120 Patienten, 240 Mitarbeiter

Hinsichtlich ihres Konzepts und ihrer Organisation ist die Betreuungsstätte für Alzheimer-Patienten in Dax, 150 Kilometer südlich von Bordeaux, bislang einzigartig in Frankreich. Die Atmosphäre wirkt dörflich, auf dem zentralen Platz stehen ein Bistro und ein Friseur. Im Supermarkt, der von Ehrenamtlichen geführt wird, ist alles kostenlos.

Die 120 Patienten, die in Wohngemeinschaften in 16 Häusern leben, sollen möglichst nach ihrem eigenen Rhythmus leben. Morgens werden sie nicht geweckt, auch über ihre Esszeiten entscheiden sie selbst. Wer möchte, darf eigene Möbel mitbringen. Verlässt ein Bewohner nachts sein Haus, wird das Personal über Bewegungsmelder alarmiert.

Es besteht aus 120 Pflegekräften, 120 Ehrenamtliche kommen noch hinzu. Die Medikamentenvergabe wird auf ein Minimum reduziert. Eine Patientin weigert sich, das Glas Wasser zu trinken, in dem der Pfleger Valentin Chu ihre Tabletten aufgelöst hat. „Das ist für Ihre Gesundheit, ein bisschen Wasser mit Ihren Morgentropfen“, versichert er. „Welche Tropfen?“, fragt sie misstrauisch zurück. Nein, das trinke sie nicht. Chu zwingt sie nicht.

Niederländisches Alzheimerdorf als Modell

Das Modell für das „Village Landais“ stammt aus den Niederlanden. Nachdem der damalige Präsident des Départementsrats, Henri Emmanuelli, 2013 eine Reportage über das Demenzdorf „De Hogeweyk“ in Weesp bei Amsterdam gesehen hatte, stieß er ein ähnliches Projekt in seiner Region an. 

Das Dorf eröffnete 2020 und ist Teil eines Experiments des staatlichen wissenschaftlichen Instituts Inserm. Ende 2023 sprach die Professorin und Spezialistin für Neurowissenschaften Hélène Amieva von „sehr ermutigenden ersten Ergebnissen“ einer Studie, die noch läuft. In den ersten sechs oder manchmal zwölf Monaten nach ihrer Ankunft komme es bei den Patienten zu keinem Abbau ihrer kognitiven Fähigkeiten, Angstgefühle oder depressive Symptome nähmen nicht zu.

Rund 1,2 Millionen Menschen sind in Frankreich an Alzheimer erkrankt und wie in allen europäischen Ländern steigt der Bedarf an Pflegestätten. Jene in Dax sticht dabei heraus. Sie bekomme sehr viele Presseanfragen aus dem In- und Ausland, sagt Mathilde Charon-Burnel, zuständig für medizinisch-soziale Projekte im Département les Landes. „Daran lässt sich ablesen, dass die Betreuung von Alzheimer-Patienten ein wichtiges gesellschaftliches Thema ist.“

Patienten müssen monatlich oft nur 250 Euro zahlen

250 Personen stehen derzeit auf der Warteliste. Die monatlichen Gesamtkosten liegen mit rund 2000 Euro im unteren französischen Durchschnitt. „Kombiniert mit den verschiedenen staatlichen Hilfen, die die Bewohner je nach ihrem Renten- und sonstigen Einkommen erhalten, müssen sie oft nur 250 Euro aus eigener Tasche bezahlen.“ Der französische Staat und das Département finanzieren das Projekt mit.

Der Ansatz sei „mehr ein sozialer als ein medizinischer“, sagt Charon-Burnel. Gemeinsame Aktivitäten wie Tischtennis oder Tanzen, Hausarbeit oder Gärtnern werden als Formen der Therapie eingesetzt. 

Auch die Mitarbeiter wirken zufrieden. „Ich verwirkliche mich hier selbst“, betont Patricia Perez, die als „Hausdame“ eine Ansprechpartnerin für die Bewohner ist. „Ich lerne viel von ihnen, sie haben eine große Lebenserfahrung.“ Oft hätten sie viel Spaß zusammen.