Für Mausi. Geplant als Kinderbuch, wartet dieses Buch nun an deinem 18. Geburtstag auf dich. So lautet die Widmung, die Viktoria Kravtschenko gleich auf die erste Seite für ihre Tochter geschrieben hat. Noch ist das der Zweijährigen aber ziemlich Schnuppe. Sie fragt sich nur, warum ihre Mama in dieses Buch ulkige Zeichen gekritzelt hat und sie nicht so bunte Blumen und Tiere malt wie sie selbst.
Zu fünft ein Buch zu schreiben, kostet Nerven
Auch für Viktoria fühlt es sich surreal an, den frisch gedruckten Band in den Händen zu halten. Zwei Jahren hat die Schwerinerin an „Caspar – Der Fluch der Feder“ gesessen. Zusammen mit vier Freundinnen, die in Deutschland und Luxemburg verteilt leben. „Zu fünft ein Buch zu schreiben, ist wirklich ein Batzen Arbeit“, sagt sie. „Die ganzen Absprachen und am Ende die einzelnen Geschichten wie ein Puzzle zusammenzufügen, echt kräftezehrend.“ Und das alles neben zwei Fulltimejobs – als Journalistin und als junge Mutter.
„Ursprünglich hatte ich die Idee, ein Kinderbuch für meine Tochter zu schreiben“, erzählt die 33-Jährige. „Als ich Freundinnen davon erzählte, klinkten die sich ein. Wir wollten alte Märchen und Sagen neu interpretieren. Doch weil gerade Halloween-Zeit war, ging das Ganze in die Horror-Richtung.“ Die fertigen Märchen der Freundinnen hat Viktoria mit einem roten Erzähl-Faden verbunden und sie steuerte selber zwei Geschichten bei. In einer treibt das aus Sagen bekannte, eigentlich gutmütige Petermännchen sein Unwesen. Es ist das Jahr 1952 und am Schweriner Schloss werden künftige Lehrerinnen ausgebildet. Die haben nichts zu lachen. Der ekelhaft bösartige Schlossgeist Petermännchen lehrt sie das Grauen.
Den gutmütigen Kobold Petermännchen aus dem Schweriner Schloss verwandelt Viktoria in ihrer Geschichte in einen üblen Burschen. (Foto: Michael Weng)
Um die Bremer Stadtmusikanten geht es in Viktorias zweitem Horror-Märchen. Bremen spielte eine wichtige Rolle in ihrem Leben. Dort landete sie 2002, als sie mit ihrer Familie von Russland nach Deutschland auswanderte – mit dabei ihre russlanddeutsche Oma. „Wir haben dann zwei Jahre in einer Art Flüchtlingslager in Bremen gelebt“, erinnert sich die Autorin. „Ich war damals zehn Jahre alt. Es gab da noch keine Sprachkurse für uns, nicht mal Schulunterricht.“
Eltern stecken Viktoria mit der Leidenschaft für Bücher an
Viktoria verkriecht sich in dieser schweren Zeit in Bücher. Die liebt sie. Die Eltern haben sie angesteckt. Ihre Mutter verschlingt historische Romane, ihr Vater Fantasy. „Als kleines Mädchen haben die beiden mir schon die Musketiere vorgelesen“, erzählt sie. „Die habe ich vergöttert, auch wenn ich das Buch nicht komplett verstanden habe. Als ich größer wurde, mochte ich ‚Harry Potter‛ und der ‚Der Zauberer von Oz‛ am liebsten. Später kam dann noch ‚Der Herr der Ringe‛ dazu. Mein Papa und ich saßen jeden Abend zusammen und haben immer eine Stunde einander vorgelesen, immer im Wechsel.“
Viktoria ist ihren Eltern dankbar, dass die sie in die Welt der Bücher gezaubert haben. (Foto: Anja Bölck)
Kein Wunder, dass Viktoria bald selbst zur Feder greift. „In der Schule hab ich schon immer gern Geschichten geschrieben und relativ wenig im Unterricht aufgepasst“, erzählt sie. Fürs Geschichts- und Germanistik-Studium reicht es dennoch. Und sie besucht eine Journalistenschule, um ihren Traumberuf zu verwirklichen. Nebenbei schreibt sie als freie Autorin für ein Stadtmagazin. Um nach dem Studium erstmal Geld zu verdienen, jobbt Viktoria als Teamleiterin in einem Callcenter. „Aber ich war nicht glücklich“, erzählt sie. „Ich dachte bei mir, wozu hast du eigentlich Journalismus studiert?“
Als Fantasy-Autorin erfolgreich
Besser läuft es mit der Karriere als Fantasy-Autorin. Schon für ihr erstes Buch „So lange Schnee vom Himmel fällt“ interessiert sich der Drachenmond Verlag, deren Verlegerin sich erfolgreich auf Fantasy spezialisiert hat. Viktoria veröffentlicht unter dem Pseudonym Nicholle Fischer. Nicholle ist ihr zweiter Vorname, weil Mama französische Literatur mag.
Nach Schwerin hat Viktoria übrigens die Liebe verschlagen. Mitten in der Corona-Zeit. Auf einer Datingplattform lernt sie Michi aus Hagenow kennen. Der setzt sich wenig später ins Auto und fährt zu ihr nach Bremen. „Eigentlich hätten wir uns in der Pandemie-Zeit gar nicht besuchen dürfen“, erinnert sich Viktoria. „Aber die Neugier war zu groß. Wir konnten uns nur nicht in einem Café oder so verabreden. Es war ja alles geschlossen. Also sind wir draußen spazieren gegangen. Aus Vorsicht, weil ich ihn noch nicht wirklich kannte, ist eine Freundin als Anstandswauwau mitgekommen.“
Nicht lange danach zieht Viktoria in Michis Nähe nach Schwerin. Gleich zusammenwohnen, ist ihr zu überstürzt. Außerdem hat ihr Freund einen zwei Jahre alten Sohn. Auch beruflich stellt sich das Glück ein. Sie bekommt einen Job bei der Zeitung. Letztlich ziehen sie dann aber doch alle zusammen – und freuen sich, als das gemeinsame Töchterchen zur Welt kommt.
Guckt mal, was ich schon alles veröffentlicht habe! (Foto: Kravtschenko)
Ihr nächstes Buch ist bereits in Planung
Zeit für Hobbys hat Viktoria nun kaum noch. Stattdessen legt sie einen beeindruckenden Spagat zwischen Job und Familie hin. Häufig ist sie als Reporterin auf Abendterminen unterwegs und Wochenenddienste stehen auch immer wieder an. Basketballspielen wie früher ist nicht drin. Und ein Buch von ihren liebsten Autoren Cassandra Clare, Nina Blazon, Diana Wynne Jones und Stephen King hat sie schon lange nicht mehr zur Hand genommen.
Immerzu schreiben, für den Job und fürs Hobby. Die Schwerinerin kann nicht genug davon kriegen. (Foto: Lia Laugner)
Fantasy-Bücher schreibt sie trotzdem weiterhin. Die Zeit nimmt sich Viktoria: „Es tut einfach unglaublich gut, der Fantasie freien Lauf zu lassen. Für mich ist das total bereichernd.“ Klar genießt sie auch das Feedback der Leser. „Einige haben schon alle meine Bücher gelesen. Da hab ich manchmal fast das Gefühl, dass ich nicht schnell genug nachlege und sie mit neuer Lektüre versorge. Der Vertrag für mein nächstes Buch ist jedenfalls schon unterschrieben.“
„Wenn ich Bücher signieren soll, bin ich vorher wochenlang nervös“, sagt Viktoria Kravtschenko. „Was, wenn ich mich verschreibe?“ (Foto: Kravtschenko)