Deniz Undav gelangen im Trainingslager einige sehenswerte Tore. Foto:
Der Publikumsliebling präsentiert sich spritzig und spielfreudig wie lange nicht. Wie der Trainer auf seinen Stürmer blickt und wo sich die VfB-Offensive zuletzt entwickelt hat.
Einige Male kam es schon vor, dass im Trainingslager des VfB Stuttgart ein Raunen durch die Zuschauerreihen ging. Und oft, eigentlich immer, war Deniz Undav der Auslöser. Mit überraschenden Aktionen, schnell ausgeführten Freistößen, Fernschuss-Treffern über verdutzte Hintermannschaften hinweg. „Ein, zwei Deniz-Undav-Tore“ hatte Cheftrainer Sebastian Hoeneß in den Tagen am Tegernsee mit Freude zur Kenntnis genommen – wobei der Führungstreffer im abschließenden Test gegen den französischen Erstligisten FC Toulouse (6:0) nicht in diese Kategorie fiel, sondern fast schon schmucklos daherkam: Eine scharfe Hereingabe von Atakan Karazor fand Undav, der hielt den Fuß hin, 1:0. Ins Gesamtbild fügte sich das Tor dennoch, der Nationalstürmer präsentierte sich spritzig und spielfreudig.
Das blieb auch am Spielfeldrand nicht unbemerkt. Und so tat der Trainer im Anschluss etwas, was er eigentlich selten tut. Er hob einen einzelnen Spieler explizit hervor. „Deniz kann man jetzt wirklich mal nennen“, sagte Hoeneß, „der spielt bisher eine echt gute Vorbereitung. Er ist in einer guten Verfassung, das ist echt erfreulich. Er kommt körperlich sehr gut daher – und die anderen Dinge hat er eh drin.“
Diese anderen Dinge, den fußballerischen Instinkt und Torriecher etwa, brachte Undav vor allem in der Vizemeister-Saison 2023/24 in großer Regelmäßigkeit auf den Platz. 18 Tore und zehn Vorlagen wies die Statistik im Anschluss aus. Nun war die danach folgende Delle längst nicht nur bei Undav zu verzeichnen, die gesamte Mannschaft tat sich schwerer – und doch wurde gerade Undav in der Vorsaison zu einem Sinnbild fehlender Leichtigkeit, zeigte sich selbst unzufrieden, fand phasenweise kaum Bindung zum Spiel und blieb über Wochen ohne Tor.
Sebastian Hoeneß: „Wir sind in der Spur“
All das ist im Hier und Jetzt weit weg, der Status quo bildet ein Kontrastbild. Und das nicht ausschließlich bei Undav – der Stürmer ist nur ein exponierter Vertreter einer Offensive, die dabei ist, sich zu finden. Sechs Tore erzielten die Stuttgarter gegen Toulouse, alle aus dem Spiel heraus, fast alle durch Offensivakteure. Neben Undav trafen Flügelstürmer Chris Führich aus der Distanz, Neuzugang Lazar Jovanovic per Kopf, der eingewechselte Ermedin Demirovic per Doppelschlag, zudem der aufgerückte Verteidiger Jeff Chabot. Und: Gelegenheiten für mehr Treffer waren durchaus vorhanden.
Das hatte vor einer Woche noch ganz anderes ausgesehen. Der Test gegen Celta Vigo (2:1) verlief zäh und umkämpft, war geprägt von Chancenarmut und wenigen Tempowechseln im Stuttgarter Spiel. Die gab es nun im Spiel gegen Toulouse, in dem der VfB Ballbesitz mit Zielstrebigkeit paarte und immer wieder Tiefe suchte. „Ich habe ein bisschen mehr Frische gesehen, ein bisschen mehr Spielwitz im letzten Drittel“, sagte Hoeneß. Sein Fazit: „Ja, ich glaube, wir sind da einen Schritt weiter.“
Trugen sich gegen Toulouse beide in die Torschützenliste ein: Chris Führich und Deniz Undav. Foto: Pressefoto Baumann
Es liegt auf der Hand, diesen Schritt als Folge des Trainingslagers in der vergangenen Woche zu sehen. An kaum etwas feilte die Mannschaft am Tegernsee mehr als am Ausspielen des eigenen Ballbesitzes und dem Kreieren von Torchancen, Spielformen in allen Variationen prägten das tägliche Bild: Elf gegen elf, fünf gegen fünf, Übungen zur Spieleröffnung und -verlagerung, all das begleitet von einem immer wieder eingreifenden Cheftrainer. Am Spielstil unter Sebastian Hoeneß, das ist längst zu sehen, soll und wird sich also auch in der kommenden Saison nichts Grundlegendes ändern. Viel Ballbesitz, flache Kombinationen von hinten nach vorne, gerne durchs Zentrum, gepaart mit einer Verlagerung zur rechten Zeit – in all diesen Bereichen sind die Stuttgarter gerade dabei, die Automatismen wieder zu erarbeiten und einzuschärfen.
Nun muss natürlich erwähnt werden, dass der jüngste Gegner aus Südfrankreich hierbei nicht die größte Gegenwehr leistete, vor allem gegen Ende nach zahlreichen Wechseln nicht mehr. „Man darf das Spiel nicht überbewerten“, sagt auch der Stuttgarter Cheftrainer, „den Gegner muss man schon auch berücksichtigen.“ Der Trend aber stimmt knapp zwei Wochen vor dem ersten Pflichtspiel im Supercup gegen den FC Bayern. „Wir sind in der Spur“, sagt Hoeneß. Das gilt nicht zuletzt auch für Deniz Undav.