TM beleuchtet Trainer-Debatte 

Jungprofis mit meisten Einsätzen: Deutsche Talente im Hintertreffen?

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In der vergangenen Woche lud der Bund Deutscher Fußball-Lehrer (BDFL) zum 67. internationalen Trainer-Kongress. In diesem Rahmen debattierten Bundestrainer Julian Nagelsmann, Red Bulls Global Sports Director Jürgen Klopp, Ex-Bundesliga-Coach Christian Streich u.v.m. traditionell über Themen, die die Branche bewegen. Ein Agenda-Punkt: Die Förderung junger Spieler und die umstrittene Frage, ob diese in Deutschland im Vergleich zu Nationen wie Spanien oder Frankreich zu wenig auf höchstem Niveau spielen. Transfermarkt nahm dies zum Anlass für einen ausführlichen Blick in die Datenbank.

Schaut man stichprobenartig auf die 100 Talente bis 21 Jahre aus den Top-5-Ligen mit den meisten Einsätzen 2024/25, so ergibt sich folgendes Bild: Mit 28 Spielern ist die englische Premier League am häufigsten vertreten. Mit dem Man-United-Duo Rasmus Højlund und Alejandro Garnacho (beide 60 Spiele), Aston Villas Morgan Rogers (64) und Tottenhams Pape Matar Sarr (62) sind vier Premier-League-Profis in der Top-10. Die spanische LaLiga folgt mit 23 Youngstern, von denen Barcelonas Pedri (70) das internationale Ranking anführt, die Bundesliga landet auf dem 3. Platz (19 Spieler) vor der Ligue 1 (18) sowie der Serie A (12). Inkludiert sind in dieser Statistik jedoch neben Pflichtspielen für den Verein auch die in diesem Zeitraum absolvierten Länderspiele, einschließlich jener in den Nachwuchsauswahlen.

Klammert man letztere aus und legt den Fokus auf die absolvierten Partien für den Klub, so zeigt sich ein anderes Bild: Hier dominiert LaLiga das internationale Ranking mit 30 Talenten vor der Premier League (27). Mit deutlichem Abstand folgen die Serie A (16) und die Ligue 1 (15), die Bundesliga ist mit zwölf Spielern bis 21 Jahre das Schlusslicht (hier geht’s zur Statistik). Die Experten beim Trainerkongress brüteten über die Frage, ob es ein deutsches Problem sei, dass junge Stars von morgen zu wenig Spielzeit erhalten. Angesichts der Datenbank-Stichprobe findet sich diese Vermutung also zumindest ein Stück weit auch auf dem Papier bestätigt.

Streich fordert: „Die jungen Spieler müssen auf den Platz“

Die Freiburger Trainer-Legende Streich redete sich angesichts dessen in Leipzig auch leicht in Rage und nahm während der Diskussion einen Ball von Bundestrainer Julian Nagelsmann auf. „Julian hat das vorher ein bisschen angedeutet. Er muss ja vorsichtig sein, ich nicht“, sagte Streich und forderte klar und deutlich: „Die jungen Spieler müssen auf den Platz, die müssen Erfahrung sammeln, die müssen spielen.“ Nagelsmann hatte angemerkt – ohne Bayern-Coach Vincent Kompany kritisieren zu wollen, dass Jungstar Aleksandar Pavlovic in der vorigen Saison nur wenig Einsatzzeit bekommen habe. „Er hat vielleicht 33 Prozent der Minuten gespielt“, schätzte Nagelsmann.

Tatsächlich kam Pavlovic in der Bundesliga auf rund 1.500 von rechnerisch möglichen 3.060 Minuten. In der Champions League waren es nur knapp 300 von 1.260 Minuten. Allerdings musste der 21-Jährige wegen eines Schlüsselbeinbruchs und Pfeifferschen Drüsenfiebers etliche Partien verletzt und erkrankt aussetzen. Aktuell fehlt er schon wieder, diesmal wegen einer Fraktur der Augenhöhle. Dabei hat es Pavlovic schon ins Nationalteam geschafft. Streich machte deutlich, wo bei anderen Kickern angesetzt werden sollte. Talente müssten etwa in Freiburg, Stuttgart oder Bremen regelmäßig spielen und Leistung bringen, dann würden sie auch zur Nationalmannschaft eingeladen. „Die müssen zum richtigen Zeitpunkt wechseln“, betonte er.

Streichs Plädoyer an junge Talente: Nur bei Perspektive wechseln

Stattdessen aber würden sie „wegen des Pulvers“ früh irgendwo hingehen und nicht darüber nachdenken, dass es um die weitere Entwicklung gehe. „Ein Spieler sollte dann zu einem großen Verein gehen, wenn er die Perspektive hat“, betonte er. Oft aber machen laut Streich da die Berater nicht mit. Klopp macht sich daher für eine eigene U21-Liga stark. „Ich möchte, dass wir die Ausbildungszeit verlängern. Das schafft einen neuen Spielermarkt und einen neuen Trainermarkt“, sagte der ehemalige Coach von Mainz, Dortmund und Liverpool unlängst der „Welt am Sonntag“.

Spanien, Frankreich, Portugal oder die Niederlande würden es sehr gut machen. „Sie haben ein großes Repertoire an hervorragenden Spielern. Und da sind wir wieder beim Thema Ausbildung: Ich glaube nicht, dass du per se Talent hast, sobald du in Madrid, Paris, Porto oder Amsterdam geboren wirst“, betonte der internationale Fußballchef von Red Bull. Gerade RB Leipzig ist schon länger als Abnehmer für junge ausländische Spieler bekannt. Bayerns Dayot Upamecano wechselte 2017 mit 18 Jahren von RB Salzburg zu den Sachsen. Christopher Nkunku, mittlerweile beim Klub-Weltmeister Chelsea, kam mit 21 Jahren zu RB. Nordi Mukiele, heute beim Champions-League-Sieger Paris Saint-Germain, war 20 Jahre alt, als er zu RB Leipzig wechselte. Alle drei wurden in Frankreich ausgebildet.

In der Grande Nation gibt es das Programm „Junge Talente entdecken“. Dieser von der Nationalen Technischen Direktion geleitete Leistungsplan des Verbandes begleite Kinder ab 13 Jahren auf ihrem Weg zum Profisport und zu den französischen Nationalmannschaften, heißt es dort. Schulische und sportliche Entwicklung gehen Hand in Hand. Doch auch in Frankreich schafft es nicht jeder. Von 700, die das Programm pro Generation durchlaufen, unterschreiben laut Verbandsangaben 130 einen Profivertrag.

Auch in Deutschland hilft ein Talentförderprogramm dem Nachwuchs, unter anderem mit 39 Eliteschulen. Doch der Knackpunkt scheint eher die frühe Profi-Phase zu sein. „Ich glaube, es gibt mit Sicherheit in Deutschland auch genügend Talente“, betonte Roger Schmidt. „Bei meinen beiden letzten Stationen war klar: Am besten um Titel spielen, aber ganz klarer Auftrag an den Trainer war auch, die Spieler aus der eigenen Jugend auf den Platz zu kriegen. Sie weiterzuentwickeln, damit sie irgendwann verkauft werden. Anders hätten die Vereine gar nicht funktioniert“, sagte der Ex-Coach von PSV Eindhoven und Benfica Lissabon. Als ein Problem sieht er an, dass nicht mal alle deutschen Klubs eine eigene U23-Mannschaft haben.

Der FC Bayern hat eine und er hat seinen Campus für die Profis des Rekordmeisters der Zukunft. „Wir haben jetzt auch Spieler, die eine richtige Perspektive haben. Das heißt noch nicht, dass sie Stammspieler in der ersten Mannschaft werden. Sie werden über das Training ihre Leistung bringen müssen, um dann die Einsätze zu bekommen“, sagte Bayerns Sportvorstand Max Eberl.

Mit Material der dpa