumaier: Die Zusammensetzung der Stadtgesellschaft hat sich verändert – in immer häufiger hier vertretenen Kulturen und Religionen gehört Wassergewöhnung nicht zur Tradition. Hier ist Aufklärung gefragt. Eltern müssen verstehen, warum Schwimmen in Hamburg wichtig ist – und dass sie Verantwortung tragen. Das kann nicht allein Aufgabe von Stadt oder sozialen Einrichtungen sein.
WAMS: Manche Ihrer Pressemitteilungen lesen sich mittlerweile wie Beipackzettel zum Schwimmbadbesuch, es gibt explizite Forderungen an die Eltern, ihre Aufsichtspflicht wahrzunehmen …
Schumaier: …weil sich das Verhalten eben verändert hat. Manche Eltern glauben offenbar, sie könnten ihre Kinder im Bad wie in der Kita abgeben. Aber sie haben die Aufsichtspflicht – die ganze Zeit. Viele sind abgelenkt, durch Handys, Social Media. Das führt zu gefährlichen Situationen. Wir sprechen Eltern an, und wenn sie nicht reagieren, müssen sie das Bad verlassen. Unsere Mitarbeiter tragen eine große Verantwortung, ein Badeunfall ist für alle hochbelastend.
WAMS: In anderen Städten gibt es Sicherheitsdienste in Freibädern, weil die Randale und Belästigungen zunehmen. Wie ist das in Hamburg?
Schumaier: Hamburg ist da noch eine Insel der Glückseligen. In Berlin gibt es mobile Polizeiwachen im Freibad – das ist eine andere Welt, die sich bei uns zum Glück nicht so zeigt.
Zetzmann: Aus meiner Sicht provozieren große Security-Trupps auch ungewollt. Wichtig ist, dass die Mitarbeiter wissen, dass im Notfall Unterstützung da ist.
WAMS: Kommen wir zum Thema Preise. Ein Badbesuch in Hamburg ist nicht gerade günstig.
Schumaier: Moment! Wenn man die Preisentwicklung mit der Inflation vergleicht, liegen wir darunter. Auch für uns steigen die Kosten – Material, Dienstleistungen, Vergütungstarife. Irgendwo muss das Geld herkommen. Es ist nicht akzeptabel, dass der städtische Zuschuss immer weiter steigt. Deshalb passen wir die Preise moderat an. Seit 2021 haben wir ein neues Preismodell: Kinder bis zwölf Jahre zahlen nur ein Viertel des regulären Preises, Jugendliche nur die Hälfte. Aber Erwachsene zahlen eben den regulären Tarif. Der allerdings trotzdem immer mit bis zu 18% rabattfähig ist. Oder man wird Mitglied unseres Schwimmclubs, dann kostet – abhängig vom Nutzungsverhalten – ein Besuch umgerechnet nur noch 1,88 Euro pro Tag.
WAMS: In Thüringen gibt es viele Spaß- und Rutschenbäder. Würden Sie die auch gern in Hamburg haben? Die gibt es hier nur im Umland.
Zetzmann: In Thüringen hatten wir 38 solcher Bäder, die alle um Gäste konkurrierten. Das war ein harter Markt. Hamburg ist grundsätzlich gut aufgestellt: Es gibt Angebote für Kinder, tolle Spielbereiche, Wassergewöhnung. Ein klassisches Spaßbad ist nicht Teil des Portfolios. Hier geht es eher darum, bestehende Bäder gut auszustatten und das Portfolio genau anzuschauen. Wenn es um die Entwicklung neuer Standorte geht, wird genau geprüft, welcher Bedarf besteht für Schwimmenlernen, Vereinssport und individuelle Sport- und Freizeitnutzung. Besonders am Herzen liegt mir dabei, auch für die Jüngsten passende Kleinkindbereiche zur Wassergewöhnung vorzuhalten, um ihre individuelle Entwicklung und die Freude am Wasser gezielt zu fördern.
Schumaier: Wir hatten vor einigen Jahren mal überlegt, einen Rutschenpark für Jugendliche zu bauen. Aber das war wirtschaftlich nicht darstellbar. Solche Projekte treiben den Verlustausgleich in die Höhe – und dann stellt sich die Frage, ob man sich alle Standorte noch leisten kann. Wirtschaftlichkeit ist das Fundament für den Erhalt der Bäder.
WAMS: Was heißt Wirtschaftlichkeit bei Bäderland?
Schumaier: Wir reden nicht über Gewinne wie in einem DAX-Konzern. Wenn wir 60 Prozent Kostendeckung erreichen, ist das gut. Der Rest ist Zuschuss. Deshalb müssen wir wirtschaftlich arbeiten – das ist auch Auftrag des Senats und unser Selbstverständnis zum verantwortungsvollen Umgang mit Steuermitteln – denn das ist ja der erwähnte Zuschuss: das Geld der Bürgerinnen und Bürger.
WAMS: Aber Trends und neue Ansprüche muss man ja aufnehmen. Welche sehen Sie?
Zetzmann: Das hängt vom Standort ab. Es gibt Sportbäder, da braucht es keine Sauna. Kombibäder hingegen profitieren von einem kleinen Wellnessbereich oder einem Kinderspielbereich. Man muss sich jeden Standort genau anschauen. Pauschale Lösungen machen keinen Sinn.
WAMS: Herr Schumaier, Ihr großes Projekt war die Grundsanierung der Alsterschwimmhalle. Sind Sie darauf stolz?
Schumaier: Es war ein außergewöhnliches Projekt – und wir haben es im Kosten- und Zeitrahmen geschafft, trotz Corona. Das ist in Hamburg bekanntlich selten. Und es wird hervorragend angenommen. Wir werden im laufenden zweiten Betriebsjahr erneut mehr als 500.000 Gäste haben, diese Marke hatten wir uns für viel später gesetzt. Das zeigt: Wir haben das Richtige gebaut.
WAMS: Sie suchen wie viele andere Dienstleister auch nach Personal, das bei Ihnen ja spezielle Kenntnisse haben muss. Wie weit sind Sie damit gekommen?
Schumaier: Nach Corona war es schwierig. Der Arbeitsmarkt hat sich verändert, unser Beruf ist auf den ersten Blick nicht der attraktivste: Schichtarbeit, Wochenenden, Reinigungsarbeiten. Das ist also ein Thema der gesamten Bäderbranche. Aber wir haben viel getan, etwa mit Social-Media-Kampagnen. Die Lücken sind kleiner geworden. Wir hatten mal 23 Ruhetage pro Woche über alle Standorte, weil die Personaldecke zu dünn war – jetzt sind es weniger als 10. Das ist vertretbar. Wir arbeiten daran auch hier noch mehr an die Zeit von vor 2019 anzuknüpfen, aber Veränderungen werden bleiben, das ist sicher.
WAMS: Was machen Sie jetzt, Herr Schumaier?
Schumaier: Ich gehe zurück nach Heide, wo mein Lebensmittelpunkt ist. Ich kümmere mich um meine Familie und meine Gesundheit. Langweilig wird mir sicher nicht.
WAMS: Und Sie schwimmen sich nach dem Stabwechsel jetzt erst einmal frei?
Zetzmann: Mit Sicherheit. Ich profitiere dabei von der Vorarbeit von Herrn Schumaier und dem ganzen Team, das sehe ich schon jetzt. Bäderland ist sehr gut aufgestellt.