Nicht nur schnelle Segelboote rund um das Team Malizia von Boris Herrmann sind in dieser Woche an der Kieler Förde zu sehen – das Rahmenprogramm bietet tiefe Einblicke in die Themen der maritimen Welt.

Wer sich für die spannendsten Segelregatten der Welt begeistert, für den lohnt sich in den kommenden Tagen ein Ausflug nach Kiel: Am 10. August wird in Deutschlands Segelhauptstadt das Ocean Race Europe gestartet, in den Tagen zuvor kann ein Blick auf die sieben teilnehmenden Teams und ihre Hightech-Yachten geworfen werden. Im sogenannten Ocean Live Park dreht sich zudem von Mittwochnachmittag an fast alles um den Schutz der Meere. Also um das große Thema, dem sich Top-Segler Boris Herrmann und sein Team Malizia seit 2019 unter dem Slogan „A Race We Must Win – Climate Action Now“ verschrieben haben.

Zur offiziellen Eröffnung des Segelspektakels werden am Mittwoch um 17.30 Uhr auf der Kiellinie von der Geomar-Wiese bis zur Blücherbrücke die Skipper der sieben Teams auf der großen Bühne erwartet. Neben Boris Herrmann ist zum Beispiel das französische Team Paprec Arkèa dabei, angeführt von Yoann Richomme, dem hinter Charlie Dalin Zweitplatzierten der Vendée Globe 2024. Erstmals als Teamchefin repräsentiert die Niederländerin Rosalin Kuiper die Crew von Holcim-PRB. Die 30-Jährige, die im Dezember Mutter einer Tochter wurde, hat schon angekündigt, dass sie das zweite Ocean Race Europe gerne gewinnen möchte. Zur Seite stehen ihr mit Carolijn Brouwer, die 1998 zur Weltseglerin des Jahres gekürt wurde und mit Nicolas Lunven (Platz 6 bei der Vendée Globe) zwei absolut herausragende Persönlichkeiten. 

Das Team Holcim-PRB macht sich in ähnlichem Maße für den Schutz der Ozeane stark wie das Team Malizia – die Holcim AG mit ihrem Hauptsitz in Zug in der Schweiz zählt zu den größten Baustoffproduzenten der Welt. Die Zementindustrie gilt mit weltweit rund acht Prozent der gesamten jährlichen CO2-Emissionen zu einer der klimaschädlichsten Industriebranchen. Die Transformation der Bauindustrie ist somit ein zentrales Element für die Klimawende und in diesem Kontext soll die Holcim-Kampagne „Go Circular“ verstanden werden. In dieses Bild gehört – neben dem Bau künstlicher Riffe aus CO₂-armem Beton – auch der solarbetriebene Katamaran namens „Circular Explorer“. Über ein spezielles Förderband kann er Plastikteile von der Wasseroberfläche aufsammeln. Angeblich können täglich bis zu 4000 Kilogramm Plastik geborgen werden. Seit gut drei Jahren ist die Aluminiumkonstruktion in der Manila Bay (Philippinen) im Einsatz.

Obwohl in einem völlig anderen Einsatzgebiet unterwegs, erinnert der Ansatz des Projekts an die Idee der „Malizia Explorer“. Auch das Malizia-Forschungsschiff soll ein gut sichtbares Zeichen setzen. Das rund 26 Meter lange Boot ist mit modernsten wissenschaftlichen Instrumenten ausgestattet und kann als eine Art Bindeglied zwischen Wissenschaft und Gesellschaft verstanden werden. „Es ist eine logische Weiterentwicklung der Mission unseres Teams“, so Herrmann. Taufpatin war übrigens die bekannte Ozeanografin Sylvia Earle. Die Amerikanerin betonte, dass die Malizia Explorer ein Beweis dafür sei, „dass immer mehr Menschen fest dazu entschlossen sind, den Niedergang der Meere aufzuhalten“. 

Dass Boris Herrmann vom cleveren Skipper längst zum Botschafter für den Schutz der Meere (samt Bundesverdienstkreuz) mutiert ist, liegt allerdings auch am Bildungsprogramm „My Ocean Challenge“. Erst Mitte Juni nahmen mehr als 2100 Kinder aus ganz Deutschland an einer interaktiven Unterrichtsstunde teil. Die hybride Veranstaltung fand in den Deichtorhallen statt und brachte die Bedeutung der Meere für die Klimasysteme anschaulich näher. Boris Herrmann und seine Frau Birte sprachen über die Wirkung von Treibhausgasen und die weitreichenden Auswirkungen auf den Klimawandel. „Ziel ist es, mit den Kindern auf Augenhöhe über ein ernstes Thema zu sprechen und dabei den Fokus auf die Lösung des Problems zu legen“, erläuterte Birte Lorenzen-Herrmann. Am 6. August will sie genau das auf dem Kids Ocean Day in Kiel erneut tun. „Ich kann damit etwas Hoffnung schenken und der Klimaangst vieler Kinder etwas entgegensetzen.“

Genau darum geht es bei vielen weiteren Aktionen im Ocean Live Park. So kann man sich im Meeresschutzcamp von GEOMAR-Experten anschaulich erklären lassen, welche Auswirkungen Plastikmüll auf die Meeresorganismen hat. Ein weiterer Anziehungspunkt für alle Besucher ist aber auch der Ocean Dome, ein 360 Grad Kino, in dem fantastische Filme gezeigt werden. „Expedition Korallenriff“, die atemberaubende ARTE-Doku „700 Haie“ oder der Animationsfilm „Kaluoka’hina – Das Zauberriff“ stehen auf dem Programm.

Auf dem Ostseewasser sind neben den IMOCAs, die alle mit dem Messsystem „Ocean Pack“ ausgestattet sind, übrigens auch noch ganz andere Schiffe zu bewundern. Am Satorikai lädt die Gorch Fock am Mittwoch und Donnerstag auf ihre Planken ein, am Sonnabend ist das Forschungsschiff Alkor an der Admiralsbrücke offen für Besucher.

Last but not Least: Das Ocean Race Europe an sich geht über eine Gesamtdistanz von rund 4500 Seemeilen. Die erste Etappe führt von Kiel an die englische Südküste nach Portsmouth. Mitte September sollen die Teams im Ziel sein: In der Bucht von Boka in Montenegro wird sich die IMOCA-Flotte erstmals präsentieren.

Patrick Kiefer