18.20 Uhr am Mittwochabend in Kiel: Sechs Hände schlagen auf den Buzzer, hunderte Menschen verfallen in Jubel und stimmen eine La Ola an. Das zweite Ocean Race Europe der Geschichte ist eröffnet. Ab jetzt tickt die Uhr. In weniger als vier Tagen fällt der Startschuss zum Speed-Rennen rund um Westeuropa – von Kiel in fünf Etappen bis nach Boka Bay in Montenegro.
Am Ponton der Kieler Blücherbrücke liegen zwar erst sechs Yachten – die Allagrande Mapei ist noch unterwegs, doch auf der Bühne präsentiert sich das volle Aufgebot aus sieben Teams. Alle strahlen, als sie vor das Kieler Publikum treten. Es sei, wie nach Hause zu kommen, sagt die einzige Skipperin im Feld, Rosalin Kuiper (Holcim-PRB). Und Paul Meilhat, Skipper der Biotherm, setzt noch einen drauf, als er das Publikum mit lockerem Gruß auf deutsch begrüßt: „Moin, moin, Kiel!“
Das Publikum dankt es ihm mit großem Jubel, und es macht bei seinem Willkommen kaum einen Unterschied zwischen dem Heimteam Malizia und den anderen Kampagnen aus Frankreich, Italien, Kanada und der Schweiz.
Eine begeisterte Fan-Schar empfing die Teams auf der Bühne. @ Jan-Michael Böckmann / Kiel Marketing
Nachdem Richard Brisius, der Chef des Rennens, den silbernen Pokal auf die Bühne gebracht hatte, und Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer bekannte: „Das ist fast wie Kieler Woche“, war es Rosalin Kuiper, die als erste Team-Leaderin vor das Publikum trat.
Begeisterung bei Teams und Fans
Die junge Mutter hat die Sailing.City in ihr Herz geschlossen, seit sie mit der Malizia vor zwei Jahren beim Fly-by des Ocean Race 2023 in der Innenförde gefeiert wurde. Klar, dass sie auch ihren Mann und ihr Kind mit nach Kiel gebracht hat, um mit der Familie die Tage bis zum Start zu feiern.
Das Objekt der Begierde: Der Siegerpokal des Ocean Race Europe. @ Jan-Michael Böckmann / Kiel Marketing
Dass sie als Frau am Steuer der Holcim-PRB eine besondere Rolle einnimmt, will die Niederländerin so nicht stehen lassen: „Ich fühle mich nicht besonders. Wir sind ein Team mit vielen Frauen. Aber wir sollten daran arbeiten, noch mehr Frauen in den Sport zu bekommen.“
Damit hat sie ebenso die Fans auf ihrer Seite wie kurz darauf die Britin Pip Hare, die mit ihrem ansteckenden Lachen von der Bühne grüßt. Nach ihrem Mastbruch bei der Vendée Globe, den sie mit viel Seemannschaft meisterte und dessen Folgen sie unter Tränen und dann mit Witz und einem Video-Blog von See überstand, freut sie sich nun auf das Rennen im Team-Modus.
Rosalin Kuiper fühlt sich in Kiel wie Zuhause. © ra
„Es wird meine erste Erfahrung in diesem Rennformat. Ich freue mich, mal nicht auf mich allein gestellt zu sein.“ Im Team Kanada wird aber sicherlich ihre Expertise gefragt sein, denn in der Crew von Skipper Scott Shawyer steht sie für große Imoca-Erfahrung.
Allagrande Mapei noch ohne Boot
Die Kanadier gelten daher als Außenseiter in diesem Rennen. Auf der anderen Seite der Favoritenskala rangieren die Franzosen um Yoann Richomme mit der Paprec Arkéa. Dass er kaum langsam kann, macht der Skipper schon bei der Einfahrt nach Kiel deutlich. „Wir mussten sogar etwas einbremsen, waren mit 25 Knoten unterwegs. Das mochte die Polizei überhaupt nicht, so Richomme, der sehr gut angekommt in Kiel: „Danke für dieses tolle Willkommen.“
Noch ohne Boot steht Ambrogio Beccaria in Kiel auf der Bühne. Bei der Regatta Course des Caps war der Mast der Allagrande Mapei aus seiner Basis gebrochen. Der Mannschaft war es zwar gelungen, Boot und Rigg zu sichern. Aber danach stand eine längere Reparatur in Lorient auf dem Plan. „Wir wussten nicht, ob wir es überhaupt an den Start schaffen. Aber morgen soll das Boot in Kiel sein“, berichtet der Italiener, der die Yacht frisch von Thomas Ruyant übernommen hat und der nun auch zu seinem Team gehört.
Boris Herrmann geht als Hamburger als Heimteam an den Start. @ ra
Auf die Regatten in England hatte Paul Meilhat dagegen verzichtet. Der Franzose war mit der Biotherm in der Ostsee unterwegs und hatte die Yacht schon vor Wochen nach Kiel gebracht – vielleicht ein Grund, warum er sich so wohl im Norden fühlt und die Kieler mit einem typisch norddeutschen Gruß begrüßen konnte.
Den Abschluss der Vorstellung durfte dann das Team Malizia mit Boris Herrmann auf der Bühne geben. Der Hamburger Skipper wollte gleich in Richtung Buzzer, musste sich aber mit dem Drücken des Startknopfes noch gedulden.
Kiels OB will Segelspektakel
Der sympathische Brite Harris freute sich sichtlich über den Auftritt in Kiel: „Es ist toll, wieder in der Stadt zu sein.“ Auch Cole Brauer strahlte und berichtete begeistert vom Team-Spirit bei Malizia: „Wir haben das ganze Jahr zusammen gearbeitet, sind wirklich zusammen gewachsen. Wir machen alles zusammen, sind wie Freunde und haben eine gute Zeit.“
Dann endlich durfte Boris Herrmann mit Teammitgliedern, Richard Brisius, Kiels OB Ulf Kämpfer und Uwe Wanger von Kiel Marketing an den Buzzer, um nach einem Countdown den Start des Rennens einzuläuten. Das geplante kleine Feuerwerk blieb zwar aus, auch das Hupen blieb aus, stattdessen machte der Jubel die Musik. Die Freude über den Beginn des Events bis zum Start dürfte aber ganz nach dem Geschmack von OB Kämpfer sein. Er möchte den Grundstein legen, um die olympischen Segelwettbewerbe 2040 oder 2044 wieder nach Kiel zu holen, und hatte dafür auch deutlich gemacht: „Der Segelsport muss spektakulärer werden.“