Das „Assid“ von Fraunhofer in Moritzburg bei Dresden hat sich auf industrienahe 3D-Chipintegration auf 300-Millimeter-Wafern spezialisiert. Foto: Sylvia Wolf für das Fraunhofer IZM-Assid
Einst glücklose Sensor-Fabrik landete vor 15 Jahren bei Fraunhofer – und profilierte sich seither als Top-Forschungszentrum für 3D-Mikroelektronik
Dresden/Moritzburg, 5. August 2025. Das „Assid“ an der Grenze zwischen Dresden und Moritzburg hat sich in den vergangenen 15 Jahren von einem Qimonda-Relikt zu einem deutschlandweit führenden Fraunhofer-Forschungszentrum für eine Art „Hightech-Chip-Lego“ entwickelt. Bei dieser Hochpräzisionsmontage fusionieren „Chiplets“ und andere Halbleiter-Bausteine zu Hochleistungs-3D-Chips. Diese besondere Expertise nutzt das Assid-Team nun verstärkt, um Europas jüngste Mikroelektronik-Aufholjagd zu unterstützen. Im Fokus stehen dabei unter anderem Quanten-Chips für die Universal-Codeknacker von morgen, hochintegrierte und flüssigkeitsgekühlte 3D-Schaltkreise für „Künstliche Intelligenzen“ (KI) an Bord von autonomen Autos und in Rechenzentren sowie neuronale Stimulatoren für den Kampf gegen Nervenkrankheiten. Diese Marschrichtungen haben die Forscher und Forscherinnen während eines Symposiums zum 15. Jubiläum des Assid skizziert.
Mittelständler sollen schneller Zugriff auf Mikroelektonik-Innovationen erhalten
Dabei wollen die Fraunhofer-Experten nicht nur den eigenen Reinraum in Moritzburg nutzen, sondern auch die ehemalige Plastic-Logic-Fabrik im Dresdner Norden, in denen Fraunhofer das „Center for Advanced CMOS and Heterointegration Saxony“ (Ceasax) eingerichtet hat und demnächst auch Teile der europäischen Pilotlinie „Apecs“ installieren will. „Hier entstehen Technologien für Chiplets, die durch modulare Bauweise neue Freiheitsgrade in Leistung, Nachhaltigkeit und Kosten bieten“, betont Assid-Chefin Dr. Manuela Junghähnel. Die neue Pilotlinie ermögliche „insbesondere mittelständischen Unternehmen den Zugang zu modernster Mikroelektronikfertigung – von der Prototypenentwicklung bis zur Vorserienproduktion“.
Die Fraunhofer-Gesellschaft hatte die frühere Qimonda-Forschungsfab an der Grenze zwischen Dresden und Boxdorf 2010 übernommen und dort das Assid eingerichtet. Abb.: hw
Standort schien von Fluch belegt – erst Fraunhofer brach ihn
Dass das Assid bisher vor allem auf einen eher kleinen Reinraum im Moritzburger Gewerbegebiet Boxdorf eingepfercht war, hat eine lange Vorgeschichte, die zeitweise wie mit einem Fluch behaftet schien, den erst Fraunhofer bannte: Ursprünglich geht die Mini-Chipfabrik auf das Siegener Unternehmen „Silicon Vision“ zurück, das 2001/2002 rund 50 Millionen D-Mark in Moritzburg investierte, um in Sichtweite zur damaligen AMD-Fabrik Dresden neuartige Bildsensoren herzustellen. Doch schon kurz darauf war die Firma insolvent. Infineon kaufte den Standort und richtete dort einen Entwicklungsreinraum ein, reichte die Mini-Fab dann aber an seine Speicherchiptochter Qimonda weiter. Die nutzte den Reinraum bereits für Forschungsprojekte rund um die Chip-Endmontage, das sogenannte „Backend“. 2009 ging jedoch auch Qimonda pleite. 2010 übernahm schließlich Fraunhofer die Immobilie, um dem Berliner „Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration“ (IZM) eine Außenstelle im „Silicon Saxony“ zu ermöglichen.
Eher kleiner Reinraum, aber mit industrienahe Ausrüstung
Dadurch entstand vor 15 Jahren das „All Silicon System Integration Dresden“ (Assid). Dieses 3D-Chip-Forschungszentrum von Fraunhofer verfügt zwar lediglich über 800 Quadratmeter Reinraumflächen sowie rund 200 Quadratmeter für Labore und Büros. Zum Vergleich: Das Ceasax hat 4000 Quadratmeter Reinraum, die nahe Globalfoundries-Fabrik gar 60.000 Quadratmeter. Dafür aber beherrscht das Assid industrienahe Fertigungstechnologien auf 300 und 200 Millimeter großen Siliziumscheiben – eine eher seltene Fähigkeit in Forschungszentren.
Team gräbt Nano-Kupfertunnel und durchzieht sie mit Flüssigkeits-Kühlsystemen
Zudem packt das Team trotz vergleichsweise knapper Platzverhältnisse auch Mikroelektronik-Themen an, die sonst eher bei den ganz Großen der Branche in Taiwan, Südkorea und den USA eine Rolle spielen. Sie wollen die physikalischen Grenzen und Kostenexplosionen in der klassischen Chipproduktion überwinden. So verbinden sie Schaltkreise, Sensoren, Aktuatoren und andere Nanobauteile dreidimensional zu Hochleistungs-Chipstapeln, graben Flüssigkühlleitungen und vertikale Kupfertunnel direkt in und zwischen Schaltkreisen. Auch erforschen sie das sogenannte Hybridbonden und 3D-verschmelzen ganz verschiedene Elektronik-Systeme („3D-Heterointegration“).
Impulse für den ganzen Standort
Diese besonderen Fähigkeiten des Assid und die daraus erwachsenden Chancen für Europas Chip-Aufholjagd haben inzwischen mehrfach auch bei neuen Ausbaustufen und Ansiedlungen am Mikroelektronik-Standort Dresden eine Rolle gespielt: So gehört das Assid gemeinsam mit dem Centrum für Nanotechnologien (CNT) zu den Gründern des noch jungen Ceasax-Mikroelektronikzentrums in der Nachbarschaft zu den Chipfabriken von Bosch und TSMC in Dresden.
Prof. Holger Hanselka. Foto: Markus Breig für das KIT
„Das Engagement des Fraunhofer IZM-ASSID in der Apecs-Pilotlinie trägt maßgeblich zu der zentralen Rolle bei, die die Fraunhofer-Gesellschaft bei der Umsetzung von digitalen Großprojekten mit Fokus auf Deutschlands und Europas Innovationskraft spielt.“
Fraunhofer-Präsident Prof. Holger Hanselka
Zudem wollen EU und Sachsen die aus Europa in den vergangenen Jahrzehnten fast komplett verschwundene Chip-Endmontage wiederbeleben und setzen dabei auch auf 3D-Integration und Chiplet-Technologien. Im Zuge des Chipgesetzes entsteht nun für rund 740 Millionen Euro die paneuropäische Pilotlinie „Advanced Packaging and Heterogeneous Integration for Electronic Components and Systems“. Ein Drittel davon wird in Sachsen investiert – und daran hat auch das Assid eine „wesentliche Aktie“. Auch Fraunhofer-Präsident Prof. Holger Hanselka ist voll des Lobes: „Das Engagement des Fraunhofer IZM-ASSID in der Apecs-Pilotlinie trägt maßgeblich zu der zentralen Rolle bei, die die Fraunhofer-Gesellschaft bei der Umsetzung von digitalen Großprojekten mit Fokus auf Deutschlands und Europas Innovationskraft spielt.“
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: IZM-Assid, Industrieanzeiger, Oiger-Archiv, DNN-Archiv, Brewer Science
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