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Seite 1Wenn KI den Zugang zum Internet sperrt
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Seite 2Sogar Foren für Elektroautobesitzer sind jetzt geblockt
Die ersten Tage nach Inkrafttreten der neuen Regeln zeigen, dass die
Bedenken hinsichtlich strengerer Alterskontrollen im Vorfeld berechtigt waren. Dabei geht es unter anderem
natürlich um Datenschutz und die erwähnten Probleme von nicht robusten KI-Systemen, die dazu führen, dass man sie beispielsweise mit künstlich generierten Bildern von Gesichtern hintergehen kann.
Aber es zeigen sich noch andere Probleme. Die britische BBC
berichtet, dass soziale Netzwerke wie X (ehemals Twitter) und Reddit im Zuge des
neuen Gesetzes nicht nur Pornografie oder andere im Gesetz genannten
Inhalte für nicht altersverifizierte Nutzerinnen und Nutzer
blockieren. Betroffen sind demnach auch viele Beiträge wie Berichte zu den
Kriegen in der Ukraine und in Gaza. Fachleute warnen, dass die Gefahr
besteht, dass öffentliche Debatten erstickt werden. Die Sperrungen träfen demnach auch faktenbasierte Berichterstattung und politische Reden, die im
öffentlichen Interesse stehen.
Die BBC konnte einige Fälle dokumentieren, in denen X Inhalte
sperrte, obwohl weder Gewalt noch explizite Inhalte zu sehen waren.
Ähnliche Einschränkungen fanden sich auf Reddit bei Foren wie
r/UkraineConflict oder Gesundheitsthemen. Manche Beobachter
vermuten laut BBC, dass Unternehmen bewusst „überblocken“, um
das Gesetz in Misskredit zu bringen.
Andere tun das offenbar, weil sie Angst vor Konsequenzen haben.
Denn das Gesetz droht mit empfindlichen Strafen, falls entsprechende Inhalte nicht für Minderjährige geblockt werden. Unternehmen können mit einer Geldstrafe von bis zu 18 Millionen Pfund oder zehn Prozent ihres weltweiten Umsatzes (je nachdem, welcher Betrag höher ist) belegt werden. Gegen Führungskräfte, die Anfragen der Behörden nicht nachkommen, können sogar strafrechtliche Schritte eingeleitet werden. Im Extremfall soll es sogar möglich sein, Internetanbieter anzuweisen, mit einer Plattform nicht mehr zusammenzuarbeiten. Das würde dazu führen, dass diese in Großbritannien nicht mehr erreichbar ist.
Dem kommen manche Anbieter nun offenbar zuvor, um mögliche empfindliche Geldstrafen zu verhindern. Deshalb seien ganze Bereiche des Internets für britische Nutzerinnen und Nutzer gesperrt, berichtet The Verge – vom Subreddit zum Thema Menstruationsgesundheit bis zu Hobbyforen für Musikproduktion.
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Endlich trauen sie sich was
Auch viele kleinere Anbieter haben wohl entschieden, besser
generell nicht mehr aus Großbritannien abrufbar zu sein, um keine
Strafe zu riskieren. Schließlich braucht es finanzielle und
technische Ressourcen, um externe Altersverifikationsdienste zu
integrieren. Tausende Websites haben ihre Inhalte daher für
britische Internetadressen komplett blockiert, darunter sogar Foren für Elektroautobesitzer oder Handarbeitscommunitys.
Der von Pornoseiten ausgesperrte tätowierte King Of Ink
Land überlege inzwischen, ein Virtual Private Network, kurz VPN, zu nutzen, sagte er in dem Interview. Damit täuscht
man der Website vor, sich in einem anderen Land zu befinden. Das
klappt nicht immer – unter anderem, weil viele andere Faktoren einer
Website verraten, wo der Nutzer wirklich sitzt. Aber offenbar
klammern sich die Briten daran wie an einen Strohhalm: Denn bei
den Nutzerinnen und Nutzern ist das Misstrauen gegenüber den neuen
Verifikationsmethoden groß, schließlich müssen sie sensible
persönliche Daten an private Unternehmen geben.
Das führt derzeit
zu einem VPN-Boom.
Fünf der zehn beliebtesten kostenlosen iOS-Apps in Großbritannien
sind derzeit VPN-Tools, angeführt vom Schweizer Anbieter Proton VPN.
Dessen General Manager David
Peterson erklärte
gegenüber The Verge,
die täglichen Anmeldungen aus Großbritannien seien in den ersten drei Tagen nach Inkrafttreten der neuen Regelungen zur Altersverifikation am 25. Juli um 1.800
Prozent gestiegen:
„Der Anstieg folgt einem
ähnlichen Muster wie bei anderen Regierungen, die Beschränkungen
für Kommunikations- oder Social-Media-Plattformen einführen.“
Das ist eine bittere Parallele. Eigentlich will Großbritannien Kinder schützen – und landet nun in einer Aufzählung mit Staaten, die für Zensur und Überwachung stehen. Ob das Gesetz langfristig Minderjährige wirksam schützt oder ob
nicht vielmehr die unerwünschten Folgen dominieren, steht aktuell infrage. Aber wenn der Datenschutz und der freie Zugang zu Informationen unter die Räder geraten, verlieren am Ende alle. Auch die, die hier eigentlich geschützt werden sollen.