Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) dringt angesichts gestiegener Kosten auf eine schnelle Reform des Bürgergelds. Das sei in der Koalition mit der SPD verabredet, sagte die CDU-Politikerin am Rande eines Besuchs des Halbleiterkonzerns Infineon in Dresden.
„Es muss gelten, dass sich Arbeiten mehr lohnt als zu Hause bleiben“, sagte Reiche. „Diejenigen, die zur Arbeit gehen, müssen das Gefühl haben, sie haben am Ende mehr in der Tasche als die, die das nicht tun.“ Alle, die dies könnten, müssten am Arbeitsmarkt teilnehmen „und sich einen Teil dessen, was sie zum Leben brauchen, eben auch verdienen“.
Auf eine Frage zum jüngsten Vorschlag des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) ging die Wirtschaftsministerin nicht direkt ein. Söder hatte gefordert, ukrainischen Geflüchteten in Deutschland kein Bürgergeld mehr zu gewähren, sondern Leistungen wie Asylbewerbern. Diese fallen geringer aus und werden oft als Sachleistungen oder per Bezahlkarte gewährt.
Kretschmer für Diskussion „ohne Schaum vor dem Mund“
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte bei dem Termin mit Reiche zur selben Frage, ob er Söders Vorschlag unterstütze: „Zu den Ukrainerinnen und Ukrainern will ich Ihnen Folgendes sagen: Ich bin der Meinung, gleiche Bedingungen für alle, für Einheimische, für Asyl, Schutzsuchende oder für Menschen, die aus der Ukraine kommen. Diejenigen, die arbeiten können, müssen arbeiten.“ Wer in Not sei, dem wolle man auch in Zukunft helfen.
Die Quote der Schutzsuchenden aus der Ukraine, die in Arbeit seien, sei in Frankreich, in die Niederlande, Tschechien oder Polen viel höher ist als in Deutschland, sagte Kretschmer. „Deswegen muss man sich dieser Diskussion in Ruhe ohne Schaum vor dem Mund stellen.“
Hintergrund der Debatte sind die Bürgergeldzahlen für 2024. Nach Angaben des Sozialministeriums auf eine Anfrage der AfD zahlte der Staat rund 46,9 Milliarden Euro an Hilfen – rund vier Milliarden Euro mehr als ein Jahr zuvor. Unter den Beziehern sind mehrere Hunderttausend Ukrainerinnen und Ukrainer und deren Kinder, die seit 2022 vor dem russischen Angriffskrieg geflüchtet sind. An sie flossen 2024 laut Ministerium rund 6,3 Milliarden Euro.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Externen Inhalt anzeigen
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Söder: US-Zölle verändern die Lage
Söder sagte am Sonntag im ZDF, er sei dafür, dass die in Deutschland lebenden Ukrainer kein Bürgergeld mehr erhalten sollten, „und zwar am besten nicht nur die, die in der Zukunft kommen, sondern alle“. Söder meinte, die neuen US-Zölle auf Importe aus Europa veränderten die wirtschaftliche Lage. Die Koalition brauche ein „Update, was wirtschaftlich notwendig ist“, sagte der CSU-Chef.
Der SPD-Politiker Dirk Wiese widersprach. Die Einsparungen würden überschätzt und der Verwaltungsaufwand der Kommunen wäre enorm, erklärte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Der Zuwachs an Bürokratie hebe Einsparungen faktisch wieder auf. „Das wäre einzig und allein das Prinzip ‚rechte Tasche, linke Tasche‘.“ Vielmehr sollten die Jobcenter sich darauf konzentrieren können, Menschen schnell in gute Arbeit zu bringen, meinte Wiese.
Für Alleinstehende liegt das Bürgergeld seit der letzten Erhöhung 2024 bei 563 Euro im Monat. Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen Alleinstehende 441 Euro. Unterbringungskosten kommen gegebenenfalls in beiden Fällen hinzu. Der enge Wohnungsmarkt und gestiegene Heizkosten treiben da die Ausgaben.
Der Ökonom Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB sieht einen entscheidenden Nachteil beim Wechsel vom Bürgergeld ins Leistungsrecht für Asylbewerber: „In der Grundsicherung gibt es Beratung, Vermittlung, Qualifizierung: Genau das, was die Menschen brauchen. Wenn sie nicht im System der Grundsicherung sind, haben sie davon viel weniger.“
Mehr zur Bürgergeld-Debatte „Jetzt wird’s schlimm für dich, Lars“ Der Vizekanzler stellt sich Bürgern in Gelsenkirchen „Wer das System ausnutzt“ Union und SPD fordern mehr Härte gegen Arbeitsverweigerer Markus Söder im ZDF-Sommerinterview „Kein Bürgergeld für Geflüchtete aus der Ukraine“
Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) zeigte sich in einem Interview von RTL/ntv zwar offen für Söders Vorschlag. Er monierte, dass in Deutschland nur jeder dritte erwerbsfähige Ukrainer arbeitete. Allerdings sieht auch Frei, dass man den Koalitionsvertrag nur einvernehmlich ändern könnte. Darüber werde man mit der SPD sprechen müssen, sagte der Kanzleramtschef.
Das Sozialministerium zeigt sich sicher, dass die geplanten Neuerungen insgesamt ab 2026 Einsparungen bringen werden. Wie viel es sein wird, ist offen. Die Ministeriumssprecherin betonte auch, beim Bürgergeld sei bereits ein Rückgang der Leistungsberechtigten zu beobachten. Es würden etwas mehr Menschen in den Arbeitsmarkt integriert. Die Umgestaltung der Grundsicherung werde die Vermittlung in Arbeit weiter stärken, betonte die Sprecherin. (dpa)