Nach der Tötung von zwölf Pavianen im Tiergarten Nürnberg erhält der Direktor Morddrohungen. Zehn Fälle hat der Zoo inzwischen angezeigt, hunderte Fälle liegen zur Prüfung bei der Polizei. Der Tiergarten geht davon aus, dass noch die ganze Woche Proteste vor seinen Toren stattfinden. Die (nicht ganz neue) Debatte ist aufgeheizt. Doch warum töten Zoos überhaupt gesunde Tiere?
Die zwölf Paviane im Tiergarten Nürnberg stammen aus einer über Jahre gewachsenen Gruppe. Über 40 Tiere lebten teilweise in der Anlage – zu viele für das vorhandene Gehege. Der Tiergarten begründete die Tötung mit Platzmangel und damit, dass alle Vermittlungsversuche gescheitert waren.
Gezielte Zuchtprogramme und Überpopulation
Zoos sind keine Tierheime, sondern zumeist Teil eines internationalen Artenschutz-Netzwerks. In europäischen Erhaltungszuchtprogrammen wird gezielt nachgezüchtet – oft mit dem Ziel, bedrohte Arten langfristig zu erhalten und genetisch stabile Populationen aufzubauen. Dabei entstehen jedoch immer wieder sogenannte „Überbestände“.
Vor allem männliche Tiere gelten als schwer vermittelbar. Da viele Arten wie Paviane oder Löwen in freier Natur von kleinen Männchengruppen oder Alphatieren dominiert werden, können Zoos oft nicht mehrere adulte Männchen in einem Gehege halten. Kastration oder Verhütung sind bei vielen Tierarten entweder nicht praktikabel oder aus genetischer Sicht unerwünscht.
Jeder Einzelfall wird geprüft
Die Paviane in andere Zoos abzugeben, sei gescheitert, so der Tierpark Nürnberg.
Die Tötung von Tieren ist laut Tierschutzgesetz (§ 17 TierSchG) nur mit „vernünftigem Grund“ erlaubt. In Zoos kann das der Fall sein, wenn Platz fehlt, Tiere nicht vermittelbar sind und ihre Haltung das Wohl der Gesamtgruppe gefährdet. Dabei wird jeder Einzelfall geprüft – von wissenschaftlichen Mitarbeitern, Tierärzten und oft auch Ethikkommissionen.
Im Nürnberger Fall schreibt der Tiergarten, Anhaltspunkte für die Entscheidungen seien unter anderem die Altersstruktur innerhalb der Gruppe gewesen, das Geschlechterverhältnis, der Trainingszustand des Tieres und ob Weibchen trächtig sind beziehungsweise ein Jungtier säugen.
Der Versuch, Tiere in andere Einrichtungen abzugeben, sei mehrfach gescheitert – kein Zoo habe die Paviane übernehmen wollen. Letztlich wurden zwölf Tiere eingeschläfert, einige als Futter verwertet.
Rechtfertigt Artenschutz die Tötung?
Bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth sind mittlerweile rund 350 Anzeigen wegen der Tötung der Paviane eingegangen. Die Behörde prüft laut einer Sprecherin in erster Linie, ob im Sinne des Paragrafen 17 des Tierschutzgesetzes ein vernünftiger Grund für die Tötung der Tiere vorlag.
Bekam Morddrohungen: Dag Encke, Direktor des Nürnberger Tiergartens
Die Organisation Pro Wildlife plädiert dafür, die Anzahl der Nachzuchten stärker zu regulieren, um solche Entscheidungen zu vermeiden. Sie nennt es einen „Skandal“, dass der Tiergarten Nürnberg weiterzüchten möchte.
Tötung in Zoos nicht unüblich
Die Europäische Zoo-Vereinigung EAZA hat 2014 eine Schätzung ausgegeben, nach der jährlich zwischen 3.000 und 5.000 Tiere in Zoos getötet werden, darunter ein paar hundert größere Tiere. Zum Teil, wie in Nürnberg, weil der Platz fehlt und keine Vermittlungsmöglichkeiten für die Tiere bestehen. Es geht aber auch darum, eine gute Zucht zu ermöglichen – und beispielsweise Inzucht zu verhindern.
Aber – die Zoos sagen auch: Ein Tier zu töten ist immer das letzte Mittel der Wahl. Der Tiergarten Nürnberg schreibt, das Töten sei der schwierigste Weg gewesen, das „geht ausnahmslos allen [Mitarbeitern] sehr nahe.“
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