Nirgendwo in Deutschland steigen die Angebotsmieten so stark wie in Berlin. Während die Hauptstadt im Jahr 2022 noch auf Platz 53 der teuersten Städte und Landkreise in Deutschland lag, belegt sie nun Platz 10, wie der „Spiegel“ am Dienstag berichtet. Das Magazin hat Daten des Berlins Forschungsinstituts Empirica ausgewertet.
Dem Bericht zufolge sind die Mieten in Berlin seit dem Jahr 2022 um 42 Prozent gestiegen – und damit mehr als in jeder anderen deutschen Stadt. Durchschnittlich 14,90 Euro pro Quadratmeter werden inzwischen in Berlin aufgerufen. Gleichzeitig sei der Unterschied zur ortsüblichen Vergleichsmiete höher als in anderen Städten. Diese habe in Berlin 2024 bei 7,21 Euro gelegen und ist damit halb so hoch wie die mittlere Angebotsmiete.
Verantwortlich für die stark gestiegenen Mietpreise sind laut „Spiegel“ insbesondere die Preisentwicklungen rund um den Ukrainekrieg. Seit 2022 erhöhte die Europäische Zentralbank (EZB) mehrfach die Zinsen, um die Inflation einzudämmen. Parallel dazu stiegen die Bauzinsen, viele Wohnungsbauunternehmen stoppten in der Folge ihre Projekte und das Angebot neuer Wohnungen wuchs kaum. Seitdem sind die Angebotsmieten in Deutschland um 18,3 Prozent gestiegen, wie die Empirica-Daten zeigen.
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Berlins Bausenator Christian Gaebler (SPD) sprach auf Tagesspiegel-Anfrage von einem „geteilten Wohnungsmarkt“. Ein Verweis auf die im Vergleich noch günstigen Bestandsmieten in Berlin. Diese lagen laut dem Wohnmarktreport der Investitionsbank Berlin Hyp und des Immobiliendienstleisters CBRE im vergangenen Jahr im Schnitt bei unter neun Euro kalt pro Quadratmeter. Bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen waren es sogar nur etwa 7,50 Euro.
„Auf der einen Seite stehen diejenigen, die eine Wohnung haben. Auf der anderen diejenigen, die eine Wohnung suchen“, sagte Gaebler. Diejenigen, die suchen, müssten für eine Wohnung im Schnitt oft mehr als das Doppelte an Miete aufbringen. „Das ist eine Situation, die wir ändern müssen“, sagte der SPD-Politiker.
Gaebler verwies dabei auf die dringend notwendige Ausweitung des Angebots, das Berlin auf vielfältige Weise unterstütze – sei es durch das zum Jahresbeginn in Kraft getretene Schneller-Bauen-Gesetz oder durch landeseigene Wohnungsbaugesellschaften, die derzeit einen Großteil der Neubauvorhaben in Berlin umsetzen.
Allerdings verfehlt der Senat seit Jahren seine selbst gesteckten Ziele beim Neubau. Im vergangenen Jahr entstanden in Berlin etwas mehr als 15.000 neue Wohnungen, das Ziel liegt bei 20.000.
Der Vorsitzende der Berliner SPD-Fraktion Raed Saleh forderte angesichts der Entwicklung eine „gesetzliche mietenpolitische Revolution“ in Berlin. „Wir hören von der CDU im Bund und in Berlin immer nur, der Markt könne alles regeln. Aber diese Idee geht an der Wirklichkeit vorbei. Die Mieter können nicht mehr“, sagte Saleh dem Tagesspiegel. Es sei daher „unsere verdammte Pflicht, regulierend einzugreifen“.
Eine Lösung sieht der Sozialdemokrat in einem erneuten Mietendeckel in Berlin. Schon einmal hatte das Land auf diese Weise versucht, den Anstieg der Mietpreise zu stoppen, scheiterte wegen der fehlenden rechtlichen Zuständigkeit beim Mietrecht jedoch vor dem Bundesverfassungsgericht.
Als Landesgesetzgeber habe man bereits fast alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft, sagte Saleh und forderte von der Bundesregierung mehr rechtliche Freiheiten. „Der Bund muss uns eine Öffnungsklausel im Mietrecht geben, damit die Länder selbst einen Mietendeckel einführen können. Das Instrument sei nicht gescheitert, erklärte er. „Nur der Weg dahin ist uns aktuell als Land versperrt.“
Top 10 der teuersten Städte und Wohnorte in Deutschland
Nach Berlin haben die Mieten im Landkreis Kaiserslautern im Süden von Rheinland-Pfalz am stärksten zugelegt. Seit Anfang 2022 gab es dort einen Zuwachs von 41,7 Prozent, dicht gefolgt von Cottbus (41,3 Prozent), dem bayrischen Landkreis Tirschenreuth (32,3 Prozent) und der Stadt Brandenburg an der Havel (33,2 Prozent). Auch die brandenburgischen Landkreise Havelland und Oberhavel sind unter den zehn Städten mit den höchsten Mietpreissteigerungen seit 2022.
Unverändert bleiben die Mieten in Deutschlands teuerster Wohnstadt München: Bei Neuvermietungen liegt der Durchschnittspreis dort inzwischen bei 20 Euro pro Quadratmeter. Viele der Top 10 der teuersten Orte in Deutschland befinden sich in Bayern, etwa Starnberg, Fürstenfeldbruck, Dachau, Ebersberg und Miesbach. Auch die Metropolen Frankfurt am Main und Stuttgart halten sich in der Rangliste.
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SPD dringt auf mehr Mieterschutz
Um den Anstieg der Angebotsmieten einzudämmen, hat der Bundestag am 26. Juni die Verlängerung der Mietpreisbremse beschlossen. Damit wurde allerdings nur die bestehende Regelung bis Ende 2029 verlängert. Sie sieht vor, dass die Miete in Städten mit angespannten Wohnungsmarkt bei einer Neuvergabe der Wohnungen nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Ohne die Reform wäre die Mietpreisbremse Ende 2025 ausgelaufen.
Der SPD reicht das nicht. Sie dringt auf mehr Mieterschutz. „Nach der Sommerpause wird eine Expertenkommission ihre Arbeit aufnehmen, die sich mit weiteren drängenden Fragen des Mietrechts befassen wird“, sagte die zuständige Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) Mitte Juli. Diese solle dann unter anderem Vorschläge für eine Bußgeldregelung machen, die sich auf Verstöße gegen die Mietpreisbremse bezieht. Dies sei so auch im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vereinbart.
„Wenn wir eine soziale Spaltung auf dem Mietmarkt stoppen wollen, muss die Koalition liefern“, sagt Hendrik Bollmann, baupolitischer Sprecher der SPD-Bundesfraktion, auf Anfrage des Tagesspiegels. „Die Mietpreisbremse war nur ein erster Schritt. Jetzt müssen wir die Schritte gehen, die noch im Koalitionsvertrag vereinbart wurden: Zum Schutz der Mietenden muss es mehr Transparenz bei den Nebenkosten und angepasste Regeln für Indexmieten und möbliertes beziehungsweise kurzfristiges Wohnen geben.“ Außerdem sei es wichtig, wieder mehr und günstiger zu bauen, damit Wohnraum zu einem besseren Preis angeboten werden kann.
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Laut dem baupolitischen Sprecher der Union, Jan-Marco Luczak, sind hohe Mieten bis weit in die Mittelschicht eine große Belastung. Das berge erheblichen sozialen Sprengstoff. „Mit der Verlängerung der Mietpreisbremse haben wir den Menschen daher Sicherheit und Zeit zum Durchatmen gegeben“, so Luczak. Diese Zeit müsse genutzt werden, damit in Deutschland mehr, schneller und kostengünstiger gebaut werden kann. „Alle Studien zeigen, dass übermäßige Regulierung zu weniger Angebot führt, weil sich Vermieter vom Markt zurückziehen“, sagt Luczak. „Die Schlangen bei den Wohnungsbesichtigungen werden dann noch länger, Leidtragende sind am Ende die Mieter.“
Bisher müssen Vermieter bei überhöhten Angebotsmieten keine Strafe fürchten. Die Mieter können lediglich die zu viel gezahlten Gelder zurückfordern. Um die Mietpreisbremse zu umgehen, werden Wohnungen in Großstädten inzwischen vielfach möbliert oder mit Kurzzeitverträgen vermietet. Laut Koalitionsvertrag soll es auch hierzu eine erweiterte Regelung geben. Entsprechende Vorschläge soll eine Kommission bis Ende 2026 machen.