Mehrere Städte in Deutschland starten eine Initiative zur Aufnahme traumatisierter Kinder aus Israel und aus Gaza – und rufen nach Unterstützung des Bundes. Das löst Meinungsverschiedenheiten zwischen Union und SPD aus.

Eine Initiative deutscher Städte zur Aufnahme traumatisierter Kinder aus Israel und aus dem Gaza-Streifen sorgt für Uneinigkeit in der schwarzen-roten Koalition. Hannover wie auch Düsseldorf haben sich bereit erklärt, jeweils 20 Kinder aufzunehmen, um sie ärztlich und psychologisch zu versorgen.

Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) sagte, die Stadt könne Unterbringung und Begleitung vor Ort sicherstellen, benötige aber politische Unterstützung von Bundesseite für Einreiseverfahren, Auswahl und medizinische Koordination. Andere Städte hätten sich bereits für eine Beteiligung an ähnlichen Programmen interessiert. Sobald der Bund den rechtlichen Rahmen schaffe, könnten weitere Kommunen folgen.

Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag zeigte sich reserviert. „Wenn ein Aufenthalt zur medizinischen Behandlung in Deutschland erforderlich ist, gibt es nach heutigem Recht bereits Aufnahmemöglichkeiten“, sagte Fraktionsvize Günter Krings (CDU) WELT und fügte mit Blick auf Gaza hinzu: „Im Übrigen sollten wir die arabischsprachigen Länder des Nahen und Mittleren Ostens bei der Aufnahme von Kindern unterstützen, anstatt sie weit weg nach Europa zu bringen.“

Offen für eine Unterstützung der Städte-Initiative zeigt sich hingegen der Koalitionspartner. „Wir begrüßen als SPD-Fraktion, dass sich viele der Initiative anschließen“, sagte der SPD-Außenpolitiker Adis Ahmetovic. Es sei ein wichtiges internationales Zeichen von Solidarität, das diese Kommunen setzten. „Nun muss das Auswärtige Amt, das für medizinische Evakuierungen zuständig ist, die entsprechenden Schritte einleiten und das Bundesinnenministerium eine zentrale Verteilung organisieren.“ Bisher sei es Ländern wie Spanien, Frankreich und Norwegen ebenfalls gelungen, schwer verletzte Kinder aus dem Kriegsgebiet holen. „Diesem Vorbild sollten wir nachgehen.“

Der stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende Markus Frohnmaier wies die Forderung aus Hannover zurück: „Deutschland ist voll. Wir sind an unserer Belastungsgrenze – personell, finanziell und gesellschaftlich.“ Deshalb brauche es konsequente Abschiebungen statt weiterer Aufnahmeprogramme. „Die Verantwortung liegt in der Region. Arabische und islamische Staaten sind gefordert, ihrer humanitären Verantwortung gerecht zu werden. Auch Israel muss in Verantwortung genommen werden und einen Beitrag leisten.“ Solidarität beginne vor Ort – nicht in überforderten deutschen Kommunen.

Der Grünen-Innenpolitiker Marcel Emmerich hingegen unterstützte den Ruf nach Hilfe des Bundes. Die Initiativen aus Hannover und Düsseldorf zur Aufnahme traumatisierter Kinder aus Gaza und Israel seien ein starkes Zeichen gelebter Humanität. Die Städte handelten dort, wo akute Hilfe dringend nötig sei. „Der Bund sollte weitere Schritte gehen und sich in europäischer Abstimmung weiter engagieren. Es ist wichtig, dass der Bund die Städte nicht alleinlässt, sondern hilft, damit die Kinder in Deutschland gut ankommen.“

Die Linke will indes weitergehen. „Dass einzelne Städte einige Kinder aufnehmen wollen, ist gut, denn jeder gerettete Mensch zählt. Aber was ist mit deren Eltern und Geschwistern?“, fragte Linke-Fraktionsvize Clara Bünger. „Auch sie sollten ein Leben in Sicherheit und Würde führen können. Was ist mit den Zehntausenden, die getötet, verletzt oder für immer traumatisiert wurden?“ Es brauche jetzt mehr als symbolische Gesten. „Das Morden muss enden. Israel muss seine Angriffe sofort stoppen.“

Der Bund sollte rechtliche Rahmenbedingungen für die Aufnahme der Kinder in den Städten schaffen, forderte Bünger. Davon sei aber nicht auszugehen, denn die Bundesregierung habe gerade erst angekündigt, dass es keine Aufnahmeprogramme mehr geben solle, und das Aufnahmeprogramm Afghanistan gestoppt. „Das ist aus unserer Sicht der völlig falsche Weg. Die Menschen haben ein Recht auf Schutz. Die Bundesregierung darf vor dem unermesslichen Leid nicht weiter die Augen verschließen.“ Notwendig seien mehr legale Fluchtwege und ein Ausbau von humanitären Bundesaufnahmeprogrammen.

Claudia Kade ist Politik-Chefin bei WELT.