Es war eine aufregende Zeit, nicht immer nur im positiven Sinne. Vor zehn Jahren fanden in Borgfeld nacheinander Hunderte unbegleitete, junge Menschen Zuflucht. Sie wurden unter anderem in der Turnhalle Am Borgfelder Saatland untergebracht, versorgt und sammelten erste Erfahrungen in einer für sie neuen Kultur. Drei Engagierte organisieren jetzt ein Wiedersehen.

Was planen die Verantwortlichen?

Petra Brau, Uwe Rosenberg und Detlev Busche laden rund 70 Akteure und Geflüchteten von damals ins Freizeitheim des DRK ein. Sie geben den Protagonisten und Gästen Gelegenheit zum Austausch und dazu, ihre Entwicklungen seit 2015 nachzuzeichnen. Es sei spannend, wie sich die einstigen, mitunter traumatisierten Jugendlichen entwickelt haben und welche Berufe sie heute ausübten, sagt Uwe Rosenberg. „Ein solches Wiedersehen ist sicher einmalig in Bremen, vielleicht sogar bundesweit“, sagt er. Die Veranstaltung soll im Oktober stattfinden. Aus Kapazitätsgründen seien nur geladene Gäste zugelassen. Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) habe bereits zugesagt. Eingeladen sind auch der emeritierte Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel und die damalige Bremer Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne).

Wer organisiert das Ganze?

Uwe Rosenberg zeichnete 2015 für die Koordination der Hilfsangebote und Kurse verantwortlich. Er initiierte unter anderem die „Weltschule Borgfeld“ im Rahmen derer die Neuankömmlinge Deutsch lernten. Petra Brau unterrichtete damals ehrenamtlich Deutsch. Detlev Busche arbeitete viele Jahre als Sozialpädagoge. 2015 wurde er von seinem ehemaligen Arbeitgeber – die gemeinnützige Diakonische Kinder- und Jugendhilfe Petri und Eichen – aus dem Ruhestand geholt und wieder eingestellt, um die ankommenden Minderjährigen in der Turnhalle Am Borgfelder Saatland federführend zu betreuen.

Was haben die Borgfelder von einer solchen Veranstaltung?

Das Wiedersehen soll daran erinnern, was die Borgfelderinnen und Borgfelder 2015 mit viel gutem Willen geschafft haben. Unter den geladenen Gästen werden nicht nur Funktionsträger sein, nach Angaben der Organisatoren wird sich eine „bunte Mischung“ aus Ehrenamtlichen versammeln, die damals aktiv geholfen haben, darunter Sozialarbeiter, Therapeuten, Quereinsteiger, „bis hin zur Ex-Wirtin“, erklärt Uwe Rosenberg. Auch pädagogische Kräfte der Borgfelder Grundschulen sind eingeladen. Laut Rosenberg soll das Wiedersehen keine parteipolitische Veranstaltung werden.

Gibt es Foto- oder Video-Dokumente von damals?

Ja, die gibt es. Detlev Busche hat Geflüchtete 2015 und Jahre später interviewt. Einige Filmsequenzen und Stimmen wollen die Organisatoren im Oktober präsentieren. Busche hat das Leben in der Halle dokumentiert, den Deutschunterricht, Feste, sportliche Aktivitäten und das Zusammenkommen im Internationalen Café. Uwe Rosenberg hat über die Jahre zahlreiche Berichte des WESER-KURIER und der WÜMME-ZEITUNG gesammelt, von denen er ebenfalls eine Auswahl zeigen wird.

Wie kam es dazu, dass Borgfeld Hunderte geflüchtete Jugendliche aufgenommen hat?

„In der Spitze kamen 2015 in Bremen rund 3000 unbegleitete Minderjährige an“, erinnert sich Detlev Busche. Aus Mangel an Unterbringungsmöglichkeiten habe das Sozialressort zwölf Bremer Turnhallen zu Notunterkünften umfunktioniert, darunter die Turnhalle in Borgfeld. Die Bundeswehr habe im Auftrag des Sozialressorts die Turnhalle vorbereitet und Betten aufgestellt, erinnert sich Rosenberg. Vier Träger übernahmen mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Betreuung und Versorgung der Menschen. Das Ortsamt und der Beirat wurden im Spätsommer informiert. „Am 2. Oktober kam der erste Bus aus der Erstaufnahmestelle an der Steinsetzerstraße“, so Busche. „Borgfeld wollte die Geflüchteten politisch überhaupt nicht, der Beirat war dagegen“. Bei ihrer Ankunft wurden die Jugendlichen jedoch von Borgfelderinnen und Borgfeldern mit Kaffee und Kuchen begrüßt. In der Spitze habe man in der Turnhalle am Saatland 90 Geflüchtete unter anderem aus Afghanistan, Syrien, dem Irak, Somalia, dem Sudan, Guinea, Albanien und Marokko betreut. Vier Monate war die Halle Notaufnahme-Einrichtung.

Wie viele Borgfelderinnen und Borgfelder haben den Menschen damals geholfen, in der neuen Heimat Fuß zu fassen?

In der Turnhalle kümmerte sich ein Team aus 30 Mitarbeitern um die jungen Geflüchteten. Viele ehrenamtliche Helfer vom jungen Erwachsenen bis zur Seniorin boten Deutschkurse an, Fußballtraining, Malkurse, Tanz- und Musikgruppen – darunter 30 aktive und pensionierte Lehrerinnen und Lehrer, Künstlerinnen, Sportler und Mitglieder der Kirchengemeinde. Es gab eine Fahrradwerkstatt, später wurden Praktika zur Berufsorientierung organisiert.

Welches Resümee ziehen die Aktiven?

„Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel hat gesagt: ,Wir schaffen das‘ – und wir haben es geschafft“, sagt Uwe Rosenberg, der mit Hermann Vinke und vielen anderen am „Runden Tisch Borgfeld“ geplant hat. „Es gab sicher viele, die Angst vor den jungen Männern hatten und Vorbehalte in der Bevölkerung“, gibt Uwe Rosenberg zu, „aber es gab auch sehr viele ehrenamtliche Helfer“. Viele Menschen hätten die Neuankömmlinge freundlich empfangen. Detlev Busche geht noch weiter. Entscheidend für das Gelingen in Borgfeld seien die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer gewesen. „Sie haben es geschafft, Kontakte herzustellen und zum Teil bis heute aufrechtzuerhalten“, lobt er.

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