Versprochen sind von der Bundesregierung 100 Milliarden Euro für Länder, Städte und Gemeinden. Eine davon sollte nach München gehen, so die Hoffnung in der Landeshauptstadt. Doch es könnte sein, dass in der größten Kommune Deutschlands am Ende kein einziger Cent aus dem sogenannten Investitions-Booster ankommt. Das fürchtet jedenfalls der Münchner Stadtrat und hat deshalb Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) beauftragt, in Verhandlungen mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) ein solches Szenario unbedingt zu verhindern.
„Das werde ich gerne als einstimmiges Votum des Münchner Stadtrats mitnehmen“, sagte Reiter. Erst im Juli hatte das Bundeskabinett den Gesetzesentwurf vorgelegt, in dem die Verteilung von 100 Milliarden Euro für Schulen, Straßen oder den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs festgelegt ist. Im Vergleich zu vorherigen Entwürfen fehlt nun aber eine entscheidende Passage: Es gibt keinen fixen Anteil für die Kommunen mehr. Im vorigen Entwurf hätten die Bundesländer 60 Prozent der Summe verpflichtend an Städte und Gemeinden weitergeben müssen.
Nach aktuellem Stand darf jedes Land selbst bestimmen, welche Stadt oder Gemeinde wie viel bekommt. Knapp 16 Milliarden dürfte der Freistaat in einer Laufzeit von zwölf Jahren erhalten. Wie das für München ausgehen könnte, hat Kämmerer Christoph Frey (SPD) in der jüngsten Vollversammlung des Stadtrats erklärt. Aus seiner Sicht sind vier Szenarien möglich, nach welchen Kriterien die Verteilung in Bayern laufen könnte. Im schlimmsten Fall, sagte er, werde München leer ausgehen.
Das könne eintreten, wenn der Freistaat die Zuschüsse vom Bund nach den Vorgaben des Bayerischen Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Staat, Gemeinden und Gemeindeverbänden verteilt. Dann könnte die Staatsregierung das Geld ausschließlich dorthin leiten, wo sie es für notwendig erachtet. In München fürchtet die Politik nun, dass Ministerpräsident Söder in einem solchen Fall eher nicht gleich an seine Landeshauptstadt denken könnte. Oder dass er mit dem in der Stadt sehnlichst erwarteten Geld mögliche anfallende Kosten des Landes für den Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke ausgleicht.
Bis zur Änderung des Gesetzesentwurfs in Berlin hatte der Münchner Kämmerer noch gehofft, dass jährlich eine Tranche von 80 bis 100 Millionen Euro in der Stadt ankommt. Basis dieser Rechnung war grob gesagt die Umrechnung des Zuschusses auf die Einwohnerzahl der jeweiligen Kommune. In der Summe hätte die Stadt damit bei der vereinbarten Laufzeit von zwölf Jahren Investitionen von etwa einer Milliarde Euro bezahlen können.
Eher pro forma listete der Kämmerer noch zwei unwahrscheinliche Luxusszenarien auf. Würde der Freistaat sich nach dem Verhältnis richten, in dem Kommunen und die anderen staatlichen Ebenen investierten, könne München sogar 150 Millionen Euro pro Jahr erhalten. Die Kommunen stemmen in Deutschland 80 Prozent der Investitionen. Würde das Land dazu noch neue Möglichkeiten bei der Schuldenaufnahme ausreizen, könnte es dazu sogar noch einen Betrag X drauflegen, rechnete Frey im vierten Szenario vor.
Dass dieses eintritt, glaubt in München allerdings niemand. Oberbürgermeister Reiter nahm die Diskussionen über den Investitions-Booster des Bundes zum Anlass, erneut die aus seiner Sicht unfaire Verteilung der Finanzmittel in Deutschland anzuprangern. „Grundsätzlich ist das Finanzierungsmodell Bund-Land-Kommunen an die Grenzen gelangt“, sagte er im Stadtrat. „Das funktioniert so nicht mehr.“
Die Bürgermeister wollen zusammen nach Berlin reisen
Es müsse künftig verhindert werden, dass der Bund immer neue Rechtsansprüche für die Bürger beschließe, die von den Kommunen umgesetzt werden müssten. „Das geht nicht, dass er ständig Aufgaben verlagert, aber die notwendige Finanzierung nicht gewährleistet“, sagte der Oberbürgermeister. Als Beispiele nannte er das Recht auf einen Kitaplatz oder auf Ganztagsbetreuung. Damit die Anliegen der Städte und Gemeinden in der Gesetzgebung nicht zu kurz kommen, hatte Reiter vor der Kabinettsbildung vergeblich für einen Kommunalminister plädiert.
Um sich in der aktuellen Finanzkrise der Städte und Gemeinden Gehör zu verschaffen, will der Münchner Oberbürgermeister nun die Offensive ergreifen. Und das nicht alleine: Mit etwa 30 bis 40 bayerischen Bürgermeistern werde er schon bald nach Berlin reisen, kündigte er im Stadtrat an. „Wir werden uns mit den zuständigen Fachministern darüber unterhalten, dass die Finanzierung, wie sie jetzt ist, nicht mehr funktionieren kann.“
Eine Neuausrichtung sei zwischen allen staatlichen Ebenen nötig, sagte Reiter im Stadtrat. Das darf man auch als Ansage an den Freistaat verstehen, mit dem die Stadt wegen zweier Steuern gerade im Streit liegt. München würde sehr gerne eine Abgabe für Touristen einführen, mit der Kämmerer Frey laut eigenen Berechnungen im Jahr etwa 120 Millionen Euro einnehmen würde. Dazu wollten Teile der Stadtpolitik eine Steuer auf Einweg-Verpackungen einführen. Beides untersagte Söders Landesregierung. Gegen das Verbot der Übernachtungssteuer geht München gerichtlich vor.
Den Anstoß für den Stadtratsbeschluss, der Reiter nun zu Verhandlungen mit dem Freistaat über das Geld aus dem Investitions-Booster ermächtigt, gab die SPD-Fraktionsvorsitzende Anne Hübner. „Große Metropolen haben andere Erfordernisse als kleinere Dörfer, deshalb hängen wir umso mehr daran, was der Freistaat tut“, warb sie um Verständnis für die Belange Münchens. Und sie hinterlegte auch noch den Wunsch, was bei einem Gespräch zwischen Reiter und Söder herauskommen könnte. „Kein Gegeneinander neun Monate vor der Kommunalwahl, sondern ein Miteinander von München und Freistaat.“