1. Startseite
  2. Politik

DruckenTeilen

Erst kommt das Schweigen, dann die kalkulierte Reaktion. Trumps Eskalation wird als emotional dargestellt. Russland stilisiert sich als Stimme der Vernunft.

Moskau/Washington D.C. – Ein Social-Media-Streit zwischen US-Präsident Donald Trump und dem ehemaligen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew endete mit einer drastischen Drohgebärde: der Ankündigung, dass zwei US-amerikanische Atom-U-Boote näher an Russland stationiert werden sollen. Lange hatte der Kreml dazu geschwiegen. Die Antwort erfolgt jetzt in einer koordinierten Reaktion.

Nachdem Trump seine 50-Tage-Frist für einen Waffenstillstand im Ukraine-Krieg vergangene Woche verkürzt hatte, schrieb Medwedew auf Telegram, der US-Präsident spiele „ein Ultimatumspiel mit Russland“. Jede seiner Äußerungen sei „ein Schritt in Richtung Krieg“. Es folgte ein Schlagabtausch, in dessen Verlauf beide Seiten Drohungen aussprachen – und der Medwedew schließlich dazu veranlasste, auf die „Dead Hand“, ein in der Sowjetunion entwickeltes automatisches Nuklear-Vergeltungssystem, hinzuweisen. Dies quittierte der POTUS am Freitag (1. August) mit dem Entsenden zweier Atom-U-Boote, die laut Trumps Angaben angewiesen wurden, sich der russischen Küste zu nähern.

Trump reagiert auf Medwedew-Drohung mit Atom-U-Booten – Kreml antwortet spät

Trotz der angespannten Lage hatte Moskau sich zunächst nicht geäußert. Doch inzwischen scheinen sich die Kreml-Vertreter auf eine gemeinsame Rhetorik gegenüber Trumps Entscheidung geeinigt zu haben. Einem Bericht des US-Thinktanks ‚Institute for the Study of War‘ (ISW) zufolge, folgt die russische Antwort drei Hauptargumenten.

Das erste Argument ziele darauf ab, Trumps Handeln als irrationale, emotionale Reaktion darzustellen. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte am Montag (4. August), Diskussionen über nukleare Eskalation seien verfrüht und stellten eine „sehr emotionale“ Wahrnehmung dar. Auch Grigori Karasin, Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Föderationsrates, wiederholte diese Darstellung kurz darauf.

Putin-Sprecher wittert Übermaß an Emotion: Kreml stellt Trumps Verhalten als irrational dar

In einem zweiten Argumentationsstrang werde versucht, die Bedrohung für Russland herunterzuspielen, so das ISW. Mehrfach hätten russische Politiker behaupten, die U-Boot-Verlegung stelle keine echte Gefahr dar. Duma-Abgeordneter Viktor Wolodatski etwa erklärte, Trump versuche Russland einzuschüchtern, aber die Verlegung von US-Atom-U-Booten stelle keine echte Bedrohung für Russland dar. Senator Wladimir Dschabarow behauptete ebenfalls, Trump irre sich, wenn er davon ausgehe, dass diese Verlegung Russland einschüchtern werde.

Ein drittes Argument stelle Russland als verantwortungsvollen Akteur dar, der rationaler handle als die USA. Peskow betonte, Russland sei „sehr vorsichtig“ mit Äußerungen zu Nuklearfragen und nehme in Bezug auf nukleare Rhetorik eine „verantwortungsvolle Position“ ein.

Russland inszeniert sich als rational: Kreml präsentiert sich als Hüter nuklearer Vernunft

Diese Darstellung kontrastiert dem Thinktank zufolge bewusst die als emotional dargestellte amerikanischen Haltung und soll Russlands Besonnenheit hervorheben. Gleichzeitig negiere sie die russischen Atomdrohungen der jüngsten Vergangenheit – unter andrem die Anspielungen Medwedews auf das russische Atomwaffenkontrollsystem vom Donnerstag (31. Juli).

Der Kreml versucht, Russlands Präsident Wladimir Putin als Stimme der Vernunft darzustellen.Der Kreml versucht, Russlands Präsident Wladimir Putin als Stimme der Vernunft darzustellen. © IMAGO/Kremlin Pool

Auffällig sei außerdem, dass der Kreml Medwedew regelmäßig für nukleare Drohungen nutze, jetzt aber seine Bedeutung herunterspiele. Peskow äußerte hierzu, russische Beamte hätten unterschiedliche Einschätzungen, aber nur Putin bestimme die Außenpolitik. Diese Darstellung verschleiert jedoch, dass Putin selbst häufig nukleare Drohgebärden einsetzt und regelmäßig auf das Raketensystem „Oreshnik“ verweist, so der Bericht.

Hinter diesem Vorgehen stecke vermutlich Kalkül. Medwedews aggressiven Äußerungen ließen Putins Positionen moderater erscheinen und schafften so Raum für größere Forderungen. Putin könnte Medwedews Äußerungen zwar zensieren, billige aber wahrscheinlich die antiwestliche Rhetorik zur Beeinflussung der westlichen Wahrnehmung.