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Grausame Hamas-Propaganda: Die Terror-Organisation veröffentliche ein neues Geisel-Video. Zu sehen: Der stark abgemagerte Evjatar David. © -/AFP
Das Leid in Gaza setzt auch Berlin zunehmend unter Druck: Der Spagat zwischen unbedingter Solidarität mit Israel und Kritik an dessen Regierung wird schwerer. Die Hamas sendet derweil grausame Botschaften.
Berlin – Johann Wadephul ist gerade zurückgekehrt, als der Kanzler ihn und den Rest des Bundessicherheitskabinetts zur Schalte zusammenruft. Es ist Samstagfrüh, der Außenminister soll von seiner Reise nach Israel und ins Westjordanland berichten, von Eindrücken, Gesprächen, Einsichten. Lapidar ist das nicht. Das Gremium tritt nur zusammen, wenn es um Wichtiges geht.
Wadephuls Reise war nicht von langer Hand geplant, sondern auch die Reaktion auf eine sich verändernde Stimmungslage. Paris will aus der prekären Lage in Gaza Konsequenzen ziehen, Palästina als Staat anerkennen, aus London gibt es ähnliche Signale. Die Bundesregierung ist zurückhaltender, spürt aber steigenden Druck. Wadephuls Reise diente der Positionsbestimmung. Soll Berlin gegenüber Jerusalem härter auftreten als bisher?
Wadephul-Reise in den Nahen Osten: Außenminister berichtet von „Hungersnot“
Was genau der Außenminister den Kollegen berichtet, ist nicht bekannt. In einer Mitteilung nimmt die Regierung aber vor allem Israel in die Pflicht, endlich ausreichend Hilfsgüter zu den notleidenden Zivilisten in Gaza zu lassen. Dort trage sich eine „Hungersnot“ zu, sagt Wadephul später in einem Interview mit dem Deutschlandfunk und geht damit weiter als viele Experten. Während seiner Reise hatte er Israel schon ausdrücklich davor gewarnt, das Westjordanland zu besetzen, außerdem forderte er erneut eine Zwei-Staaten-Lösung. Es sind kleine Absetzbewegungen – keinesfalls von Israel, sondern von der Netanjahu-Regierung.
Schon am Freitag hatte die Bundeswehr damit begonnen, Hilfslieferungen über Gaza abzuwerfen. Wadephul sprach von einer „kleinen Linderung“, forderte aber, wieder deutlich mehr Hilfen auf dem Landweg durchzulassen. Momentan kommt nur wenig durch und noch wenig dort an, wo es gebraucht wird. Aus Sicherheitskreisen der Bundesregierung hieß es am Wochenende, die Hamas zwacke wohl mindestens 50 Prozent, womöglich sogar alle Hilfsgüter ab, die den Gazastreifen erreichen.
Wadephul-Besuch in Israel: Video zeigt ausgemergelte Geisel der Hamas
Das ist die andere Seite der Wahrheit: Die Terror-Organisation ist für den Hunger mitverantwortlich. Wie groß ihre Bereitschaft zur Grausamkeit ist, erfahren auch die Israelis gerade einmal mehr. Ein neues Geisel-Video der Hamas zeigt den 24-jährigen Evjatar David, der – abgemagert bis auf die Knochen – in einem engen Tunnel steht. An einer Stelle des fünfminütigen Films spricht er Benjamin Netanjahu an: „Ich bin von Ihnen, mein Premier, völlig verlassen worden, von Ihnen, der sich um mich und all die anderen Gefangenen kümmern müsste.“ Später ist er zu sehen, wie er mit einer Schaufel ein Loch in den sandigen Boden gräbt. „Mein eigenes Grab“, sagt er.
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Vieles daran wirkt gestellt. Die Hamas setzt Propagandavideos wie dieses immer wieder ein, um die öffentliche Debatte zu beeinflussen. „Die Hamas missbraucht unseren Sohn als Versuchsperson in einer bösartigen Hunger-Kampagne“, hieß es am Wochenende vonseiten der Familie. „Man lässt ihn verhungern, allein für Propagandazwecke der Hamas.“
Krieg in Nahost: Rund 50 Geiseln noch immer in Gewalt der Hamas
Etwa 50 Geiseln sollen sich noch in der Gewalt der Hamas und anderer Organisationen befinden, rund 20 davon sind Schätzungen zufolge noch am Leben. Videos wie das jetzige verfehlen ihre Wirkung nicht. Das Forum der Geisel-Angehörigen forderte die Netanjahu-Regierung am Wochenende noch einmal auf, ein „umfassendes Abkommen“ mit der Hamas zu unterzeichnen und den Krieg zu beenden. „Unsere Kinder erleben einen Holocaust. Sie werden nicht mehr lange überleben“, sagte Einav Zangauker, die Mutter einer der verbliebenen Geiseln, bei einer großen Demonstration in Tel Aviv.
Nach einem Abkommen sieht es allerdings weiterhin nicht aus. Israels Armeechef betonte einmal mehr, die Kämpfe gingen weiter, solange die Geiseln nicht freikämen. Die wiederum sind das einzige Pfand der militärisch massiv geschwächten Hamas – und die Terroristen pokern weiter hoch. Man werde die Waffen erst niederlegen, wenn es ein unabhängiges Palästina gebe, ließen sie wissen. Das war die Antwort auf den US-Sondergesandten Steve Witkoff, der bei einem Treffen mit Geisel-Angehörigen gesagt haben soll, die Hamas sei zur Entmilitarisierung bereit.