Die gute Nachricht vorweg: Zwischen den Werbeblöcken lief glücklicherweise auch ein wenig Fußball, sodass die RTL-Zuschauer am Samstagabend bei der Zweitliga-Premiere des Privatsenders immerhin alles Sportliche vom 1:5-Debakel der Fortuna auf der Bielefelder Alm mitbekamen. Tiefergehende Analysen und Einordnungen der wichtigsten Szenen fielen allerdings den schier endlosen Verbraucherhinweisen zum Opfer – denn davon gab es eine ganze Menge. Doch der Reihe nach.
Für die kommenden vier Jahre hat das Topspiel der Zweiten Liga eine neue Heimat im Free-TV gefunden. Während der Bezahlsender Sky weiterhin alle 306 Partien der Saison zeigt, und damit ebenfalls das Topspiel am Samstagabend, hat im Free-TV RTL die Übertragungsrechte von Sport1 übernommen. Das Gastspiel von Fortuna bei Arminia Bielefeld war am ersten Spieltag also das Debüt des Kölner Senders. Und worauf sich die Fußballfans in Zukunft gefasst machen müssen, wurde bereits wenige Minuten nach Übertragungsstart klar.
RTL zeigt die kompletten Vorberichte nur auf Youtube
„Das hier ist Bielefeld, das ist das erste Topspiel der Zweiten Bundesliga bei RTL“, begrüßten TV-Moderator Florian König und Experte Felix Kroos die Zuschauer pünktlich um 20.15 Uhr mitten auf dem Rasen der Bielefelder Alm. Im Hintergrund knisterte die Stimmung bereits auf den Rängen, immerhin stand der Aufsteiger nur 15 Minuten vor seinem Zweitliga-Comeback – und das direkt mit einem Kracher gegen Düsseldorf. Doch mehr atmosphärische Eindrücke, Informationen zu den beiden Mannschaften oder Stimmen der Trainer sollte es für die TV-Zuschauer erst einmal nicht geben. Denn nach gerade einmal drei Minuten einleitender Worte gab König schon wieder in die Werbung – mit dem Hinweis, dass die Vorberichterstattung auf Youtube stattfinden würde.
Wie bitte? Auf Youtube? Tatsächlich! Ein Blick auf den kurzerhand zugeschalteten Second Screen verriet, dass auf dem Kanal von RTL Sport bereits seit 20 Uhr von der Bielefelder Alm gesendet wurde. Nur dort gab es dann auch eine ausführliche Vorberichterstattung mit Interviews der beiden Cheftrainer und reichlich Eindrücken der brodelnden Atmosphäre von der Alm. Ganze 1600 Zugriffe verzeichnete der Stream bei Youtube in diesem Moment. Die restlichen 1,44 Millionen Zuschauer, die am Samstagabend auf dem traditionellen Weg bei RTL eingeschaltet hatten, bekamen von all dem nichts mit. Lediglich zwei zusammengeschnittene Interview-Schnipsel von Arminia-Coach Mitch Kniat und Fortunas Trainer Daniel Thioune sahen die Zuschauer kurz vor dem Anstoß im TV-Bild. So belief sich die gesamte Vorberichterstattung auf gerade einmal sechs Minuten.
Noch gravierender gestaltete sich das Programm in der Halbzeitpause. Für nicht einmal 60 Sekunden war Moderator König auf Sendung, um den Zuschauern im Schnelldurchgang die wichtigsten Szenen des ersten Durchgangs zu zeigen: ohne Analyse, ohne Einordnung, ohne Experten-Stimme. Davor und danach – Reklame. Eine Dauerwerbesendung mit Fußball-Unterbrechungen.
Fortuna-Coach Thioune trinkt Wasser – und wir sind live dabei
Nun ist RTL selbstverständlich nicht der einzige Anbieter, der den Kauf teurer Fußball-Übertragungsrechte mit Werbeblöcken gegenfinanziert, auch die Bezahlsender Sky und Dazn – die mit Abopreisen von über 30 Euro im Monat deutlich teurer sind als der Privatsender – zeigen viel Reklame während ihrer Berichterstattung. Eine fast komplette Auslagerung der Vorberichte auf Youtube und ein nahezu kompletter Verzicht auf eine Halbzeitanalyse stellen aber dennoch eine neue Dimension dar. Dabei hatte Inga Leschek, Chief Content Officer von RTL Deutschland, im Vorfeld noch versprochen, dass man den Zweitligisten „eine Bühne“ schaffen wolle, „die den Vereinen gerecht wird.“ Naja.
Während der torreichen Partie, Kostenpflichtiger Inhalt in der sich Aufsteiger Bielefeld nach dem Seitenwechsel gegen zehn Düsseldorfer in einen wahren Rausch spielte, setzte RTL auf das eingespielte Duo aus Kommentator Marco Hagemann und Experte Felix Kroos. Schon bei den Übertragungen der Europa League waren die beiden häufiger gemeinsam auf Sendung und konnten auch am Samstagabend mit ihrer lockeren Art unterhalten. Wenngleich die Analysen von Ex-Profi Kroos an einigen Stellen durchaus mehr Substanz vertragen würden. „Das ist eine Ecke, das ist ein Kopfball. Da muss man nichts erklären“, sagte er beispielsweise beim Bielefelder 3:1 von Joel Felix, der laut Kroos’ Meinung aus der 79. Minute „das Spiel seines Lebens macht“. Der Torschütze war erst zehn Minuten zuvor aufs Feld gekommen.
Eine technische Neuerung bei RTL ist die Trainer-Kamera, die im laufenden Spiel immer mal wieder als eine Art Split Screen dazugeschaltet wurde und die beiden Trainer am Seitenrand filmte. Allerdings übertrieb es die Regie mit dieser neuen Funktion – insbesondere in der ersten Hälfte. Was dazu führte, dass der Zuschauer wichtige Spielszenen in einem kleineren Format gezeigt bekam, weil daneben ein trinkender Thioune oder ein gestikulierender Kniat eingeblendet wurden. Der Mehrwert war überschaubar. Nach dem Seitenwechsel reduzierte RTL diese durchaus nette Neuerung, wenn denn in den richtigen Momenten eignesetzt, auf ein Minimum. Gut so.
RTL erreicht weniger Zuschauer als Sat.1 am Freitag
Der Zweitliga-Start bei RTL lief, wie der sportliche Auftakt der Fortuna, auch hinsichtlich der Quoten durchwachsen. Zwar schalteten mit 1,44 Millionen Zuschauern mehr Menschen ein als in den meisten Fällen der vergangenen Jahre bei Sport1, wo das Topspiel der Zweiten Liga selten die Millionenmarke knackte. Die Marktanteile in der jungen Altersgruppe (14-49 Jährige, 7,8 Prozent) und am Gesamtpublikum (sieben Prozent) blieben aber hinter den Erwartungen zurück. Zumal Konkurrent Sat.1 mit dem Eröffnungsspiel zwischen Schalke und Hertha am Vorabend 2,4 Millionen Zuschauer und damit einen Marktanteil von rund 17 Prozent erreichte.
Für den Kölner Privatsender besteht bei der Übertragung des Zweitliga-Topspiels noch Luft nach oben, sowohl bei den Quoten als auch bei der Qualität der Berichterstattung. Die nächste Chance bietet sich am kommenden Samstag, wenn der FC Schalke 04 auf dem Betzenberg beim 1. FC Kaiserslautern gastiert.