faktenfinder
In den vergangenen Wochen war der Sommer in Deutschland eher mäßig. Im Netz wird das als vermeintlicher Beweis angesehen, dass die Warnungen vor dem Klimawandel übertrieben seien. Doch das ist irreführend.
In den sozialen Medien kursieren derzeit zahlreiche Beiträge, die den Klimawandel angesichts des vergleichsweise nassen und grauen Julis in Zweifel ziehen. Insbesondere die Diskrepanz zwischen dem von unterschiedlichen Medien angekündigten extrem heißen, trockenen Sommer und dem tatsächlichen Wetter im Juli genutzt, um wissenschaftlich fundierte Warnungen vor dem Klimawandel zu diskreditieren.
So heißt es etwa in einem Post: „Die Verarsche geht weiter; Hitzewelle ohne Hitzebelastung!“ Früher habe man dies Sommer genannt. Auch Shirts mit Sprüchen wie „Steckt euch euren Klimaschwindel in den Arsch“ werden als Ausdruck des Spotts verkauft.
In einem Artikel eines rechtspopulistischen Medienportals ist die Rede von einem „arktischen Kälteeinbruch“, der statt der „Gluthitze“ eingetreten sei und den „Panikmachern“ widerspreche. „Global ist keine Spur von Erwärmung zu sehen“, heißt es weiter.
„Das Klima, das ist heute keine Frage von Wetterdaten mehr, sondern von Gesinnung“, steht in einem weiteren Beitrag des Medienportals.
Auch die AfD befeuert dies. So schreibt die niedersächsische AfD-Landtagsabgeordnete Vanessa Behrendt auf X: „Willkommen im Trans-Sommer 2025. Der Sommer, in dem sich die Sonne spontan als Regen identifiziert hat, der Grill ist depri, der Pool voll mit Tränen – und mein Vitamin D hat Asyl in Spanien beantragt.“
Das ist kein neues Phänomen. Immer wieder wird das Wetter genutzt, um den Klimawandel zu verharmlosen. So heißt es im Winter bei Schnee und Kälte oftmals, dass die Erderwärmung und der Klimawandel nicht so schlimm seien. Im Sommer wiederum werden kältere oder verregnete Tage genutzt, um dieses Narrativ zu befeuern. Dabei sind einzelne Wetterphänomene kein Beweis dafür, dass es den Klimawandel nicht gibt oder er harmloser ist als behauptet.
Juni und Juli wärmer als Referenzperiode
Für eine abschließende Bewertung des diesjährigen Sommers sei es noch zu früh, sagt Andreas Walter, Pressesprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Schließlich gehöre der August zu den Sommermonaten dazu. Doch über den Juni und Juli ließen sich bereits Aussagen treffen. Und diese beiden Monate seien in der Mitteltemperatur jeweils wärmer als die Referenzperiode von 1961 bis 1990 gewesen.
So lag der Juni nach Angaben des DWD mit einer Durchschnittstemperatur von 18,4 Grad Celsius ganze drei Grad über dem Mittelwert der Referenzperiode des Monats Juni (15,4 Grad).
Der Juli war mit einer Durchschnittstemperatur von ebenfalls 18,4 Grad Celsius noch gut 1,4 Grad über dem Referenzmittelwert (16,9 Grad). Der Juni war damit der siebtwärmste Juni seit 1881, der Juli liegt immerhin noch im oberen Drittel auf Platz 39.
„Die positiven Temperaturabweichungen beider bisherigen Sommermonate deuten darauf hin, dass der Trend zu wärmeren Temperaturen anhält“, sagt Walter vom DWD. Dies sei auf den durch anthropogene Emissionen von Treibhausgasen in die Atmosphäre verursachten zusätzlichen Treibhauseffekt zurückzuführen.
„Dass der generelle Trend der Mitteltemperaturen nicht linear verläuft und von natürlicher Klimavariabilität überlagert wird, erklärt sowohl Ausreißer nach oben als auch nach unten“, sagt Walter. „Das ändert aber nichts am generellen Temperaturanstieg der letzten Jahrzehnte.“
Niederschlagsmenge im Juli überdurchschnittlich
Mit Blick auf Regen ist der Sommer bisher eher durchschnittlich. Im Juni fielen laut DWD im Schnitt 58,8 Liter pro Quadratmeter Niederschlag – der Rekord liegt hier bei 129,5 Litern pro Quadratmeter aus dem Jahr 1971. Seit 1881 waren insgesamt 62 Juni-Monate trockener als der diesjährige.
Im Juli 2025 fielen im Schnitt 113,4 Liter pro Quadratmeter Niederschlag, in der Referenzperiode 1961 bis 1990 waren es 77,6 Liter pro Quadratmeter. Der Rekord für einen Juli-Monat liegt bei 168,5 Litern pro Quadratmeter und stammt aus dem Jahr 1954.
Der Juni war nicht nur sehr warm, sondern auch sehr sonnig. Nach Angaben des DWD schien die Sonne im Juni 273,3 Stunden – nur sechs Juni-Monate waren sonniger. Im Juli schien die Sonne 182,9 Stunden. Das ist verhältnismäßig wenig: Das bisher gemessene Maximum liegt hier bei 334,5 Stunden im Juli 2006. Seit 1881 waren genau 100 Juli-Monate sonniger.
„Bezüglich des Niederschlags und der Sonnenscheindauer kann von einem bisher durchschnittlichen deutschen Sommer (nur Juni und Juli) gesprochen werden“, sagt Walter. Wobei der doch recht sonnige Juni bemerkenswert sei. Der Niederschlag und die Bewölkung im Juli seien naturgemäß korreliert und nicht voneinander unabhängig.
Vergangene Sommer „unnormal heiß“
Dass gerade der regnerische Juli in Deutschland als sehr „unsommerlich“ wahrgenommen wurde, hat laut Meteorologe Martin Gudd vom ARD-Wetterkompetenzzentrum auch damit zu tun, dass die vergangenen Sommer eher „unnormal“ heiß, eher mediterran, waren. Dabei sei auch in diesem Sommer klar, dass der Klimawandel das Wetter beeinflusse – gerade auch, weil es so große Unterschiede in Europa gibt.
Getrübt sei dieser Eindruck wahrscheinlich von einer unmittelbaren anderen Empfindung von viel Regen und wenig Sonne, so Gudd. „Was die Leute in ihrem Vorgarten nicht sehen, passiert halt nicht und diese Klimaerwärmung ist jetzt mal nicht direkt bei uns gewesen. In Wirklichkeit aber passt alles genau ins Bild.“
So lagen zum Beispiel in Spanien, Griechenland, Italien und Teilen der Türkei die Temperaturen bei bis zu 46 Grad – begleitet von schwerer Trockenheit, Waldbränden und Hitzewarnungen.
Langfristige Entwicklungen relevant
Temporäre lokale Wetterphänomene sind aus Sicht von Kevin Sieck vom Climate Service Center Germany (GERICS) nicht geeignet, um Aussagen über den Klimawandel zu treffen. „Robuste Aussagen über Klimatrends können nur gewonnen werden, wenn man sich hierzu mehrere Jahrzehnte anschaut“, sagte Sieck in einem früheren Artikel von tagesschau.de. Es seien die langfristigen Entwicklungen, die bei der Beurteilung von Trends im Klima relevant sind.
Wetter und Klima seien zwei verschiedene Sachen, sagte auch René Orth, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Biogeochemie. Wetter könne mal kalt, mal warm, mal nass, mal trocken sein. „Klima ist das, was sich auf längeren Zeitperioden abspielt. Wenn man das Wetter über mehrere Jahre oder am besten Jahrzehnte mittelt, dann sehen wir das Klima.“
Die Durchschnittstemperatur in Deutschland ist in den vergangenen Jahrzehnten deutlich angestiegen. Im vergangenen Jahr betrug sie 10,9 Grad Celsius. Zum Vergleich: 1960 lag sie noch bei 8,4 Grad. Die Durchschnittstemperatur lag im Jahr 2024 global gesehen 1,55 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau (1850-1900).

