Das Alte Esslinger Rathaus en miniature: Mit Streichhölzern wurde das Wahrzeichen am Rathausplatz nachgebaut. Das Original wurde um 1422 errichtet und diente zunächst als städtisches Kauf- und Steuerhaus. Foto: Michael Saile
Auch im Kleinformat kommt das Esslinger Wahrzeichen groß raus: Mit etwa 9000 Streichhölzern hat Hans Csavajda das historische Gebäude nachgebaut.
Zum Anzünden von Kerzen oder Zigaretten sind Streichhölzer viel zu schade, meinte Hans Csavajda. Der inzwischen verstorbene Werkzeugdreher aus Denkendorf benutzte Zündhölzer daher als Bauelemente. Mit viel Geduld und Geschick hat er damit von den 1990er bis in die 2000er Jahre hinein etwa 40 Gebäude aus der Region nachgebaut. Auch ein Modell des Alten Esslinger Rathauses en miniature ist so entstanden. Das Kunstwerk ist ab Dienstag, 5. August, im Stadtmuseum Gelbes Haus in Esslingen zu sehen.
Bei der Suche nach passendem Baumaterial ging Hans Csavajda akribisch vor. Nicht jedes Zündholz eignete sich für seine ehrgeizigen Konstruktionspläne. Christiane Benecke von den Städtischen Museen hat durch Recherche und die Suche auch in alten Ausgaben der Eßlinger Zeitung herausgefunden, dass der Baumeister nur etwa zehn Streichhölzer aus einer Schachtel für seine Arbeit verwenden konnte. Ausgewählt wurden Exemplare mit einem exakten, quadratischen Querschnitt und einem schnurgeraden Verlauf. Die krummen Dinger waren für den Modellbau ungeeignet.
Ein Schmuckstück: das Alte Rathaus in Esslingen. Foto: IMAGO/Peter Schickert
Doch die Zündhölzer, die für bautauglich befunden wurden, wurden präzise aneinander gefügt und dann miteinander verleimt. Auf den ersten Blick würden die Streichholz-Reihen wie kleine Brettchen wirken, meint Christiane Benecke: „Erst bei genauem Hinsehen wird erkennbar, wie fein die einzelnen Elemente gearbeitet wurden“. Gut 9000 Zündhölzer wurden laut ihren Angaben zu dem Modell des Alten Rathauses verarbeitet. Allein für die Dachziegel wurden 2800 Einzelelemente gebraucht. Das hölzerne Modell ist knapp 50 Zentimeter lang und entspricht damit etwa dem Verhältnis 1 zu 76, einem gängigen Maßstab für Schiffs- und Fahrzeugmodelle.
Baumeister gönnte sich künstlerische Freiheiten beim Esslinger Rathaus
Allerdings hat sich der Erbauer auch künstlerische Interpretationsfreiheiten herausgenommen. Die kleinen Figuren, die sich auf dem Vorplatz seines Rathaus-Modells tummeln, stammen laut Christiane Benecke aus dem Modellbahn-Zubehör für die Spurweite H0: „Sie entsprechen damit einem Maßstab von 1 zu 87. Das Rathaus wirkt durch die kleinen Menschen weitaus wuchtiger, als es eigentlich ist.“ Noch imposanter wird das modellierte Bauwerk dadurch, dass die Proportionen der Streichholz-Konstruktion nicht ganz stimmig seien: „Das Modellgebäude streckt sich weiter in die Höhe als das Original.“
Liebevoll hat der Baumeister die Erker, Fensternischen und Verzierungen des Alten Rathauses nachgebildet. Für einen Hektiker, Zappelphilipp oder unruhigen Charakter wäre die Arbeit eine Qual gewesen. Doch Hans Csavajda hat dieses Hobby geliebt. Sein Vater habe in der Tat eine schier unerschöpfliche Geduld gehabt, sagt Sohn Peter Csavajda – im alltäglichen Leben wie bei seinen Modellen. Unendlich viel Mühe habe sich der 1930 Geborene mit seinen Bauten gegeben.
Von der Skizze bis zum Bau – alles hat Hans Csavajda selbst gemacht
Alles habe er selbst gemacht, berichtet der Sohn: Mit seinem Zeichenblock habe er sich vor Gebäude gesetzt, die ihm gefallen haben. Er habe die Auserwählten abgezeichnet, Skizzen aus verschiedenen Perspektiven angefertigt und sich anschließend ans Bauen gemacht: „Dann hat er sich in seinen Hobbyraum zurückgezogen und losgelegt.“ Sein Vater sei aber keiner gewesen, der sich unter Vernachlässigung aller menschlichen Bindungen nur mit diesem Hobby beschäftigt hätte. Er habe auch andere Freizeitaktivitäten wie das Reisen gehabt.
Gut ein Jahr hat Hans Csavajda nach Schätzungen seines Sohnes an dem Modell des Alten Esslinger Rathauses gearbeitet. In diese Zeitspanne sei auch die Anfertigung der Skizzen miteingerechnet. Während seiner Berufstätigkeit als Werkzeugdreher bei Festo habe sein Vater noch weniger Zeit für seinen geliebten Modellbau gehabt. Doch nach dem Eintritt in die Rente habe er sich mit viel Begeisterung diesem Hobby gewidmet.
Von den „Miniaturwelten Stuttgart“ ins Esslinger Stadtmuseum
Was er mit viel Einsatz geschaffen hatte, wollte Hans Csavajda auch um sich haben. Seine fertigen Modelle habe sein Vater in seinen Hobbyraum gestellt, sagt der Sohn. Als Hans Csavajda mit 81 Jahren verstarb, so Peter Csavajda, habe er einen Teil der Nachbauten den „Miniaturwelten Stuttgart“ zur Verfügung gestellt. Das Alte Rathaus habe sich auch zunächst dort befunden, aber er habe es nun an die Städtischen Museen Esslingen weiter gegeben – den Ort, an dem das kunstvoll modellierte Gebäude auch steht. Nachgebaut hat Hans Csavajda, was ihm gefiel. Auch das Kloster, das Rathaus oder Gaststätten in Denkendorf, zählt sein Sohn auf.
Christiane Benecke von den Städtischen Museen Esslingen. Foto: Roberto Bulgrin
Modelle verschönerten Hans Csavajda also das Rentnerdasein. Der Begriff „Modell“, so Christiane Benecke, leite sich vom lateinischen Wort „Modulus“ ab, einer Verkleinerungsform von „Modus“ mit der Bedeutung Maß, Art und Weise. Hans Csavajda wird dieser wissenschaftliche Hintergrund herzlich egal gewesen sein: Er hatte wohl einfach nur Spaß am Bauen, am präzisen Arbeiten und am Gestalten.
Modelle aus Esslingen
Ausstellung
Bis Sonntag, 19. Oktober, läuft im Stadtmuseum Gelbes Haus die Ausstellung „Modellwelten und Weltmodelle aus Esslingen“. Gezeigt werden Stadt- und Architekturmodelle, Miniaturwelten oder Kartonmodellbögen des Verlags J. F.Schreiber. Das Gelbe Haus hat dienstags bis donnerstags von 9 bis 17 Uhr, freitags und samstags von 13 bis 17 Uhr sowie sonn- und feiertags von 11 bis 17 Uhr geöffnet.
Exponat
Unter dem Titel „Historische Schätze“ zeigen die Städtischen Museen Esslingen Objekte und Neuerwerbungen. Zudem werden Schätze aus dem Fundus des Stadtarchivs und des Esslinger Geschichts- und Altertumsvereins präsentiert. Die Objekte sind vom ersten Dienstag des Monats an im Gelben Haus am Hafenmarkt zu sehen. Mehr unter: www.museen.esslingen.de .