Mon dieu! Die Sportzeitung „L’Équipe“ hat Pauline Ferrand-Prévot geradewegs in den Hochadel befördert – und auf die Titelseite, was fast genauso verwegen ist. Unsere Königin! Eine Radsportlerin in Gelb auf dem Titel – dieser Platz ist sonst für Stars aus dem Fußball, dem Männer-Radsport, Tennis, Rugby und ähnlich massentauglichen Sportarten reserviert.

Nun wird dort Pauline Ferrand-Prévot umjubelt, die Siegerin der Tour de France Femmes, einer Etappenfahrt, die in diesem Jahr über neun Teilstücke quer durch Frankreich führte. Was Franzosen seit 1985, seit Bernard Hinaults letztem Tour-Sieg, nicht mehr gelungen ist, hat ihnen nun eine Frau vorgemacht. Sie hat die Tour de France gewonnen.

Das lange Warten auf den neuen König dauert an. Die Königin ist schon da. Sie ist der neue Liebling der Franzosen. Einer der ersten Gratulanten war Präsident Macron.

Meilenstein in der Geschichte des Frauen-Radsports

Die Tour de France der Frauen war lange Zeit vergessen – oder blieb als Mini-Rennen unter anderem Namen weitgehend unbeachtet im Schatten der Männer-Tour. Mal fand sie gar nicht statt, mal wurde sie auf einen Tag oder zwei eingedampft. Sie war das fünfte Rad am Wagen. Eine Peinlichkeit, verantwortet vom mächtigen Ausrichter der Tour, der Amaury Sport Organisation (ASO). Sie hatte die Tour Cycliste Féminin, die von 1984 bis 2009 im Kalender stand, kurzerhand auf Eis gelegt. Stattdessen gab es für die Frauen „La Course by Le Tour“, ein Eintagesrennen als symbolisches Zuckerstückchen.

Seit 2022 ist die Tour de France Femmes zurück. In diesem Jahr führte sie über neun schwere Etappen mit legendären Anstiegen wie dem Col de la Madeleine in den Alpen. Diese Tour wird als Meilenstein in die Geschichte des Frauen-Radsports eingehen – nicht zuletzt dank Pauline Ferrand-Prévot. Ihr Sieg – und ihre Geschichte – werden in Erinnerung bleiben.

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Eine Fahrt zurück ins abgeschottete Männerland wird es für die ASO nicht mehr geben. Dafür war diese Tour der Frauen sportlich und medial ein zu großer Erfolg. Ihr Zugpferd war die Siegerin, die die beiden letzten schweren Bergetappen als Solistin gewann. Sie lieferte der Rundfahrt Spektakel und eine faszinierende persönliche Geschichte.

Pauline Ferrand-Prévot war vor elf Jahren Weltmeisterin auf der Straße, im Cyclocross und mit dem Mountainbike, einzigartig in der Geschichte des Sports. Insgesamt hat sie fünfzehn Weltmeistertitel in vier verschiedenen Disziplinen, auch mit dem Gravel-Bike, gewonnen. Im vergangenen Jahr sicherte sie sich in Paris olympisches Gold im Cross-Country-Mountainbiking. Danach stieg sie mit 33 Jahren wieder aufs Straßenrad um.

Drei Jahre Zeit, doch eins reicht

Drei Jahre wollte sie sich Zeit geben, um die Tour zu gewinnen. Sie unterschrieb einen Vertrag mit entsprechender Laufzeit beim Team Visma-Lease a Bike. Ihr Comeback auf der Straße sorgte für Neugier und Skepsis. Würde sie noch mithalten können? Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Im Frühjahr belegte sie Rang drei beim Rennen Strade Bianche in Italien, wurde Zweite bei der Flandern-Rundfahrt und gewann im April den Klassiker Paris–Roubaix, solo auf staubigem Pflaster.

Danach setzte sie alles auf die Karte Tour, nahm mehrere Kilogramm ab, um besser über die Berge zu kommen – und flog bei der Tour die Anstiege dann förmlich hinauf. Keine Konkurrentin konnte ihr bei der vorletzten Etappe auf den extrem steilen Rampen am Col de la Madeleine auch nur ansatzweise folgen.

Drei Jahre hatte sie sich Zeit gegeben, um die Tour zu gewinnen, ein Jahr nur hat es gedauert. Im Ziel überwältigten sie ihre Emotionen. Sie weinte hemmungslos, gezeichnet von den Anstrengungen. „Die Vorbereitung war so hart“, sagte sie später, „dass ich mir nicht vorstellen kann, das noch einmal zu machen.“ Sie glaube nicht, zur Tour zurückzukommen.

Stattdessen wolle sie sich auf andere große Rennen konzentrieren, die Frühjahrsklassiker vor allem. „Es gibt viele Rennen, die ich noch nicht gewonnen habe“, sagte sie. „Und ich werde versuchen, so viele wie möglich zu gewinnen, besonders die Flandern-Rundfahrt und Lüttich – Bastogne – Lüttich.“ Die Tour de France Femmes im nächsten Jahr ohne ihre Königin? Schwer zu glauben. Die Veranstalter werden alles daransetzen, sie wieder am Start zu haben.

In den nächsten Jahren wird alles noch größer. Noch internationaler. Der Grand Départ der Frauen-Tour ist in der Schweiz, in Lausanne, ein Jahr später dann in Großbritannien. Die Durchschnittsbudgets der WorldTour-Teams der Frauen haben sich von 2022 bis 2025 auf 4,7 Millionen Euro verdoppelt und steigen weiter.

Aber es gibt auch noch genügend Baustellen: Obwohl die Frauen-Tour in diesem Jahr einen Boom erlebte, mit enormem Zuschauerinteresse und breiter Medienpräsenz, bleibt viel zu tun. Eine zweiwöchige Tour gilt als mittelfristiges Ziel. Besonders offensichtlich hapert es noch beim Preisgeld: Während der Tour-Sieger bei den Männern 500.000 Euro erhält, muss sich Pauline Ferrand-Prévot mit 50.000 Euro zufriedengeben. Die Reise in Richtung Gleichberechtigung geht weiter.