Schiffscontainer im Hafen von Guangzhou in der südchinesischen Provinz Guangdong [AP Photo/Ng Han Guan]

Das Dekret, mit dem US-Präsident Trump vergangene Woche umfassende Zölle gegen fast alle Handelspartner der USA verhängt hat, leitet ein neues Stadium im Zerfall des amerikanischen und globalen Kapitalismus ein.

Die USA sind nun von einer Zollmauer umgeben, die jener aus der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre gleicht. Die damaligen Folgen waren katastrophal. Die Zölle trugen wesentlich dazu bei, die Voraussetzungen für den Zweiten Weltkrieg zu schaffen, das schlimmste Blutbad der Menschheitsgeschichte.

Die Folgen des Wirtschaftskriegs, den Trump gegen die ganze Welt führt, werden nicht weniger gravierend sein. Die schweren Konflikte auf dem Gebiet der Wirtschaft, die damit unmittelbar in Gang gesetzt werden, münden unweigerlich in Kriege.

Die Lage ist womöglich noch ernster als in den 1930er Jahren. Damals bestand der Welthandel vor allem aus dem Austausch von Rohstoffen und Endprodukten. Die Produktion selbst fand weitgehend innerhalb nationaler Grenzen statt.

Heute gibt es kein Produkt mehr, das vollständig in einem einzigen Land hergestellt wird. Jede Ware – ob einfach oder komplex – entsteht durch weltweite Zusammenarbeit. Die Weltwirtschaft ist zu einem zusammenhängenden System geworden, und auch die Arbeiterklasse ist international verbunden.

Diese Entwicklung, die Globalisierung der Produktion und die Schaffung weltweiter Lieferketten, hat einen zentralen Widerspruch des Kapitalismus verschärft: den Widerspruch zwischen der globalen Wirtschaft und der Aufteilung der Welt in rivalisierende Nationalstaaten und imperialistische Mächte.

Trumps Maßnahmen bedeuten die völlige Zerstörung der Handelsordnung, die nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen wurde und mit der die Fehler der 1930er Jahre vermieden werden sollte. Tatsächlich erklärte ein Vertreter seiner Regierung: „Dies ist ein neues Handelssystem.“

Um nichts anderes geht es. Um Trumps Maßnahmen zu verstehen, muss man sie in ihren historischen Zusammenhang stellen.

Die Nachkriegsordnung beruhte auf dem Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen. Dies sollte nicht nur das Wachstum fördern, sondern hatte auch eine geopolitische Bedeutung. Man wusste aus den 1930er Jahren, dass eine Weltwirtschaftsordnung, in der jedes Land seine nationalen Interessen durch Zölle und andere protektionistische Maßnahmen durchzusetzen versucht, zwangsläufig zu militärischen Auseinandersetzungen führt.

Das Nachkriegssystem stützte sich auf die wirtschaftliche Vormachtstellung der USA, die ihre industrielle Stärke nutzten, um den Weltmarkt wieder aufzubauen. Doch dieser „Pax Americana“ wohnte ein unlösbarer Widerspruch inne.

Gerade der Wiederaufbau und die folgende Ausweitung der Weltwirtschaft untergruben nach und nach die Vormacht der USA. Dieser lange quantitative Niedergang ist nun an einem qualitativen Wendepunkt angelangt: Die USA sehen sich nicht nur alten Konkurrenten wie Europa und Japan gegenüber, sondern auch neuen wie China.

Der von Trump begonnene Wirtschaftskrieg ist nicht das Produkt eines verwirrten Geistes oder allein das Werk seiner rechtsradikalen Berater.

Er ist Ausdruck einer existenziellen Krise des US-Imperialismus, die lange vor Trumps Amtszeit eingesetzt hat.

Diese Krise zeigt sich im Wandel der USA von der führenden Industrienation hin zu einem Zentrum des spekulativen Finanzkapitals. Das wurde sichtbar in mehreren Krisen – vom Börsenkrach 1987 über das Platzen der Dotcom-Blase und die Finanzkrise 2008 bis hin zum Einfrieren des Anleihemarkts im März 2020 zu Beginn der Pandemie.

Der US-Imperialismus hat kein wirtschaftliches Konzept zur Lösung dieser Krise. Daher greift er zu Zwangsmaßnahmen.

Der militaristische Charakter von Trumps Zollkrieg kommt auch im Wortlaut seines Dekrets deutlich zum Ausdruck.

Darin wird der angebliche Mangel an „Gegenseitigkeit“ durch andere Staaten beklagt. Dies schade „der heimischen Industrie, den Lieferketten und der eigenen Rüstungsproduktion“.

Wiederholt wird betont, dass Länder, die mit den USA Handel treiben wollen, sich der US-Politik „in wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Fragen“ anschließen müssen. Mit anderen Worten: Sie sollen sich vollständig dem Machtanspruch der USA unterordnen, besonders im Kampf gegen China. Andernfalls drohen wirtschaftliche Schikanen.

Indien etwa wird von Trump angeprangert, weil es „russisches Öl und russische Waffen“ kauft.

Am deutlichsten zeigen sich Trumps wahre Absichten im Fall Brasiliens: Dort verhängte er einen Strafzoll von 50 Prozent, obwohl Brasilien eines der wenigen Länder ist, mit denen die USA einen Handelsüberschuss verzeichnen.

Der Grund für den Strafzoll gegen Braslien besteht in der Strafverfolgung des Trump-Verbündeten Jair Bolsonaro, der wegen seines Putschversuchs im Januar 2023 angeklagt wurde. Zudem gehört Brasilien dem Bündnis der BRICS-Staaten an, die ein Finanzsystem jenseits des US-Dollars aufbauen wollen.

Trump hat mehrfach erklärt, dass ein Verlust der Vormachtstellung des Dollars – ohne die das Verschuldungsniveau der USA nicht mehr tragbar wäre – einer Kriegsniederlage gleichkommen würde.

Schon vor knapp einhundert Jahren erklärte Leo Trotzki, dass die Vorherrschaft des US-Imperialismus nicht in Zeiten des Aufschwungs, sondern in Krisenzeiten am klarsten hervortreten werde.

Diese Warnung hat sich bewahrheitet. Trumps sogenannte „Deals“ sind keine Verhandlungslösungen, sondern Diktate, denen sich andere Länder beugen müssen, wenn sie nicht mit schweren Sanktionen belegt werden wollen.

David North

30 Jahre Krieg: Amerikas Griff nach der Weltherrschaft 1990–2020

Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.

Ein besonders deutliches Beispiel ist das Abkommen mit der EU. Diese gab unter dem Druck der Androhung von US-Zöllen nach, die ihr den Zugang zum amerikanischen Markt versperrt hätten.

Die EU wich zurück, weil sie auf einen umfassenden Handelskrieg noch nicht vorbereitet ist. Doch der Deal wurde allenthalben als Kapitulation gewertet. Frankreichs Premierminister François Bayrou sprach von „Unterwerfung“.

Trotz gegenteiliger Beteuerungen der EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen wissen die europäischen Eliten, dass dies erst der Anfang ist. Die USA wollen sich die EU vollständig untertänig machen. Auch Japan ist betroffen. Doch die Rivalen des US-Imperialismus werden sich nicht auf Dauer widerstandslos in den Staub werfen.

Die Saat für einen neuen imperialistischen Krieg ist nicht nur gesät – sie beginnt bereits zu keimen.

Im 20. Jahrhundert führte der deutsche Imperialismus zweimal Krieg gegen die USA, und Japan kämpfte im Zweiten Weltkrieg um die Vorherrschaft im Pazifik. Diese Konflikte wurden nach dem Zweiten Weltkrieg reguliert. Doch nun ist das Fundament der Nachkriegsordnung zerstört, und die alten Widersprüche brechen wieder auf.

Es gibt allerdings einen entscheidenden Unterschied zur Situation in den 1930er Jahren, den die Arbeiterklasse verstehen muss, um sich den enormen Gefahren zu stellen, die heute drohen.

Damals war die Arbeiterklasse nach schweren Niederlagen, vor allem durch Hitlers Machtübernahme, geschwächt. Heute ist sie nicht besiegt oder entmutigt. Weltweit gibt es eine wachsende Bewegung nach links, eine zunehmende Ablehnung des Kapitalismus und vor allem bei jungen Menschen ein Interesse an einer sozialistischen Lösung.

Die wichtigste Aufgabe besteht darin, dieser Bewegung eine klare Perspektive zu geben. Sie muss erkennen, dass die Krise nicht einfach von Trump ausgeht, sondern vom historischen Bankrott des Kapitalismus und seines Staatensystems.

Die Lösung kann nur in einer internationalen Perspektive liegen, die die Arbeiterklasse weltweit politisch vereint und für ein sozialistisches Programm mobilisiert – unter dem Leitsatz: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land.“

Für die amerikanische Arbeiterklasse heißt das, dass sie den Kampf gegen Trumps nationalistische Politik aufnehmen muss. Seine Zölle werden Amerika nicht zu neuer Größe verhelfen und den Arbeitern nicht zugutekommen. Im Gegenteil: Sie verteuern die Produktion und werden die Unternehmen dazu veranlassen, Arbeitsplätze zu streichen und Löhne zu drücken, um die Profite zu sichern.

Auch weltweit müssen Arbeiter der Vorstellung entgegentreten, mit einem nationalen Programm auf den US-Wirtschaftskrieg zu reagieren. Das ist kein Ausweg, sondern bedeutet die Unterstützung der „eigenen“ herrschenden Klasse und führt in die Katastrophe.

Die Perspektive der sozialistischen Weltrevolution, wie sie nur das Internationale Komitee der Vierten Internationale vertritt, ist keine Utopie. Angesichts des Todeskampfs des Kapitalismus, der in Trumps Krieg zum Ausdruck kommt, ist sie die einzige realistische Lösung. Die entscheidende Aufgabe ist der Aufbau der politischen Führung, die notwendig ist, um dafür zu kämpfen.